Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang des Prüfungsstoffes des Fachgesprächs. Möglichkeit zur Stellungnahme vor negativer Beurteilung
Leitsatz (amtlich)
a) Der Prüfungsstoff des Fachgesprächs ist beschränkt auf die Bereiche, in denen der Nachweis der in §§ 4 und 5 FAO geforderten theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen noch nicht geführt ist; auf diese Bereiche ist in der Ladung zum Fachgespräch hinzuweisen (§ 7 Abs. 2 S. 1 FAO).
b) Zu den Anforderungen an das Inhaltsprotokoll nach § 7 Abs. 2 S. 4 FAO.
c) Zur Frage, ob dem Antragsteller vor der abschließenden Entscheidung des Vorstands der Rechtsanwaltskammer Gelegenheit gegeben werden muss, zu einer negativen Beurteilung des Fachgesprächs durch den Fachausschuss Stellung zu nehmen.
Normenkette
FAO § 7
Verfahrensgang
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des 2. Senats des AGH Rheinland-Pfalz v. 24.9.2003 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Antragsgegnerin verpflichtet wird, über den Antrag des Antragstellers auf Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung für das Arbeitsrecht unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats erneut zu entscheiden.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und dem Antragsteller die ihm im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 12.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller beantragte mit Schreiben v. 5.10.2000, ihm die Fachanwaltsbezeichnung für das Arbeitsrecht zu verleihen. Die Antragsgegnerin wies den Antrag mit Bescheid v. 17.7.2001 mit der Begründung zurück, dass der Nachweis der praktischen Erfahrungen nach § 5 FAO nicht geführt sei, weil von den in der Falliste aufgeführten 106 Mandaten neun Mandate nicht gezählt werden könnten und bei vier weiteren die Bearbeitung innerhalb des maßgeblichen Zeitraums äußerst fraglich sei.
Der Antragsteller beantragte gerichtliche Entscheidung. In der mündlichen Verhandlung v. 26.2.2002 wies der AGH darauf hin, dass nach seiner Auffassung der Fachausschuss eine Gewichtung der Fälle nach § 5 S. 2 FAO nicht vorgenommen und deshalb erneut zu prüfen habe, ob nicht insb. die Fallzahl von 76 gerichtlichen Fällen ausreiche, um die festgestellte geringe Differenz zu den geforderten 100 Fällen auszugleichen; ergäben sich bei einer solchen Gewichtung noch Zweifel, so komme das Fachgespräch in Betracht. Der Antragsteller erklärte daraufhin, dass er bereit sei, in einem Fachgespräch eventuelle Zweifel auszuräumen. Die Beteiligten schlossen auf Vorschlag des AGH zur Erledigung des Verfahrens einen Vergleich, in dem sich die Antragsgegnerin verpflichtete, den Antragsteller zu einem Fachgespräch zu laden.
Die Ladung des Antragstellers zum Fachgespräch enthielt den Hinweis:
"Das Fachgespräch wird den gesamten Bereich des Arbeitsrechts zum Inhalt haben."
Nach Durchführung des Fachgesprächs wies die Antragsgegnerin - der Empfehlung des Fachausschusses folgend - den Antrag auf Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung durch Bescheid v. 30.10.2002 mit der Begründung erneut zurück, der Antragsteller habe bei der Erörterung arbeitsrechtlicher Sachverhalte und Fragen nicht darlegen können, dass er trotz der geringen Anzahl von bearbeiteten arbeitsrechtlichen Mandaten ausreichend praktische Erfahrungen auf dem gesamten Gebiet des Arbeitsrechts habe.
Der Antragsteller hat wiederum gerichtliche Entscheidung beantragt. Der AGH hat den Bescheid der Antragsgegnerin aufgehoben und diese verpflichtet, über den Antrag auf Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung für das Arbeitsrecht unter Beachtung der Rechtsauffassung des AGH erneut zu entscheiden (BRAK 2004, 131). Dagegen richtet sich die - vom AGH zugelassene - sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 223 Abs. 3 S. 1, Abs. 4, § 42 Abs. 4 BRAO), hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Der AGH hat zu Recht den angefochtenen Bescheid der Antragsgegnerin v. 30.10.2002 aufgehoben und die Antragsgegnerin verpflichtet, über den Antrag auf Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung für das Arbeitsrecht neu zu entscheiden.
1. Die Ladung zum Fachgespräch und das Fachgespräch selbst waren rechtswidrig, weil der in der Ladung angekündigte und im Fachgespräch erörterte Prüfungsstoff den zulässigen Rahmen überschritt. Das Fachgespräch durfte deshalb nicht zum Nachteil des Antragstellers verwertet werden.
a) Der Fachausschuss war nicht berechtigt, in der Ladung des Antragstellers "den gesamten Bereich des Arbeitsrechts" als Gegenstand des Fachgesprächs anzukündigen und das anschließende Fachgespräch, wie geschehen, auf eine umfassende Prüfung im Individual- und Kollektivarbeitsrecht zu erstrecken.
aa) Nach § 7 Abs. 2 S. 1 FAO in der bis zum 31.12.2002 gültigen und damit für den vorliegenden Fall noch maßgeblichen Fassung (im Folgenden: a.F.) sollen bei der Ladung zum Fachgespräch Hinweise auf die Bereiche gegeben werden, in denen der Fachausschuss den Nachweis anhand der eingereichten Unterlagen nicht als geführt ansieht. Aus dieser Bestimmung, die dem Antragsteller eine gezielte Vorbereitung auf das Fachgespräch ermöglichen soll, ist zu entnehmen, dass Gegenstand des Fachgesprächs nur die Bereiche sein sollen, in denen der Nachweis der in §§ 4, 5 FAO geforderten theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen anhand der eingereichten Unterlagen noch nicht geführt ist. Diese Begrenzung des Prüfungsstoffs im Fachgespräch auf die Bereiche, in denen die eingereichten Unterlagen Defizite aufweisen, kommt nicht nur in der Sollvorschrift des § 7 Abs. 2 S. 1 FAO a.F. zum Ausdruck, sondern folgt auch daraus, dass die Prüfung der Voraussetzungen für die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung nach §§ 4 bis 6 FAO weitgehend formalisiert ist (dazu eingehend BGH, Beschl. v. 23.9.2002 - AnwZ(B) 40/01, BRAK 2003, 25; Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 7 FAO Rz. 10). Wenn und soweit der Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse und praktischer Erfahrungen im Fachgebiet durch die den Anforderungen nach §§ 4 bis 6 FAO entsprechenden Unterlagen bereits erbracht ist, steht dem Fachausschuss nicht das Recht zu, die fachliche Qualifikation eines Bewerbers in den durch die formalisierten Nachweise bereits hinreichend abgedeckten Bereichen in einem Fachgespräch nochmals zu überprüfen (BGH, Beschl. v. 23.9.2002 - AnwZ(B) 40/01, BRAK 2003, 25, unter II 4b bb). Das Fachgespräch tritt damit nicht als eigenständige, auf den gesamten Umfang des Fachgebiets bezogene Prüfung der fachlichen Qualifikation des Bewerbers durch den Fachausschuss neben die in § 6 FAO geforderten Nachweise, sondern hat Bedeutung nur als ergänzende Beurteilungsgrundlage für die Fälle, in denen die Voraussetzungen nach §§ 4 bis 6 FAO nicht bereits durch die schriftlichen Unterlagen nachgewiesen sind, der Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse und praktischer Erfahrungen im Rahmen eines Fachgesprächs aber noch aussichtsreich erscheint (BGH, Beschl. v. 23.9.2002 - AnwZ(B) 40/01, BRAK 2003, 25, unter II 4b bb; Feuerich/Weyland, BRAO, 5. Aufl., § 7 FAO (a.F.) Rz. 2; Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 7 FAO (a.F.) Rz. 2, m.w.N.).
bb) Dies gilt - bei verfassungskonformer Auslegung der Bestimmung - weiterhin auch für die ab 1.1.2003 geltende Neufassung des § 7 FAO (Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 7 FAO (n.F.) Rz. 5 f.; Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 7 FAO (n.F.) Rz. 8 ff.), in der die Erteilung eines Hinweises auf den Prüfungsstoff in der Ladung - und damit auch die Stoffbegrenzung im Fachgespräch selbst - jetzt zwingend vorgeschrieben, jedoch nicht mehr ausdrücklich geregelt ist, worauf sich das Fachgespräch beschränken soll. Auf Grund der fortbestehenden Funktion des Fachgesprächs, lediglich die bei der Prüfung der Nachweise nach § 6 FAO festgestellten Defizite auszugleichen (Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 7 FAO (n.F.) Rz. 5 f., 9), gilt auch für die Neufassung des § 7 FAO die Begrenzung des Prüfungsstoffs im Fachgespräch auf die Bereiche, in denen der Nachweis der besonderen theoretischen Kenntnisse und/oder praktischen Erfahrungen durch die vorgelegten Unterlagen nicht oder nicht voll gelungen ist und in denen der Fachausschuss deshalb diesbezüglichen Klärungsbedarf sieht (Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 7 FAO (n.F.) Rz. 9). Diese begrenzte Funktion des Fachgesprächs beruht letztlich darauf, dass § 43c Abs. 1 und 2 BRAO - die Rechtsgrundlage für die Regelungen der Fachanwaltsordnung - nicht auf eine individuelle Ermittlung des Wissens und der Fähigkeiten des einzelnen Bewerbers im Fachgebiet durch eine umfassende (schriftliche oder mündliche) Prüfung des Rechtsanwalts ausgerichtet ist, sondern die Kompetenz des Fachausschusses auf eine Prüfung der von dem Rechtsanwalt vorzulegenden Nachweise beschränkt (BGH, Beschl. v. 23.9.2002 - AnwZ(B) 40/01, BRAK 2003, 25; Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 7 Rz. 10). Die mündliche Prüfung im Fachgespräch dient deshalb auch nach der Neufassung des § 7 FAO weiterhin nur einer ergänzenden, auf Defizite der vorgelegten Nachweise bezogenen Beurteilung und ist deshalb auch nach der neuen Bestimmung in § 7 Abs. 1 S. 2 FAO n.F. entbehrlich, wenn der Fachausschuss seine Stellungnahme auf Grund der vorgelegten Zeugnisse und schriftlichen Unterlagen auch ohne ein Fachgespräch abgeben kann.
b) Nach den zutreffenden und von der Antragsgegnerin auch nicht im Einzelnen angegriffenen Feststellungen des AGH hatte der Antragsteller durch die Falliste den Nachweis besonderer praktischer Erfahrungen jedenfalls im Individualarbeitsrecht zu den Teilbereichen Inhalt und Beendigung des Arbeitsverhältnisses einschließlich Kündigungsschutz sowie im Verfahrensrecht bereits erbracht. Danach bestand eine Verpflichtung zur Beschränkung des Umfangs des Fachgesprächs auf die Bereiche, in denen der Nachweis noch nicht geführt war, insb. das kollektive Arbeitsrecht und - aus dem Individualarbeitsrecht - der Schutz besonderer Personengruppen. Da es in der Ladung des Antragstellers zum Fachgespräch an einem entsprechenden Hinweis und auch im Fachgespräch selbst an einer entsprechenden Stoffbegrenzung fehlte, waren sowohl die Ladung zum Fachgespräch als auch dessen Durchführung rechtswidrig (Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 7 FAO n.F. Rz. 7). Der Umstand, dass das Fachgespräch im vorliegenden Fall nicht von der Antragsgegnerin angeordnet, sondern in einem gerichtlichen Vergleich vereinbart worden war, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der AGH hat zutreffend darauf hingewiesen, dass nach dem Sinn des vor ihm geschlossenen Vergleichs an die Durchführung des Fachgesprächs die rechtlichen Maßstäbe nach § 7 FAO anzulegen waren.
c) Das rechtswidrig durchgeführte Fachgespräch durfte nicht zum Nachteil des Bewerbers verwertet werden (Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 7 FAO a.F. Rz. 6; § 7 FAO n.F., Rz. 7; Hartung/Holl, FAO, 2. Aufl., § 7 a.F. Rz. 27). Das Verwertungsverbot, das der Senat für den Fall eines zu Unrecht angeordneten Fachgesprächs ausgesprochen hat (BGH v. 21.6.1999 - AnwZ (B) 91/98, BGHZ 142, 97 = MDR 1999, 1227; Beschl. v. 18.11.1996 - AnwZ(B) 29/96, BRAK 1997, 128 = MDR 1997, 896 = NJW 1997, 1307, unter II 3e zu § 10 Abs. 3 RAFachBezG), gilt für den hier vorliegenden Fall eines wegen Überschreitung des Prüfungsstoffs rechtswidrigen Fachgesprächs in gleicher Weise.
2. Da die sofortige Beschwerde bereits aus den unter 1. dargelegten Gründen keinen Erfolg, hat, kommt es für die Entscheidung nicht darauf an, ob der angefochtene Bescheid, wie der AGH angenommen hat, auch wegen Mängeln des über das Fachgespräch geführten Inhaltsprotokolls und wegen dem Antragsteller vorenthaltener Gelegenheit, zum ablehnenden Votum des Fachausschusses Stellung zu nehmen, rechtswidrig war. Hierzu weist der Senat für das weitere Verfahren darauf hin, dass der AGH die Anforderungen an das nach § 7 Abs. 2 S. 4 FAO zu führende Inhaltsprotokoll überspannt hat und dass aus der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfG v. 17.4.1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34 ff. = MDR 1991, 805) entgegen der Auffassung des AGH nicht herzuleiten ist, dass dem Antragsteller hätte Gelegenheit gegeben werden müssen, vor der Entscheidung des Vorstands der Rechtsanwaltskammer über die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung zum Votum des Fachausschusses Stellung zu nehmen.
a) Das nach § 7 Abs. 2 S. 4 FAO zu führende Inhaltsprotokoll hat die Aufgabe, den tatsächlichen Verlauf des Fachgesprächs zu dokumentieren. Damit soll eine Überprüfung ermöglicht werden, ob die Stellungnahme des Ausschusses ggü. dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer (§ 24 Abs. 10 S. 1 FAO) und die - daran nicht gebundene - Entscheidung des Vorstands der Rechtsanwaltskammer über die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung hinsichtlich des Ergebnisses des Fachgesprächs auf zutreffenden tatsächlichen Grundlagen beruhen. Aus der Beweisfunktion des Inhaltsprotokolls ist aber entgegen der Auffassung des AGH nicht die Forderung abzuleiten, das Inhaltsprotokoll müsse so ausgestaltet sein, dass es dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer allein anhand des Inhaltsprotokolls - also unabhängig von der abschließenden Stellungnahme des Fachausschusses (§ 24 Abs. 10 S. 1 FAO) - möglich sei, das Fachgespräch Schritt für Schritt nachzuvollziehen und anhand der protokollierten Fragen und Antworten im einzelnen zu überprüfen, ob der Fachausschuss die Antworten des Bewerbers mit Recht als richtig, falsch oder vertretbar bewertet hat. Eine so weit gehende Dokumentation des tatsächlichen Verlaufs einer mündlichen Prüfung ist bei berufsbezogenen Prüfungen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten und hinsichtlich des Fachgesprächs auch nicht deshalb zu fordern, weil § 7 Abs. 4 S. 2 FAO ein Inhaltsprotokoll ausdrücklich verlangt. Die Anforderungen, die an das Inhaltsprotokoll nach § 7 Abs. 2 S. 4 FAO zu stellen sind, werden dadurch beschränkt, dass die Protokollierung des Fachgesprächs im Interesse eines ungestörten Prüfungsablaufs nur in begrenztem Umfang möglich und sachgerecht ist. Ein Wortprotokoll, wie es der AGH in der Sache fordert, wird von § 7 Abs. 2 S. 4 FAO nicht verlangt und könnte im Übrigen den tatsächlichen Ablauf des mündlichen Prüfungsgeschehens auch nicht umfassend zum Ausdruck bringen.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG verlangen weder das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) noch die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG bei berufsbezogenen Prüfungen eine umfassende Protokollierung der Fragen und Antworten in der mündlichen Prüfung (BVerwG, Beschl. v. 31.3.1994 - 6 B 65/93, DVBl. 1994, 64; die gegen diese Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG - BVerfG, Beschl. v. 14.2.1996 - 1 BvR 961/94 - nicht zur Entscheidung angenommen). Das BVerwG hat die sachlichen Gründe, die einer umfassenden Protokollierung des mündlichen Prüfungsgeschehens entgegenstehen, aus den tatsächlichen Gegebenheiten der mündlichen Prüfung abgeleitet (dazu näher BVerwG, Beschl. v. 31.3.1994 - 6 B 65/93, DVBl. 1994, 64, unter 1). Dem verfassungsrechtlichen Anspruch des Prüflings auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle der Prüfungsentscheidung (BVerfG v. 17.4.1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34 [49] = MDR 1991, 805) muss deshalb nicht dadurch Rechnung getragen werden, dass bei mündlichen Prüfungen das gesamte Prüfungsgeschehen einschließlich der Fragen und Antworten umfassend zu dokumentieren wäre (BVerwG, a.a.O.). Den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt es, wenn hinreichende verfahrensmäßige Vorkehrungen getroffen sind, um das Prüfungsgeschehen nachträglich noch aufklären zu können (BVerwG, Beschl. v. 31.3.1994 - 6 B 65/93, DVBl. 1994, 64, unter 1; v. 6.9.1995 - 6 C 18/93, BVerwGE 99, 185, unter 1a, b dd).
bb) Was nach der Rechtsprechung des BVerwG für Prüfungen gilt, die den Zugang zu einem Beruf regeln und damit die Berufswahlfreiheit einschränken, hat erst Recht für die Bestimmungen der Fachanwaltsordnung über das Fachgespräch zu gelten, die lediglich die anwaltliche Berufsausübung regeln und einschränken. Auch im Fachgespräch ist eine Protokollierung des mündlichen Prüfungsgeschehens nur in beschränktem Umfang möglich und sachgerecht. Daran ändert nichts, dass § 7 Abs. 2 S. 4 FAO die Führung eines Inhaltsprotokolls ausdrücklich verlangt. Diese Regelung macht es nicht entbehrlich, auch bei der Protokollierung des Fachgesprächs zwei widerstreitende Belange gegeneinander abzuwägen und zu einem sinnvollen Ausgleich zu bringen: Einerseits das Bestreben nach einer Verbesserung der Beweislage in der mündlichen Prüfung durch eine möglichst umfassende und genaue Protokollierung des Prüfungsgeschehens und andererseits die damit verbundenen praktischen Schwierigkeiten und auch nachteiligen Folgen für den Prüfungsablauf und die Prüfungsatmosphäre, die umso größer sind, je mehr die Dokumentation des mündlichen Prüfungsgeschehens - etwa durch den Einsatz technischer Aufnahmevorrichtungen (Tonband, Video) - perfektioniert wird (BVerwG, Beschl. v. 31.3.1994 - 6 B 65/93, DVBl. 1994, 64, unter 1). In Anbetracht dieser Konfliktlage und der Möglichkeit verschiedenartiger Strukturen eines Fachgesprächs (z.B. Frage-Antwort-Schema, vom Prüfling selbständig zu entwickelnde Falllösung, gemeinsame Problemerörterung zwischen Prüfer und Prüfling), verbietet sich die vom AGH erhobene Forderung zum Umfang und zur Detailgenauigkeit des Inhaltsprotokolls über das Fachgespräch. Sie liefe auf ein Wortprotokoll hinaus, das den Ablauf des Fachgesprächs und die Prüfungsatmosphäre stören würde, ohne die Gesamtheit des mündlichen Prüfungsgeschehens angemessen erfassen zu können.
b) Zu Unrecht hat der AGH schließlich angenommen, der Antragsteller sei in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG auch dadurch verletzt worden, dass ihm nicht Gelegenheit gegeben worden sei, zu dem negativen Votum des Fachausschusses ggü. dem Vorstand der Antragsgegnerin Stellung zu nehmen.
Das BVerfG, auf das sich der AGH beruft, hat in seinem Beschluss v. 12.2.1998 (BRAK 1998, 145) ausgeführt, dass dem Rechtsanwalt, der zum Fachgespräch geladen wird, schon vom Fachausschuss mitgeteilt werden müsse, warum der Fachausschuss den Nachweis praktischer Erfahrungen nicht als geführt ansehe (BRAK 1998, 145, unter II 2). Diese Mitteilungspflicht steht im Zusammenhang damit, dass bereits gegen die Ladung zum Fachgespräch gerichtliche Entscheidung beantragt werden kann (Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 7 FAO Rz. 13, m.w.N.), und ist vom BVerfG damit begründet worden, dass es zum Kern grundrechtlicher Verfahrensgarantien gehöre, dass die betroffenen Bürger rechtzeitig über den Verfahrensstand informiert würden und die Möglichkeit hätten, Einwände wirksam vorzubringen (Beschl. v. 12.2.1998, BRAK 1998, 145, unter II 1; mit Bezugnahme auf BVerfG v. 17.4.1991 - 1 BvR 1529/84, 1 BvR 138/87, BVerfGE 84, 59 [72] = MDR 1991, 807; v. 17.4.1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34 [46] = MDR 1991, 805). Daraus folgt entgegen der Auffassung des AGH für den hier vorliegenden Fall aber nicht, dass der Fachausschuss seine Beurteilung des Fachgesprächs dem Antragsteller vorab bekannt zu geben hatte, um diesem Gelegenheit zu geben, seine Einwände gegen die Beurteilung noch vor der abschließenden Entscheidung des Vorstands der Antragsgegnerin vorzubringen.
Für berufsbezogene Abschlussprüfungen wie die juristischen Staatsprüfungen hat das BVerfG es als erforderlich, aber auch als ausreichend angesehen, dass die Prüflinge nach Erlass des Prüfungsbescheides das Recht haben, ihre Einwände gegen die Bewertung der Leistungen in einem Widerspruchsverfahren wirksam vorzubringen (BVerfG v. 17.4.1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34 [47] = MDR 1991, 805). Aus dieser Entscheidung des BVerfG hat das BVerwG hergeleitet, dass auch bei juristischen Staatsprüfungen, deren gerichtlicher Überprüfung nach den landesrechtlichen Regelungen ein förmliches Widerspruchsverfahren nicht vorgeschaltet ist, ein Anspruch des Prüflings darauf besteht, dass die Prüfungsbehörde die Prüfungsentscheidung unter Berücksichtigung substantiiert vorgebrachter Einwände des Prüflings vorgerichtlich in einem verwaltungsinternen Kontrollverfahren "überdenkt" (BVerwG v. 24.2.1993 - 6 C 35/92, BVerwGE 92, 132 = MDR 1993, 1255). Weder das BVerfG noch das BVerwG haben dagegen die Prüfungsbehörde für verpflichtet gehalten, den Prüflingen bereits vor der förmlichen Prüfungsentscheidung die Bewertungen von Prüfungsleistungen zu dem Zweck bekannt zu geben, um ihnen Gelegenheit zu geben, bereits in diesem Verfahrensstadium Einwände gegen die Bewertungen vorzubringen. Danach sieht der Senat keine Veranlassung, der Auffassung des AGH beizutreten, dass ein verwaltungsinternes Kontrollverfahren, wie es das BVerfG und das BVerwG nach Erlass des Prüfungsbescheides bei juristischen Staatsprüfungen fordern, bei der Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung bereits vor der abschließenden Entscheidung des Vorstands der Rechtsanwaltskammer durchzuführen sei.
Fundstellen
Haufe-Index 1346243 |
BB 2005, 1073 |
NJW 2005, 2082 |
BGHR 2005, 1018 |
FA 2005, 184 |
ZAP 2005, 765 |
AnwBl 2005, 499 |
Info M 2005, 274 |
NJW-Spezial 2005, 336 |
BRAK-Mitt. 2005, 123 |
KammerForum 2005, 270 |