Leitsatz (amtlich)
Hat ein Rechtsmittel zur teilweisen Aufhebung der Betreuung geführt, so ist es nicht erfolglos i. S. d. § 84 FamFG.
Normenkette
FamFG § 81 Abs. 1 S. 1, § 84
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 18.09.2017; Aktenzeichen 2 T 887/16) |
AG Montabaur (Entscheidung vom 02.11.2016; Aktenzeichen 11 A XVII 442/16) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Koblenz vom 18.9.2017 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt aufgehoben.
Die Verfahren in den beiden Rechtsmittelinstanzen sind gerichtskostenfrei. Die Staatskasse hat der Betroffenen die ihr in den Rechtsmittelinstanzen entstandenen außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten. Im Übrigen findet eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht statt.
Wert: 5.000 EUR
Gründe
Rz. 1
1. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Entscheidung des LG in der Hauptsache wendet. Dass dieses die Beschwerde hinsichtlich der Betreuerbestellung für den Aufgabenkreis Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung zurückgewiesen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden und hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand. Der Senat hat die insoweit gerügten Verfahrensmängel geprüft, die Rügen aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG i. V. m. § 564 ZPO).
Rz. 2
2. Mit Erfolg greift die Rechtsbeschwerde hingegen die vom LG getroffene Kostenentscheidung an, mit der die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich des (ersten) Rechtsbeschwerdeverfahrens der Betroffenen auferlegt worden sind.
Rz. 3
a) Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 81 Abs. 1 FamFG. Diese Vorschrift räumt dem Gericht, falls es eine Kostenentscheidung trifft, einen weiten Gestaltungsspielraum dahingehend ein, welchem Beteiligten welche Kosten des Verfahrens auferlegt werden. Sie erlaubt es auch, nur bestimmte Kosten einem der Beteiligten aufzuerlegen oder von der Erhebung der Kosten ganz oder teilweise abzusehen (§ 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Ist die Kostenentscheidung solchermaßen in das Ermessen des Tatrichters gestellt, kann die Entscheidung im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob das Gericht die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. Senatsbeschluss v. 28.9.2016 - XII ZB 251/16, FamRZ 2017, 50 Rz. 8 f. m. w. N.).
Rz. 4
b) Das ist hier jedoch der Fall.
Rz. 5
Entgegen der Annahme des LG ist § 84 FamFG nicht einschlägig. Denn die Rechtsmittel der Betroffenen haben zur Aufhebung der Betreuung für den Bereich der Vermögenssorge und des darauf bezogenen Einwilligungsvorbehalts geführt und waren daher nicht erfolglos i. S. d. § 84 FamFG (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2010, 662, 664; BeckOK/FamFG/Nickel [Stand: 1.1.2018] § 84 Rz. 3; Fröschle in Fröschle Praxiskommentar Betreuungs- und Unterbringungsverfahren § 84 FamFG Rz. 2; Horndasch/Viefhues/Götsche FamFG 3. Aufl., § 84 Rz. 14 ff.; MünchKommFamFG/Schindler 2. Aufl., § 84 Rz. 18; Prütting/Helms/Feskorn FamFG 4. Aufl., § 84 Rz. 2; Schulte-Bunert/Weinreich/Keske FamFG 5. Aufl., § 84 Rz. 1).
Rz. 6
Zudem hat das LG die Regelung des § 307 FamFG unberücksichtigt gelassen. Nach dieser kann das Gericht in Betreuungssachen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen ganz oder teilweise der Staatskasse auferlegen, wenn eine Betreuungsmaßnahme abgelehnt, als ungerechtfertigt aufgehoben, (wie hier) eingeschränkt oder das Verfahren ohne Entscheidung über eine solche Maßnahme beendet wird.
Rz. 7
Schließlich sind die vom LG zur Kostenentscheidung angestellten Erwägungen auch im Übrigen rechtlich nicht tragfähig. Die Überlegung, die Betroffene habe das Rechtsbeschwerdeverfahren "provoziert", weil sie sich beharrlich geweigert habe, Gespräche mit der Betreuungsbehörde und dem AG zu führen, geht fehl. Vielmehr hat der Senat der Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen die erste Beschwerdeentscheidung stattgegeben, weil das LG die Betroffene verfahrensordnungswidrig weder angehört noch ihr einen Verfahrenspfleger bestellt hatte (Senat, Beschl. v. 17.5.2017 - XII ZB 18/17, FamRZ 2017, 1323). Unabhängig davon kann die - häufig ohnedies von Krankheit oder Behinderung beeinflusste - Weigerung eines Betroffenen zu Gesprächen mit Behörden und Gerichten im Betreuungsverfahren schon deshalb nicht dazu führen, dem Betroffenen die Rechtsmittelkosten aufzuerlegen, weil das Gericht einem solchen Verhalten mit den in § 278 Abs. 5 bis 7 FamFG genannten Maßnahmen begegnen kann.
Rz. 8
c) Unter Verkennung der rechtlichen Vorgaben ist das LG daher zu einer nicht mehr vertretbaren Kostenentscheidung gelangt. Der Senat befindet auf der Grundlage einer eigenen Ermessensausübung abschließend über die Kosten (vgl. Keidel/Meyer-Holz FamFG 19. Aufl., § 74 Rz. 69 m. w. N.; vgl. auch Senatsbeschluss v. 1.3.2017 - XII ZB 2/16, FamRZ 2017, 816 Rz. 27), weil auch insoweit keine weiteren Feststellungen zu treffen sind.
Rz. 9
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Fundstellen
FamRZ 2018, 942 |
FuR 2018, 377 |
NJW-RR 2018, 709 |
FGPrax 2018, 173 |
BtPrax 2018, 154 |
JZ 2018, 368 |
MDR 2018, 1272 |
FamRB 2018, 8 |
NZFam 2018, 475 |