Verfahrensgang
LG Bremen (Urteil vom 07.08.2018) |
Tenor
Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Anbringung einer Verfahrensrüge gewährt.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 7. August 2018 im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Mit seiner Revision erzielt der Angeklagte den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen bleibt das Rechtsmittel aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.
Rz. 2
1. Dem Angeklagten ist antragsgemäß Wiedereinsetzung zum Anbringen seiner Verfahrensrüge zu gewähren (vgl. zu den Voraussetzungen einer solchen Ausnahme Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 44 Rn. 7a mwN). Die Verfahrensrüge bleibt aber ohne Erfolg, weil der Angeklagte damit letztlich nur eine Unrichtigkeit des Protokolls rügt und die Revision nicht auf einen Mangel des Protokolls gestützt werden kann (vgl. Schmitt, aaO, § 273 Rn. 36). Zudem ist es entgegen der Auffassung der Revision aus Rechtsgründen nicht geboten, eine schriftlich vorbereitete Einlassung des Angeklagten, die der Verteidiger verlesen und deren Richtigkeit der Angeklagte bestätigt hat, als Anlage zu Protokoll zu nehmen, denn der Angeklagte hat sich auch in diesem Fall mündlich eingelassen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2008 – 3 StR 390/08, NStZ 2009, 173).
Rz. 3
2. Die verhängte Strafe kann keinen Bestand haben.
Rz. 4
Der Senat vermag anhand der Urteilsgründe nicht zu prüfen, ob hinsichtlich der Geldstrafe aus dem „zuletzt” ergangenen Urteil des Amtsgerichts B., dessen Datum das Landgericht nicht mitgeteilt hat, die Voraussetzungen einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 StGB erfüllt sind. Dies wäre der Fall, wenn die Strafe bei Erlass des angefochtenen Urteils noch nicht bezahlt oder auf andere Weise erledigt wäre. Der Vollstreckungsstand hinsichtlich der Geldstrafe von 100 Tagessätzen wird jedoch ebenfalls nicht mitgeteilt. Insoweit lässt sich den Urteilsgründen nur entnehmen (UA S. 6), dass die Untersuchungshaft in dieser Sache in der Zeit vom 20. Februar bis zum 23. Juli 2018 „zur Vollstreckung verschiedener Ersatzfreiheitsstrafen unterbrochen worden war.” Wäre die Strafe noch nicht vollstreckt gewesen, wäre aus dieser und der vorliegend verhängten Strafe eine Gesamtstrafe zu bilden gewesen; anderenfalls käme ein „Härteausgleich” in Betracht (vgl. Fischer, StGB, 66. Aufl., § 55 Rn. 21 ff.). Der Senat kann bei dieser Sachlage angesichts der Vollstreckung verschiedener Geldstrafen im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe nicht ausschließen, dass der Angeklagte hierdurch beschwert ist. Die bislang lediglich unvollständigen zugehörigen Feststellungen sind vom Rechtsfehler nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben (vgl. § 353 Abs. 2 StPO); sie können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.
Rz. 5
3. Den Ausführungen des Landgerichts zur Gefahrenprognose im Rahmen von § 64 StGB entnimmt der Senat, dass es an einem symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Suchtmittelkonsum des Angeklagten und der Tat fehlt und deshalb die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht in Betracht kommt.
Unterschriften
Mutzbauer, König, Berger, Mosbacher, Köhler
Fundstellen
Haufe-Index 13369519 |
NStZ-RR 2021, 238 |