Normenkette
UrhG § 53 Abs. 1 aF, § 54 aF, § 54a aF
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 16. April 2020 wird gemäß § 552a Satz 1 ZPO auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Der Streitwert für die Revision wird auf 22.316,02 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
I. Die Klägerin ist ein Zusammenschluss deutscher Verwertungsgesellschaften, die urheberrechtliche Vergütungsansprüche nach § 54 UrhG in der vom 1. Januar 2008 bis zum 28. Februar 2018 geltenden Fassung (aF) für die Vervielfältigung von Audiowerken und audiovisuellen Werken geltend machen können. Die VG WORT und die VG BILD-KUNST haben ihre Vergütungsansprüche nach §§ 54 ff. UrhG wegen der Vervielfältigung von stehendem Text und Bild, also Text- und/oder Bildwerken, die nicht Bestandteil von Audiowerken oder audiovisuellen Werken sind, an die Klägerin abgetreten.
Rz. 2
Die Beklagte wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 2. September 2009 gegründet und am 12. November 2009 in das Handelsregister eingetragen. Sie vertreibt im Internet Produkte der Unterhaltungselektronik, darunter auch USB-Sticks.
Rz. 3
Die Klägerin macht gegen die Beklagte wegen des Inverkehrbringens von USB-Sticks in der Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2012 Ansprüche auf Auskunft und Zahlung der Vergütung nach §§ 54, 54a UrhG aF geltend.
Rz. 4
Die Klägerin sowie die VG WORT und die VG Bild-Kunst haben für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2011 mit dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom), mit dem Informationskreis AufnahmeMedien, dem Verband zur Rücknahme und Verwertung von Elektro- und Elektronikaltgeräten e.V. und dem Bundesverband Werbeartikel Lieferanten e.V. Gesamtverträge geschlossen, die für USB-Sticks eine Vergütung von 0,10 € (vor Abzug eines Gesamtvertragsnachlasses) zuzüglich 7% Umsatzsteuer pro Exemplar vorsehen. Die Beklagte ist keinem dieser Gesamtverträge beigetreten.
Rz. 5
Nach Auskunft der Beklagten hat sie im November/Dezember 2009 5.986 USB-Sticks importiert und im Inland in Verkehr gebracht. Hierfür hat die Klägerin am 5. Dezember 2012 einen Betrag von 0,10 € pro Exemplar, insgesamt 640,51 € (598,60 € zuzüglich Umsatzsteuer), in Rechnung gestellt. Die Beklagte hat diesen Betrag nicht bezahlt.
Rz. 6
Auf Mahnung der Klägerin hat die Beklagte für die Jahre 2010 und 2011 Teilauskünfte dahingehend erteilt, dass sie in den Monaten Januar, März, Juni, Juli, August, September, Oktober und Dezember 2010 insgesamt 129.914 USB-Sticks importiert und in Verkehr gebracht habe sowie im Januar, März, April, Mai, Juni und Juli 2011 insgesamt 25.932 Exemplare. Die Klägerin hat hierfür am 5. Dezember 2012 Beträge von 13.900,79 € und 2.774,72 €, jeweils inklusive Umsatzsteuer, in Rechnung gestellt. Die Beklagte hat eine Zahlung abgelehnt.
Rz. 7
Im Jahr 2012 hat die Klägerin wegen der Vergütungspflicht der von der Beklagten in Verkehr gebrachten USB-Sticks ein Schiedsstellenverfahren eingeleitet. Nach dem Einigungsvorschlag vom 12. Mai 2016, gegen den beide Parteien fristgerecht Widerspruch eingelegt haben, fallen für jeden im Inland in Verkehr gebrachten USB-Stick 0,10 € zuzüglich 7% Umsatzsteuer an.
Rz. 8
Das Oberlandesgericht hat die Beklagte dem Antrag der Klägerin gemäß zur Zahlung von 17.316,02 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 10. Dezember 2012 sowie zur Auskunft über die Stückzahl der im Februar, April, Mai und November 2010 sowie im Februar, August, September, Oktober, November und Dezember 2011 veräußerten oder in Verkehr gebrachten USB-Sticks sowie im Falle des Bezugs im Inland als Händler zur Benennung der Bezugsquelle verurteilt.
Rz. 9
Mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Der Senat hat die Beklagte mit Beschluss vom 4. November 2021 darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Revision der Beklagten gemäß § 552a Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
Rz. 10
II. Die zugelassene Revision der Beklagten ist durch einstimmigen Beschluss gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht mehr vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat.
Rz. 11
1. Die Revision ist zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die klärungsbedürftige Frage von grundsätzlicher Bedeutung, die sich dem Oberlandesgericht im vorliegenden Fall gestellt hat, ist durch die Rechtsprechung des Senats zwischenzeitlich geklärt.
Rz. 12
a) Das Oberlandesgericht hat die Revision zur Klärung der Frage zugelassen, ob und inwieweit gesamtvertragliche Regelungen zwischen der Klägerin und Nutzerverbänden Indizwirkung für die Angemessenheit der dort vereinbarten Vergütungssätze im Sinne des § 54a UrhG aF auch gegenüber Außenseitern entfalten.
Rz. 13
b) Die vom Oberlandesgericht als klärungsbedürftig angesehene Rechtsfrage ist durch die Rechtsprechung des Senats geklärt.
Rz. 14
Die Festsetzung einer Vergütung in einem Gesamtvertrag kann einen gewichtigen Anhaltspunkt für die Angemessenheit dieser Vergütung bieten. Dies gilt insbesondere, wenn diese Verträge zwischen den Parteien oder unter Beteiligung einer der Parteien geschlossen worden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 20. März 2013 - I ZR 84/11, GRUR 2013, 1220 Rn. 20 = WRP 2013, 1627 - Gesamtvertrag Hochschul-Intranet; Urteil vom 16. März 2017 - I ZR 36/15, GRUR 2017, 694 Rn. 58 = WRP 2017, 826 - Gesamtvertrag PCs; Urteil vom 10. September 2020 - I ZR 66/19, GRUR 2021, 604 Rn. 20 bis 22 = WRP 2021, 644 - Gesamtvertragsnachlass). Damit ist geklärt, dass die indizielle Wirkung von Gesamtverträgen auch gegenüber Vergütungsschuldnern eingreifen kann, die durch den Gesamtvertrag nicht berechtigt und verpflichtet werden (BGH, GRUR 2021, 604 Rn. 22 - Gesamtvertragsnachlass). Die Annahme der indiziellen Wirkung vereinbarter Gesamtverträge knüpft an den Umstand an, dass ein im Wege privatautonomer Verhandlungen zwischen sachkundigen Verhandlungspartnern erzieltes Vertragsergebnis ein angemessenes Abbild des den Urheberrechtsinhabern durch die in § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG aF genannten Nutzungen tatsächlich entstehenden Schadens darstellt (vgl. BGH, GRUR 2021, 604 Rn. 22 - Gesamtvertragsnachlass). Dies gilt auch mit Blick auf Vergütungsschuldner, die durch den Gesamtvertrag nicht berechtigt oder verpflichtet werden.
Rz. 15
c) Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lagen daher zwar im Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts vor, sind jedoch aufgrund der "Gesamtvertragsnachlass"-Entscheidung des Senats vom 10. September 2020 zwischenzeitlich entfallen. Dieser Fall wird vom Regelungsbereich des § 552a ZPO erfasst. Maßgeblich für die Beurteilung nach § 552a ZPO, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision vorliegen, ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2005 - I ZR 255/02, GRUR 2005, 448 [juris Rn. 7] = WRP 2005, 508 - SIM-Lock II).
Rz. 16
2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
Rz. 17
a) Soweit sich die Revision gegen den Ausspruch der Vergütungspflicht der Beklagten für die von ihr in Verkehr gebrachten USB-Sticks nach §§ 54 ff. UrhG aF dem Grunde nach sowie gegen die Verurteilung zur Auskunft wendet, ist sie unzulässig, weil das Oberlandesgericht die Revision nur beschränkt auf die Höhe des Vergütungsanspruchs zugelassen hat.
Rz. 18
Zwar enthält der Entscheidungssatz des angegriffenen Urteils keine Beschränkung der Revisionszulassung. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jedoch anerkannt, dass sich eine Eingrenzung der Zulassung der Revision auch aus den Entscheidungsgründen ergeben kann. Die bloße Angabe des Grundes für die Zulassung der Revision reicht grundsätzlich nicht, um von einer nur beschränkten Zulassung des Rechtsmittels auszugehen. Von einer beschränkten Zulassung der Revision ist aber auszugehen, wenn die Zulassung wegen einer bestimmten Rechtsfrage ausgesprochen wird, die lediglich für die Entscheidung über einen selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs erheblich sein kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 7. März 2019 - I ZR 195/17, GRUR 2019, 522 Rn. 9 = WRP 2019, 749 - SAM; Beschluss vom 25. Juni 2019 - I ZR 91/18 juris Rn. 3, jeweils mwN).
Rz. 19
Der Senat hält an seiner im Hinweisbeschluss geäußerten Auffassung, dass ein solcher Fall hier vorliegt, auch mit Blick auf die Darlegungen der Beklagten in ihrer Stellungnahme vom 19. Januar 2022 fest. Die vom Oberlandesgericht in den Entscheidungsgründen als klärungsbedürftig angesehene Frage, ob und inwieweit gesamtvertragliche Regelungen zwischen der Klägerin und Nutzerverbänden Indizwirkung für die Angemessenheit der dort vereinbarten Vergütungssätze auch gegenüber Außenseitern entfalten, betrifft allein die Höhe der im Streitfall geltend gemachten Vergütungsansprüche gemäß §§ 54 ff. UrhG aF. Damit ist über den Vergütungsanspruch dem Grunde nach und über den Auskunftsanspruch rechtskräftig entschieden, so dass die Revision ohne Erfolg geltend macht, § 54 Abs. 1 UrhG aF sei wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG unanwendbar.
Rz. 20
b) Soweit sich die Revision gegen die vom Oberlandesgericht zugesprochene Vergütungshöhe wendet, ist sie unbegründet.
Rz. 21
aa) Nach § 54a Abs. 1 Satz 1 UrhG aF ist maßgebend für die Vergütungshöhe, in welchem Maß die Geräte und Speichermedien als Typen tatsächlich für Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG aF genutzt werden. Dabei ist nach § 54a Abs. 1 Satz 2 UrhG aF zu berücksichtigen, inwieweit technische Schutzmaßnahmen nach § 95a UrhG aF auf die betreffenden Werke angewendet werden. Nach § 54a Abs. 4 UrhG aF darf die Vergütung Hersteller von Geräten und Speichermedien nicht unzumutbar beeinträchtigen; sie muss in einem wirtschaftlich angemessenen Verhältnis zum Preisniveau des Geräts oder des Speichermediums stehen.
Rz. 22
bb) Das Oberlandesgericht hat zur Bemessung der angemessenen Vergütung maßgeblich auf die von der Klägerin und der VG WORT sowie der VG BILD-KUNST mit dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom) und weiteren Nutzerverbänden abgeschlossenen Gesamtverträge über die Vergütungspflicht für USB-Sticks für die Jahre 2010 und 2011 abgestellt. Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Die Festsetzung einer Vergütung in einem Gesamtvertrag kann einen gewichtigen Anhaltspunkt für die Angemessenheit dieser Vergütung bieten. Dies gilt insbesondere, wenn diese Verträge zwischen den Parteien oder unter Beteiligung einer der Parteien geschlossen worden sind (vgl. BGH, GRUR 2013, 1220 Rn. 20 - Gesamtvertrag Hochschul-Intranet; GRUR 2017, 694 Rn. 58 - Gesamtvertrag PCs; GRUR 2021, 604 Rn. 20 bis 22 - Gesamtvertragsnachlass). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
Rz. 23
(1) Die vom Oberlandesgericht indiziell herangezogenen Gesamtverträge betreffen zeitlich und gegenständlich die auch im Streitfall betroffenen Produkte. Sie stellen daher vergleichbare Regelungen dar.
Rz. 24
(2) Das Oberlandesgericht hat eine Indizwirkung dieser Gesamtverträge mit Blick darauf zutreffend bejaht, dass sie unter Beteiligung einer der Parteien des vorliegenden Rechtsstreits - der Klägerin - abgeschlossen worden sind. Es ist - entgegen der Ansicht der Revision - unschädlich, dass die Beklagte an diesen Vertragsschlüssen nicht beteiligt ist.
Rz. 25
(3) Soweit sich die Revision gegen die Würdigung der Untersuchung von TNS-Infratest durch das Oberlandesgericht wendet, ist dies nicht entscheidungserheblich. Der vom Oberlandesgericht für angemessen erachtete Vergütungssatz beruht maßgeblich auf der Indizwirkung der vorgenannten Gesamtverträge.
Rz. 26
(4) Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass das Oberlandesgericht Vortrag der Beklagten übergangen hat, der in tatsächlicher Hinsicht der vom Oberlandesgericht angenommenen Indizwirkung entgegenstünde.
Rz. 27
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Odörfer |
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Wille |
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