Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 11.03.1991) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. März 1991 aufgehoben.
Den Beklagten wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Gründe
I.
Gegen das erstinstanzliche Schlußurteil, das sie zur Zahlung von 39.900,00 DM nebst gestaffelten Zinsen verurteilt hat, haben die Beklagten am 21. Dezember 1990 Berufung eingelegt. Am 4. Februar 1991 haben ihre Prozeßbevollmächtigten unter Vorlage der Kopie eines Antrags auf Verlängerung der Begründungsfrist vom 8. Januar 1991 angefragt, ob die Entscheidung zwischenzeitlich abgesetzt worden sei. Auf fernmündliche Mitteilung des Gerichts, daß ein Verlängerungsantrag nicht eingegangen sei, haben sie mit am 8. Februar 1991 eingegangenem Schriftsatz um Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Begründungsfrist nachgesucht und die Berufung begründet. Das Oberlandesgericht hat das Rechtsmittel unter Ablehnung der beantragten Wiedereinsetzung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten.
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1.
Das Berufungsgericht führt aus, der Vortrag der Beklagten, einer ihrer Prozeßbevollmächtigten habe einen schriftsätzlichen Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist (§ 519 Abs. 1 Satz 3 ZPO) am 9. Januar 1991 zwischen 10 und 11 Uhr in das Gerichtsfach des Oberlandesgerichts eingeworfen, sei durch die - pauschale - anwaltliche Versicherung im Schriftsatz vom 8. Februar 1991 nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Ein solcher Antrag sei nämlich tatsächlich nicht zu den Akten gelangt.
Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluß vom 2. November 1988 - IVb ZR 109/87 - FamRZ 1989, 373 f m.w.N.) besteht im allgemeinen kein Anlaß, eine durch anwaltliche Versicherung bekräftigte Darstellung kritischer zu würdigen, als dies bei eidesstattlich versicherten Angaben ohnehin erforderlich ist. Von dem als richtig versicherten Vortrag darf ausgegangen werden, solange nicht konkrete Anhaltspunkte es ausschließen, den geschilderten Sachverhalt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für zutreffend zu erachten. Als derartigen Anhaltspunkt sieht der Senat nicht schon den Umstand, an, daß die in Kopie vorgelegte Antragsschrift vom 8. Januar 1991 nicht, auch nicht nachträglich, zu den Gerichtsakten gelangt ist; es kann nicht ausgeschlossen werden, daß sie von Bediensteten des Gerichts versehentlich in andere Akten eingeordnet worden oder auf andere Weise bei Gericht verloren gegangen ist. Im Beschwerdeverfahren haben die Beklagten, was nach § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO zulässig ist, eine ausführlichere eidesstattliche Versicherung des Rechtsanwalts U. zur Glaubhaftmachung nachgereicht. Darin gibt dieser konkret an, daß er die Antragsschrift nach Wahrnehmung eines auf 9.15 Uhr anberaumten Beweisaufnahmetermins vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main in einer bestimmt bezeichneten Sache in das Gerichtsfach des Oberlandesgerichts bei der gemeinsamen Postannahmestelle der Justizbehörden Frankfurt am Main eingelegt hat. Der Senat hat keine Bedenken, diese Darstellung seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Danach ist davon auszugehen, daß der Verlängerungsantrag rechtzeitig in die Verfügungsgewalt des zuständigen Gerichts gelangt ist; daß sein Verbleib ungeklärt ist, kann den Beklagten nicht zum Nachteil gereichen.
2.
Als die beantragte Wiedereinsetzung hinderndes Verschulden der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten an der Fristversäumnis (§§ 85 Abs. 2, 233 ZPO) sieht das Berufungsgericht an, daß sie nicht vor Fristablauf nach den Gründen geforscht hätten, nachdem eine Mitteilung über die Verlängerung der Frist ausgeblieben sei. Indessen besteht nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine derartige Erkundigungspflicht nicht, wenn der Rechtsanwalt die Bewilligung eines erstmals gestellten und ausreichend begründeten Verlängerungsgesuchs mit großer Wahrscheinlichkeit erwarten durfte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Februar 1983 - VIII ZB 1/83 - NJW 1983, 1741 und vom 12. März 1986 - VIII ZB 6/86 - VersR 1986, 787; s.a. BVerfG NJW 1989, 1147). Vorliegend handelte es sich um die erstmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist; nach dem Inhalt der vorgelegten Kopie des Antrags war er nach üblicher Praxis ausreichend durch den Hinweis auf Arbeitsüberlastung und Urlaub begründet worden (vgl. dazu Senatsbeschluß vom 5. Juli 1989 - IVb ZB 53/89 - BGHR ZPO § 233 Fristverlängerung 3 = FamRZ 1990, 36). Es kann daher dahinstehen, ob der im Beschwerdeverfahren neu vorgetragene Sachverhalt, die Angestellte B. habe am 17. Januar 1991 auf Anweisung von Rechtsanwalt U. bei der Geschäftsstelle des Berufungsgerichts wegen der Fristverlängerung fernmündlich nachgefragt und eine beruhigende Auskunft erhalten, berücksichtigt werden kann (vgl. dazu etwa Senatsbeschluß vom 25. März 1987 - IVb ZB 39/87 - BGHR ZPO § 234 Abs. 1 Begründung 1). Rechtsanwalt U. handelte auch dann nicht pflichtwidrig, wenn er besondere Erkundigungen unterlassen hat. Sicherlich war auffällig, daß der am 9. Januar, also einige Zeit vor Ablauf der Frist am 21. Januar 1991, eingereichte Antrag ohne Reaktion blieb. Wie die Antrage vom 4. Februar 1991 zeigt, hat Rechtsanwalt U. aber offenbar mit einer Verzögerung bei der Absetzung und Hinausgabe des Bescheids gerechnet.
3.
Nach allem kann der angefochtene Beschluß keinen Bestand haben. Unter dessen Aufhebung ist den Beklagten die beantragte Wiedereinsetzung zu gewähren.
Fundstellen
Haufe-Index 3018892 |
NJW 1991, 2080 |
NJW 1991, 2080-2081 (Volltext mit red. LS) |