Verfahrensgang
LG Gießen (Beschluss vom 08.04.2013; Aktenzeichen 7 T 96/13) |
AG Büdingen (Beschluss vom 20.02.2013; Aktenzeichen 31 XVII 56/12) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des LG Gießen vom 8.4.2013 aufgehoben.
Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des AG Büdingen vom 20.2.2013 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
Beschwerdewert: 1.386 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Das AG bestellte am 28.6.2011 den Beteiligten als Betreuer für den Betroffenen mit dem Aufgabenkreis der Wahrnehmung seiner Rechte in einem Zivilrechtsstreit einschließlich etwaiger Folge- und Rechtsmittelverfahren längstens bis zum 27.6.2013. Der Rechtsstreit wurde durch einen am 20.7.2011 geschlossenen Vergleich beendet. Am 21.11.2011 zeigte der Betreuer dem AG an, dass das Verfahren abgeschlossen und der Vergleich erfüllt sei. Zugleich regte er die Aufhebung seiner Betreuung an, da seine Aufgabe erledigt sei. Erst mit Beschluss vom 31.1.2013 hob das AG die Betreuung auf.
Rz. 2
Für die Zeit vom 2.4. bis 1.10.2012 hat der Betreuer die Festsetzung seiner vom Betroffenen zu erstattenden pauschalen Betreuervergütung gem. §§ 4, 5 VBVG beantragt. Das AG hat die Vergütung des Betreuers antragsgemäß festgesetzt. Auf die Beschwerde des Betroffenen hat das LG den Beschluss aufgehoben und den Antrag auf Betreuervergütung für den beantragten Zeitraum zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Betreuers.
II.
Rz. 3
Die Rechtsbeschwerde ist begründet; sie führt zur Wiederherstellung der Entscheidung des AG.
Rz. 4
1. Das LG hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Im maßgeblichen Antragszeitraum vom 2.4.2012 bis 1.10.2012 habe der Betreuer keinerlei Betreuungstätigkeit geleistet. Sein Aufgabenkreis habe die Wahrnehmung der Rechte des Betroffenen in einem bestimmten Rechtsstreit umfasst, welcher durch Abschluss eines Vergleichs am 20.7.2011 beendet worden sei. Danach habe der Betreuer keine Mühewaltung mehr entfaltet und dies sei ihm auch nicht mehr möglich gewesen. Im Unterschied zu einer fehlerhaften oder einer zu lange aufrechterhaltenen Bestellung, bei der der Betreuer weiterhin tätig werde, sei hier schon die Möglichkeit einer weiteren Tätigkeit des Betreuers ausgeschlossen gewesen.
Rz. 5
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 6
Der Beteiligte zu 1) hat als Berufsbetreuer des Betroffenen für die Wahrnehmung von dessen Rechten in einem Zivilrechtsstreit bis zur Aufhebung der Betreuung durch den Beschluss des AG vom 31.1.2013 einen Anspruch auf pauschale Vergütung nach §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB i.V.m. §§ 1 Abs. 2, 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 VBVG. Der Anspruch ist somit für den geltend gemachten Zeitraum vom 2.4. bis 1.10.2012 begründet.
Rz. 7
a) Wie der Senat bereits entschieden hat, steht dem Betreuer für die Dauer der Betreuung gem. §§ 1 Abs. 2, 4, 5 VBVG i.V.m. § 1908i BGB ein Vergütungsanspruch in dem pauschal festgelegten Umfang zu, ohne dass der Rechtspfleger zu überprüfen hat, ob und in welchem Umfang der Betreuer tätig geworden ist und ob die Aufhebung der Betreuung früher hätte erfolgen müssen (BGH v. 11.4.2012 - XII ZB 459/10, FamRZ 2012, 1051 Rz. 22).
Rz. 8
Mit der Einführung der Pauschalierung der Betreuervergütung durch das Zweite Betreuungsrechtsänderungsgesetz, deren Ziel es ist, Betreuer und Rechtspfleger von den zeitaufwendigen Abrechnungen zu entlasten, ist ein vom tatsächlichen Aufwand im konkreten Fall unabhängiges Vergütungssystem geschaffen worden. Die in § 5 VBVG anhand einer Mischkalkulation zwischen aufwendigen und weniger aufwendigen Fällen festgelegten Stundenansätze stehen von Beginn des Betreuungsverfahrens an fest (BT-Drucks. 15/2494, 33). Die Ausübung einer konkreten Betreuungstätigkeit wird bei der pauschalen Vergütung typisierend unterstellt; nicht erforderlich ist, dass der Betreuer in dem zu vergütenden Zeitraum auch tatsächlich für den Betreuten in dem vom Gesetz pauschalierend unterstellten Umfang tätig geworden ist (BGH v. 11.4.2012 - XII ZB 459/10, FamRZ 2012, 1051 Rz. 23; v. 28.5.2008 - XII ZB 53/08, FamRZ 2008, 1611 Rz. 30).
Rz. 9
Der Vergütungsanspruch besteht in dem durch § 5 VBVG pauschal festgelegten Umfang für den gesamten Zeitraum der Betreuung. Diese endet gem. § 1908d BGB erst durch ausdrückliche gerichtliche Entscheidung. Die Regelung dient der Klarheit der Rechtsverhältnisse. Denn es ist vielfach zweifelhaft und erst durch gerichtliche Ermittlungen zu klären, ob die Voraussetzungen für eine Betreuung nicht mehr vorliegen (BT-Drucks. 11/4528, 155). Deshalb ist es hinzunehmen, dass zwischen dem Ende der Notwendigkeit der Betreuung und der Aufhebung der Betreuung eine gewisse noch mit dem pauschalen Stundenansatz nach § 5 VBVG zu vergütende Zeitspanne liegt, die auf gerichts- oder behördeninterne Abläufe und auf die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Aufhebung der Betreuung tatsächlich vorliegen, zurückzuführen ist (BGH v. 11.4.2012 - XII ZB 459/10, FamRZ 2012, 1051 Rz. 24; v. 14.12.2011 - XII ZB 489/10, FamRZ 2012, 295 Rz. 11 ff.).
Rz. 10
Dem Rechtspfleger ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren lediglich die Prüfung übertragen, ob und wann die gem. § 1908d Abs. 1 BGB i.V.m. § 23c Abs. 2 GVG, § 19 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 RPflG dem Richter vorbehaltene Aufhebung der Betreuung erfolgt ist, nicht aber, ob die Aufhebung früher hätte erfolgen können.
Rz. 11
b) Auch eine analoge Anwendung des § 6 VBVG, der für die dort genannten Sonderfälle eine Berechnung der Vergütung nach tatsächlich aufgewandtem und erforderlichem Zeitaufwand zulässt, kommt nicht zur Anwendung. Denn § 6 VBVG ist als eng begrenzte Ausnahmevorschrift einer analogen Anwendung nicht zugänglich (vgl. BGH v. 11.4.2012 - XII ZB 459/10, FamRZ 2012, 1051 Rz. 14).
Rz. 12
c) Ebenso musste der Rechtspfleger im Vergütungsfestsetzungsverfahren auch keine Ermittlungen zur Feststellung eines etwaigen treuwidrigen Verhaltens des Beteiligten zu 1) durchführen (BGH v. 11.4.2012 - XII ZB 459/10, FamRZ 2012, 1051 Rz. 26).
Fundstellen
Haufe-Index 5309175 |
FamRZ 2013, 1883 |
NJW-RR 2014, 258 |
BtPrax 2013, 252 |