Leitsatz (amtlich)
Bei der Bemessung der Beschwer einer Treuhandkommanditistin einer Publikums-Kommanditgesellschaft durch die Verurteilung zur Auskunftserteilung über Namen, Anschrift und Beteiligungshöhe sämtlicher Treugeber an einen Treugeberkommanditisten sind die durch eine Pflicht zur Benachrichtigung der betroffenen Treugeber verursachten Kosten nicht zu berücksichtigen.
Normenkette
ZPO § 3; BDSG § 4 Abs. 3 S. 1, § 33
Verfahrensgang
OLG München (Beschluss vom 17.01.2017; Aktenzeichen 18 U 389/16) |
LG München I (Entscheidung vom 11.12.2015; Aktenzeichen 29 O 9349/14) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 18. Zivilsenats des OLG München vom 17.1.2017 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Streitwert: 400 EUR
Gründe
Rz. 1
I.
Die Beklagte ist Treuhandkommanditistin der B. GmbH & Co. KG, einer Publikums-Kommanditgesellschaft, an der sich der Kläger im September 2009 als Treugeberkommanditist über die Beklagte mit einer Einlage von 50.000 EUR beteiligte. Sie ist durch Urteil des LG verurteilt worden, dem Kläger eine Auflistung der vollständigen Treugeber an dem Fonds mit Namen, Vornamen, Wohnadresse und Beteiligungshöhe herauszugeben und ihn von seinem außergerichtlichen Gebührenschaden i.H.v. 1.317,57 EUR freizustellen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht nach vorherigem Hinweis den Streitwert für das Berufungsverfahren mit Beschluss vom 17.1.2017 auf 400 EUR festgesetzt und die Berufung wegen Nichterreichens der Berufungssumme nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.
II.
Rz. 2
Die Rechtsbeschwerde ist gem. §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft, aber nicht zulässig. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 ZPO). Die Festsetzung der Beschwer der Beklagten ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Rz. 3
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich der nach freiem Ermessen festzusetzende Beschwerdewert für das Rechtsmittel der zur Auskunftserteilung verurteilten Partei nach ständiger Rechtsprechung des BGH gem. § 3 ZPO nach ihrem Interesse bemisst, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei ist im Wesentlichen darauf abzustellen, welchen Aufwand an Zeit und Kosten die Erteilung der Auskunft erfordert und ob die verurteilte Partei ein schützenswertes Interesse daran hat, bestimmte Tatsachen vor dem Gegner geheim zu halten (vgl. BGH, Beschl. v. 24.11.1994 - GSZ 1/94, BGHZ 128, 85, 87; Beschl. v. 10.8.2005 - XII ZB 63/05, BGHZ 164, 63, 66; Beschl. v. 22.3.2010 - II ZR 75/09, WM 2010, 988 Rz. 2; Urt. v. 10.2.2011 - III ZR 338/09, NJW 2011, 926 Rz. 9; Beschl. v. 15.6.2011 - II ZB 20/10, WM 2011, 1335 Rz. 3). Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Bemessung der Beschwer nur darauf überprüfen, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen Grenzen des ihm gem. § 3 ZPO eingeräumten Ermessens überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 28.10.2010 - III ZB 28/10, juris Rz. 5; Beschl. v. 15.6.2011 - II ZB 20/11, WM 2011, 1335 Rz. 4; Beschl. v. 12.4.2016 - VI ZB 48/14, ZIP 2016, 1605 Rz. 5 m.w.N.).
Rz. 4
2. Danach ist die Bemessung der Beschwer durch das Berufungsgericht im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Rz. 5
a) Dass das Berufungsgericht von einem Zeitaufwand der Beklagten von nur wenigen Stunden für die Erstellung der Auflistung ausgegangen ist, weil die Beklagte auf das von ihr nach § 9 Nr. 1 des Treuhand- und Verwaltungsvertrags zu führende Treugeberregister zurückgreifen könne, die von der Beklagten behauptete Notwendigkeit einer zeitaufwendigen "händischen" Zusammenstellung der Datensätze weder konkret dargelegt noch glaubhaft gemacht und angesichts der Möglichkeit elektronischer Datenverarbeitung lebensfremd sei, lässt keinen Ermessensfehler erkennen und wird von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen. Gleiches gilt für die Bemessung dieses Aufwands durch das Berufungsgericht mit 400 EUR.
Rz. 6
b) Im Ergebnis ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde dagegen, dass das Berufungsgericht bei der Bemessung der Beschwer den von der Beklagten geltend gemachten Aufwand für eine Benachrichtigung der von der Auskunftserteilung betroffenen 1.619 Gesellschafter bzw. Treugeber (Kosten für die Bearbeitung sowie Portkosten von 1.333,30 EUR) nach §§ 4 Abs. 3, 33 BDSG nicht berücksichtigt hat.
Rz. 7
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist das Bundesdatenschutzgesetz zwar auch auf den vom Kläger geltend gemachten gesellschaftsrechtlichen Auskunftsanspruch anwendbar (vgl. BGH, Urt. v. 11.1.2011 - II ZR 187/09, ZIP 2011, 322 Rz. 17; Urt. v. 5.2.2013 - II ZR 134/11, ZIP 2013, 570 Rz. 41 und II ZR 136/11, ZIP 2013, 619 Rz. 37; Beschl. v. 22.2.2016 - II ZR 48/15, juris Rz. 11; Beschl. v. 18.4.2016 - II ZR 48/15, juris Rz. 2 f.). Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten geltend gemachten Benachrichtigungskosten aber im Ergebnis zu Recht nicht berücksichtigt, weil die Beklagte hier keiner Benachrichtigungspflicht gem. §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 33 BDSG unterliegt (aa) und die dadurch verursachten Kosten zudem keine unmittelbare Beschwer der Beklagten durch ihre Verurteilung zur Auskunftserteilung darstellen würden (bb).
Rz. 8
aa) Die Beklagte unterliegt bei Erteilung der Auskunft an den Kläger keiner Benachrichtigungspflicht gem. §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 33 BDSG.
Rz. 9
Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BDSG besteht eine Pflicht zur Unterrichtung des Betroffenen über die Identität der verantwortlichen Stelle, die Zweckbestimmung der Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung und die Kategorien von Empfängern nur dann, wenn er nicht bereits auf andere Weise Kenntnis davon erlangt hat. Die Information über die Kategorien von Empfängern ist zudem nur dann erforderlich, soweit der Betroffene nach den Umständen des Einzelfalles nicht mit der Übermittlung an diese rechnen muss (§ 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BDSG).
Rz. 10
Hier wussten die Treugeber bei der Bekanntgabe ihrer Daten gegenüber der Fondsgesellschaft bzw. der Beklagten, dass diese zum Zwecke der Durchführung des Gesellschaftsvertrags erhoben und verwendet wurden (konkludente Zweckbestimmung; vgl. BGH, Beschl. v. 22.6.2016 - II ZR 48/15, juris Rz. 11 f.). Nach dem objektiven Empfängerhorizont mussten sie daher auch mit einer Übermittlung ihrer Daten an ihre Mitgesellschafter rechnen, da ansonsten die Durchführung des Gesellschaftsvertrags nicht möglich war (vgl. BGH, Beschl. v. 22.6.2016 - II ZR 48/15, juris Rz. 11 f.).
Rz. 11
Eine über diese Zweckbestimmung der Datenverwendung (Durchführung des Gesellschaftsverhältnisses) hinausgehende Unterrichtungspflicht darüber, dass die Daten im Rahmen der Durchführung des Gesellschaftsvertrags an die Mitgesellschafter weitergegeben würden, hätte angesichts dessen nur bestanden, wenn die Treugeber nach dem Gesellschaftsvertrag mit einer derartigen Weitergabe ihrer Daten nicht hätten rechnen müssen (vgl. BGH, Beschl. v. 18.4.2016 - II ZR 48/15, juris Rz. 2). Das ist hier nicht der Fall. Insoweit verweist die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg auf § 17 Nr. 2 des Treuhand- und Verwaltungsvertrags. Danach ist die Weitergabe der Anschrift und anderer Daten eines Gesellschafters oder Treugebers an Dritte, insb. auch an andere Gesellschafter oder Treugeber ohne Zustimmung des Betroffenen vielmehr ausnahmsweise u.a. dann erlaubt, wenn dies zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten erfolgt. Ein solcher Ausnahmefall der gesetzlichen Verpflichtung liegt bei der Auskunftserteilung an den Kläger nach der Entscheidung des LG gerade vor.
Rz. 12
bb) Selbst wenn man von einer Benachrichtigungspflicht der Beklagten gem. §§ 4 Abs. 3, 33 BDSG ausgehen wollte, würden die dadurch verursachten Kosten ihre Beschwer nicht erhöhen, weil es sich um keinen unmittelbar erforderlichen Aufwand für die Auskunftserteilung an den Kläger, sondern nur um eine damit zusammenhängende Kostenfolge aufgrund der Drittbeziehung der Beklagten zu den übrigen Treugebern handeln würde.
Rz. 13
(1) Nach der Rechtsprechung des BGH bemisst sich die Beschwer des Rechtsmittelklägers danach, inwieweit die ergangene Entscheidung selbst ihm einen rechtlichen Nachteil bringt, dessen Beseitigung er mit dem Rechtsmittel erstrebt. Drittbeziehungen stellen einen solchen unmittelbar aus dem Urteil fließenden rechtlichen Nachteil nicht dar und haben deshalb als reine Fernwirkung nicht nur für den Streitgegenstand und die daran zu orientierende Bemessung des Streitwerts, sondern gleichermaßen für die Beschwer außer Betracht zu bleiben. Dies kann für die Bemessung der Beschwer bei der Verurteilung zur Auskunftserteilung nicht anders sein (vgl. BGH, Urt. v. 4.7.1997 - V ZR 208/96, NJW 1997, 3246; Beschl. v. 10.8.2005 - XII ZB 63/05, BGHZ 164, 63, 67; Beschl. v. 25.1.2006 - VIII ZB 33/05, juris Rz. 5; Beschl. v. 16.6.2008 - VIII ZB 87/06, WuM 2008, 615, 616; Beschl. v. 30.9.2008 - VIII ZR 248/06, WuM 2008, 681; Beschl. v. 28.9.2010 - VI ZB 85/08, VersR 2011, 236 Rz. 7).
Rz. 14
(2) Die unmittelbare Beschwer der Beklagten durch die Verurteilung zur Auskunftserteilung besteht hier allein in dem Aufwand an Zeit und Kosten für die Erstellung der Auflistung der übrigen Treugeber und ihrer Beteiligungen. Die Benachrichtigung der betroffenen Treugeber ist für die Erteilung der Auskunft an den Kläger hingegen nicht erforderlich (vgl. BGH, Beschl. v. 12.4.2016 - II ZR 224/15, juris Rz. 2), sondern stellt eine damit zusammenhängende Folge aus der Drittbeziehung der Beklagten zu den übrigen Treugebern dar. Wenn sich diese Folge im Fall einer datenschutzrechtlichen Benachrichtigungspflicht aus dem Gesetz ergeben sollte und nicht - wie etwa Schadensersatzansprüche eines Dritten wegen Verletzung von Geheimhaltungspflichten - noch von der Geltendmachung durch den Betroffenen abhängig ist, ändert dies nichts daran, dass sie nicht schon für die Erteilung der Auskunft als solche notwendig ist.
Rz. 15
c) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch das Interesse der Beklagten an der Vermeidung des Kostenerstattungsanspruchs nicht ausnahmsweise als untere Wertgrenze des Beschwerdegegenstands angesehen.
Rz. 16
aa) Das Interesse des Beklagten an der Vermeidung einer für ihn nachteiligen Kostenentscheidung bleibt nach dem Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen vom 24.11.1994 (GZS 1/94, BGHZ 128, 85, 91 f.) bei der Bemessung des Beschwerdewerts in Verfahren zur Erteilung einer Auskunft grundsätzlich außer Betracht. Die von der Rechtsbeschwerde dagegen angeführten früheren Entscheidungen des BGH (BGH, Beschl. v. 15.1.1992 - XII ZB 135/91, NJW 1992, 1513 f.; Beschl. v. 10.3.1994 - IX ZB 20/94, NJW 1994, 1740 f.) sind - wie das Berufungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat - durch den Beschluss des Großen Senats überholt.
Rz. 17
bb) Dagegen macht die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg geltend, die Entscheidung des Großen Senats sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil die dortige Auskunftsklage lediglich der Vorbereitung und Durchsetzung eines Hauptanspruchs gedient habe, während hier die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs selbst die Hauptsache sei.
Rz. 18
Zutreffend ist, dass die unterschiedlichen Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Rechtsmittel eines Auskunftsklägers und eines Auskunftsbeklagten nach der Begründung des Großen Zivilsenats dadurch zu rechtfertigen sind, dass der Auskunftskläger auf den Auskunftsanspruch zur Durchsetzung seines Hauptanspruchs angewiesen ist, während der Auskunftsbeklagte sich weiterhin gegen den Hauptanspruch wehren kann, weil insb. durch die Auskunft der Grund des Anspruchs nicht in Rechtskraft erwächst.
Rz. 19
Daraus folgt entgegen der Rechtsbeschwerde aber nicht, dass ein anderer Beurteilungsmaßstab gelten muss, wenn der Auskunftsanspruch selbst die Hauptsache darstellt, weil der Auskunftsbeklagte andernfalls keine Möglichkeit hätte, sich gegen eine fehlerhafte Verurteilung zur Auskunftserteilung - als Hauptanspruch - mittels eines Rechtsmittels zur Wehr zu setzen. Hierzu hat bereits das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass auch isoliert erhobene Auskunftsklagen in der Regel kein Selbstzweck sind, sondern der Vorbereitung weiterer rechtlicher oder wirtschaftlicher Maßnahmen dienen sollen. Gegen etwaige (Haupt-)Ansprüche, die anschließend in Verwendung der aus der Auskunft gewonnenen Informationen geltend gemacht werden, kann die Beklagte sich aber weiterhin fraglos zur Wehr setzen. Aus der Entscheidung des Großen Senats ergibt sich auch nicht, dass sich dieses Hauptsacheverfahren notwendigerweise (unmittelbar) an das Auskunftsverfahren anschließen muss. Die Möglichkeit, sich gegen den Hauptanspruch zu wehren, besteht für den zur Auskunft Verurteilten gleichermaßen, wenn der Anspruch erst in einem späteren, eigenständigen Verfahren geltend gemacht wird.
Rz. 20
cc) Auch der Einwand der Rechtsbeschwerde, die Auffassung des Berufungsgerichts sei mit dem Gebot der Rechtsanwendungsgleichheit sowie der prozessualen Waffengleichheit bei einer reinen Auskunftsklage nicht zu vereinbaren, greift nicht. Die Interessen der Parteien an dem Auskunftsverfahren sind nicht gleich, sondern verschieden hoch zu bewerten, weil sich das Ergebnis dieses Verfahrens für sie in Bezug auf den hinter der Auskunft stehenden Hauptanspruch - mag er in demselben oder aber in einem eigenen Verfahren geltend gemacht werden - unterschiedlich auswirkt (vgl. BGH, Beschl. v. 24.11.1994 - GSZ 1/94, BGHZ 128, 85, 90).
dd) Die Verurteilung der Beklagten zur Freistellung des Klägers von seinem außergerichtlichen Gebührenschaden ist als Nebenforderung zum Auskunftsanspruch des Klägers gem. § 4 Abs. 1 ZPO bei der Wertbemessung nicht zu berücksichtigen.
Fundstellen
NJW 2018, 8 |
NZG 2018, 110 |
WM 2018, 22 |
ZIP 2018, 70 |
JZ 2018, 212 |
MDR 2018, 286 |