Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Bedürftigkeit. Kreditaufnahme

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Beurteilung der Bedürftigkeit der Partei hinsichtlich einer ihren Gewerbebetrieb betreffenden Rechtsverfolgung ist anhand der jeweiligen konkreten wirtschaftlichen Verhältnisse zu prüfen, ob die Prozesskosten entweder unmittelbar aus dem Unternehmensvermögen oder durch Kreditaufnahme aufgebracht werden können. Auf eine Kreditaufnahme kann die Partei verwiesen werden, wenn diese im Rahmen eines ordnungsgemäßen kaufmännischen Geschäftsbetriebs erfolgen kann.

 

Normenkette

ZPO §§ 114-115

 

Verfahrensgang

Thüringer OLG (Beschluss vom 24.03.2006; Aktenzeichen 7 W 58/06)

LG Gera (Entscheidung vom 25.01.2006; Aktenzeichen 3 O 1976/04)

 

Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 7. Zivilsenats des OLG Jena vom 24.3.2006 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsbeschwerde zu tragen.

 

Gründe

I.

[1] Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage auf rückständigen Werklohn in Höhe 6.293,23 EUR für das Ausheben einer Baugrube. Das LG Gera hat den Prozesskostenhilfeantrag mangels Bedürftigkeit der Klägerin gem. § 114 ZPO zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin hatte keinen Erfolg.

[2] Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihren Prozesskostenhilfeantrag weiter.

II.

[3] Die gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

[4] 1. Das Beschwerdegericht führt aus, Kosten für die Rechtsverfolgung von den Gewerbebetrieb betreffenden Ansprüchen seien Betriebsausgaben, die aus dem Unternehmen aufzubringen seien. Falls die Einnahmen hierzu nicht ausreichten, seien andere unternehmerische Entscheidungen erforderlich, beispielsweise die Aufnahme eines Kredits. Die Prozesskostenhilfe sei eine staatliche Fürsorgeleistung, die nicht dazu diene, auf Kosten der Allgemeinheit die erfolglose wirtschaftliche Betätigung Einzelner zu subventionieren. Aus der von der Klägerin vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnung für das Geschäftsjahr 2004 ergebe sich, dass die Klägerin über ausreichende wirtschaftliche Bewegungsfreiheit verfüge, um die Prozesskosten aus einer erweiterten Kreditaufnahme zu bestreiten. Bei einer am Wirtschaftsleben teilnehmenden Person, die auch bei ordnungsgemäßem und erfolgreichem Geschäftsgang Verbindlichkeiten eingehe, die die zu tragenden Prozesskosten um ein Vielfaches überstiegen, bestünden regelmäßig keine Bedenken gegen die Zumutbarkeit einer Kreditaufnahme.

[5] 2. Dies hält der rechtlichen Überprüfung stand.

[6] a) In Rechtsprechung und Literatur wird die Auffassung vertreten, ein Gewerbetreibender könne für einen zu seiner Unternehmenssphäre gehörenden Prozess regelmäßig keine Prozesskostenhilfe beanspruchen, weil es um Betriebsausgaben gehe, die grundsätzlich aus dem Unternehmen aufzubringen seien, ggf. auch durch Kreditaufnahme (vgl. OLG Frankfurt v. 7.11.1986 - 2 WF 235/86, NJW-RR 1987, 320; OLG Nürnberg v. 4.12.2002 - 6 W 3409/02, OLGReport Nürnberg 2003, 189 = MDR 2003, 593, 594; OLG Schleswig v. 24.1.2002 - 16 W 305/01, OLGReport Schleswig 2002, 450; OLG Brandenburg v. 18.6.1996 - 10 WF 121/95, OLGReport Brandenburg 1997, 43 = FamRZ 1997, 681; MünchKomm/ZPO/Wax, 2. Aufl., § 115 Rz. 92; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 115 Rz. 64; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Aufl., Rz. 351; teilweise einschränkend OLG Jena, OLG-NL 2005, 186 und OLG Jena v. 2.1.2006 - 5 W 642/05, OLGReport Jena 2006, 198).

[7] b) Der Senat hält diese Auffassung für zutreffend.

[8] Der Gewerbetreibende darf bei der Prüfung der Frage, ob er in der Lage ist, die Prozesskosten zu bestreiten, nicht deswegen strengeren Anforderungen unterworfen werden, weil die Kosten des Rechtsstreits Betriebskosten seines Unternehmens sind. Grundsätzlich muss auch dem gewerblich Tätigen in gleicher Weise wie dem Privatmann ermöglicht werden, seine Rechte gerichtlich zu verfolgen, wenn die Situation des Unternehmens die Finanzierung des Prozesses nicht zulässt, soweit § 116 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht eingreift.

[9] Bei der Beurteilung der Bedürftigkeit der Partei hinsichtlich einer ihren Gewerbebetrieb betreffenden Rechtsverfolgung ist anhand der jeweiligen konkreten wirtschaftlichen Verhältnisse zu prüfen, ob die Prozesskosten entweder unmittelbar aus dem Unternehmensvermögen oder durch Kreditaufnahme aufgebracht werden können. Auf eine Kreditaufnahme kann die Partei verwiesen werden, wenn diese im Rahmen eines ordnungsgemäßen kaufmännischen Geschäftsbetriebs erfolgen kann.

[10] Da ein Unternehmer regelmäßig sowohl im Rahmen des laufenden Geschäftsgangs als auch zur Finanzierung von Investitionsentscheidungen auf Kreditmittel zurückgreift, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ihm dies auch zur Finanzierung eines Rechtsstreits über betriebliche Forderungen möglich und zumutbar ist. Dies kann allerdings im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage des Gewerbebetriebs auch anders zu beurteilen sein. Es ist daher Sache der um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Partei darzulegen und glaubhaft zu machen, dass sie nicht über hinreichende Möglichkeiten verfügt, zur Finanzierung der anfallenden Prozesskosten im Rahmen einer ordnungsgemäßen kaufmännischen Geschäftsführung einen Kredit aufzunehmen und ihn zu bedienen.

[11] c) Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass ihr eine Kreditaufnahme im Rahmen eines ordnungsgemäßen kaufmännischen Geschäftsbetriebs nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Dazu hätte jedenfalls im Beschwerdeverfahren Anlass bestanden, da die Klägerin selbst davon ausging, dass ihr vom LG im Hinblick auf die Möglichkeit einer Kreditaufnahme die Prozesskostenhilfe versagt worden ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1685474

BGHR 2007, 360

BauR 2007, 578

EBE/BGH 2007, 4

FamRZ 2007, 460

NJW-RR 2007, 379

MDR 2007, 673

GuT 2007, 32

NZBau 2007, 173

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