Leitsatz (amtlich)

›a) Auch wenn die Parteien im Rahmen einer Räumungsklage darüber streiten, ob der Beklagte oder ein Dritter Partei des Mietvertrages war, bemessen sich der Zuständigkeitsstreitwert und die Beschwer nur dann nach § 8 ZPO, wenn nach dem Klagevorbringen Streit darüber besteht, ob das Mietverhältnis über den Zeitpunkt der verlangten Räumung hinaus bestanden hat oder noch besteht; andernfalls fehlt es an dem Erfordernis der "streitigen Zeit".

Demgegenüber setzt die für den Gebührenstreitwert allein maßgebliche Regelung des § 16 Abs. 2 GKG lediglich ein auf Räumung gerichtetes Klagebegehren voraus, nicht aber einen Streit über den (Fort-)Bestand des Mietverhältnisses.

b) Das Verlangen, vom Mieter zurückgelassene Einrichtungen zu entfernen, ist Teil des mit der Räumungsklage geltend gemachten Rückgabeanspruchs aus § 556 BGB; der für die Beseitigung erforderliche Kostenaufwand ist nach § 16 Abs. 2 GKG für den Gebührenstreitwert ohne Belang.

Werden im Rechtsmittelverfahren nur noch einzelne Beseitigungsansprüche weiterverfolgt, die zuvor Gegenstand eines umfassenden Räumungsbegehrens waren, kann dies den bisherigen Gebührenstreitwert nicht erhöhen.‹

 

Verfahrensgang

LG Duisburg

OLG Düsseldorf

 

Gründe

I. Das früher unter dem Namen "Deutsche Bundesbahn" und nunmehr unter dem Namen "Bundeseisenbahnvermögen" verwaltete Sondervermögen des Bundes (vgl. Art. 1 § 2 des Eisenbahnneuordnungsgesetzes - ENeuOG - vom 27. Dezember 1993 - BGBl. 1993 I 2378 -) - im folgenden Kläger - war Vermieter eines Lagerplatzes, der zum Betrieb einer Autoverwertung genutzt wurde. Der Mietzins betrug zuletzt 13.328,88 DM jährlich. Das auf unbestimmte Zeit eingegangene Mietverhältnis konnte nach § 13 Abs. 1 des Vertrages spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Schluß dieses Vierteljahres gekündigt werden. Nach § 14 des Vertrages hatte der Mieter die Mietsache mit Ablauf der Mietzeit in den ursprünglichen Zustand zu versetzen und die von ihm oder seinen Rechtsvorgängern errichteten Bauten und anderen Anlagen ohne Entschädigung auf seine Kosten zu entfernen.

Das Mietverhältnis endete durch Kündigung zum 30. September 1990; dies steht zwischen den Parteien außer Streit.

Auf die am 1. Februar 1993 eingereichte Klage verurteilte das Landgericht die Beklagte antragsgemäß, das Mietgrundstück unter Beseitigung (1) der Platzbefestigung aus Beton, (2) der sie umgebenden Aufkantung aus Beton, (3) der Betonwände am unteren Teil der Unterführungsverkleidung, (4) der aus Eisen- und Blechteilen bestehenden Verkleidung an der Unterführung, (5) der Böschungsbefestigung aus alten LKW-Teilen, (6) der Rampenauffahrt aus bituminöser Befestigung und (7) der Arbeitsgrube aus Beton zu räumen und an den Kläger herauszugeben.

Nachdem die Parteien im ersten Rechtszug nur über den Umfang der Räumungspflicht gestritten hatten, machte die Beklagte im Berufungsrechtszug außerdem geltend, nicht sie, sondern die Einzelfirma ihrer Schwiegermutter sei Partei des Mietvertrages gewesen.

Das Oberlandesgericht gelangte nach Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, die Beklagte sei Mieterin gewesen, habe ihre Verpflichtung zur Räumung und Herausgabe aber bereits Ende 1990 erfüllt, als ihr Untermieter das frei zugängliche Gelände verlassen habe. Die von ihr zu entfernenden Anlagen zu 2 bis 5 (Betonaufkantung, Unterführungsverkleidung einschließlich der Betonwände und Böschungsverkleidung) seien im Verhältnis zu dem mit der Klage insgesamt verfolgten Beseitigungsanspruch von nur relativ unwesentlicher Bedeutung und hätten den Kläger nicht gehindert, das Gelände wieder in Besitz zu nehmen. Zur Beseitigung der Anlagen zu 6 und 7 (Rampenauffahrt und Arbeitsgrube) sei die Beklagte nicht verpflichtet, weil sie sich insoweit mit Erfolg auf Verjährung berufen habe. Auch die Einrichtung zu 1 (Betonfläche) brauche sie nicht zu beseitigen, weil diese im Interesse des Klägers angelegt worden sei, so daß dessen Beseitigungsverlangen insoweit zumindest treuwidrig sei.

Mit Rücksicht darauf änderte das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts teilweise ab und faßte es neu, indem es die Beklagte unter Zurückweisung der Berufung im übrigen zur Beseitigung der Anlagen zu 2 bis 5 verurteilte. Die Kosten des Rechtsstreits legte es zu 3/4 dem Kläger und zu 1/4 der Beklagten auf. Den Streitwert für das Berufungsverfahren setzte es auf 50.000 DM, die Beschwer beider Parteien auf nicht mehr als 60.000 DM fest.

Der Kläger hat Revision eingelegt. Er verlangt Heraufsetzung der Beschwer und entsprechende Festsetzung des Streitwerts für die Revisionsinstanz. Zur Begründung führt er aus, das Oberlandesgericht habe der Klage nur.hinsichtlich der Positionen 2, 4 und 5 stattgegeben. Die Beschwer des Klägers bemesse sich daher nach den Kosten für die Beseitigung der Anlagen zu 1, 3, 6 und 7. Der Aufwand hierfür übersteige 60.000 DM. Dies ergebe sich bereits daraus, daß das Landgericht die Kosten der Beseitigung der zurückgelassenen Anlagen auf insgesamt etwa 106.000 DM geschätzt und den Streitwert in dieser Höhe festgesetzt habe; da das Oberlandesgericht ihm 3/4 der Kosten des Rechtsstreits auferlegt habe, sei davon auszugehen, daß die Beseitigungskosten für die Anlagen, hinsichtlich derer er im zweiten Rechtszug unterlegen sei, rund 3/4 von 106.000 DM = 79.500 DM ausmachten.

In Wirklichkeit seien diese Kosten noch höher, wie sich.aus dem bereits im zweiten Rechtszug überreichten Angebot der Firma E. GmbH vom 21. Dezember 1992 ergebe. Wegen der Kontaminierung der 2.025,87 großen Betonfläche durch Öl müsse diese vor dem Aufbrechen mit einem Kostenaufwand von 39,50 DM pro m² zuzüglich Mehrwertsteuer = rund 92.000 DM abgefräst werden.

II. Der Antrag auf Höherfestsetzung der Beschwer hat keinen Erfolg.

1. Zu Recht hat das Oberlandesgericht die Beschwer des Klägers durch die Teilabweisung der Räumungsklage nicht nach § 8 ZPO bemessen.

Zwar streiten die Parteien auch darüber, ob zwischen ihnen ein Mietvertrag bestanden hat. Sie sind sich aber darüber einig, daß das Mietverhältnis unabhängig davon, wer Vertragspartei des Klägers war, den 30. September 1990 nicht überdauert hat. Auf eine Räumungsklage ist § 8 ZPO aber nur dann anzuwenden, wenn nach dem Klagevorbringen Streit darüber besteht, ob das streitige Mietverhältnis über den Zeitpunkt der verlangten Räumung hinaus bestanden hat oder noch besteht; andernfalls fehlt es an dem Erfordernis der "streitigen Zeit" (vgl. Vereinigte Zivilsenate RGZ 33, 1, 4; RG JW 1932, 1058; Zöller-Herget, ZPO 19. Aufl. § 8 Rdn. 4; Thomas/Putzo, ZPO, 18. Aufl. § 8 Rdn. 3).

Es gelten daher die allgemeinen Wertvorschriften. Soweit der Kläger mit seinem Beseitigungsverlangen unterlegen ist, ist seine Beschwer anhand seines Beseitigungsinteresses nach §§ 3, 6 ZPO zu schätzen (vgl. OLG Karlsruhe, WuM 1994, 338 f).

2. Insoweit kann dahinstehen, ob das Beseitigungsinteresse des Klägers hier mit den Kosten gleichgesetzt werden kann, die er aufwenden müßte, um die hinterlassenen Anlagen selbst zu entfernen. Denn der Kläger hat bereits nicht hinreichend glaubhaft gemacht, daß diese Kosten einen Betrag von 60.000 DM übersteigen (zum Erfordernis der Glaubhaftmachung vgl. BGH, Beschluß vom 13. November 1980 - IVa ZR 173/80 - NJW 1981, 579 und vom 9. März 1988 -IVa ZR 250/87 - BGHR ZPO § 546 Abs. 2 Neue Tatsachen 1).

a) Insoweit ist vorab zu berücksichtigen, daß der Kläger sich zu Unrecht auch hinsichtlich der Position 3 (Betonwände am unteren Teil der Unterführungsverkleidung) für beschwert hält. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte unter Ziffer 2 des Urteilsausspruchs zur Beseitigung der "Verkleidung (Tore) der Unterführung ... einschließlich der Betonwände unterhalb dieser Verkleidung" verurteilt.

b) Der Senat vermag nicht zu erkennen, daß die auf die Positionen 1, 6 und 7 entfallenden Beseitigungskosten 60.000 DM übersteigen. Das Angebot der Firma E., auf das sich der Kläger beruft, schließt mit einem Nettopauschalpreis von 106.000 DM ab und enthält unter Ziffer 9 (Verschließen von zwei Entwässerungsleitungen) eine Position, die offenbar nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist. Welche Kosten auf die übrigen Positionen im einzelnen entfallen, läßt sich dem Angebot nicht entnehmen.

Die Kostenentscheidung des Oberlandesgerichts bietet jedenfalls keine ausreichende Grundlage, den auf die Positionen 1, 6 und 7 entfallenden Beseitigungsaufwand und damit die Beschwer des Klägers einigermaßen zuverlässig auf einen 60.000 DM übersteigenden Betrag zu schätzen. Sie geht von einem Beseitigungsinteresse des Klägers in Höhe von nur 50.000 DM aus und beruht auf der nicht näher begründeten Erwägung, daß der Umfang der Verurteilung im Verhältnis zu dem mit der Klage insgesamt verfolgten Beseitigungsverlangen "nur von relativ unwesentlicher Bedeutung" sei. Für diese Beurteilung standen auch dem Oberlandesgericht keine weiteren Erkenntnisquellen zur Verfügung als das Angebot der Firma E., die zu den Akten gereichten Lichtbilder, die vom Kläger mit rund 2.026 m² angegebene Größe der betonierten Fläche sowie ein von der Beklagten vorgelegtes Angebot der Firma B. (Bl. 156 a, 232 GA), das sich auf die Beseitigung und Entsorgung der mit 1.800 m² angegebenen Betonfläche beschränkt und diese Leistung zu einem Pauschalpreis von 24.400 DM zuzüglich Mehrwertsteuer anbietet.

Auch der Hinweis des Klägers, allein das Abfräsen der angeblich durch Öl kontaminierten Betonflächen verursache Kosten von 39,50 DM/m², ist nicht geeignet, einen Beseitigungsaufwand von mehr als 60.000 DM darzulegen. Seine Folgerung, allein das Abfräsen koste rund 80.000 DM netto, geht von der unzutreffenden Prämisse aus, die gesamte Betonfläche von rund 2.026 m² müsse abgefräst werden. Dem Angebot der Firma E. zufolge ist der Beton aber lediglich im Bereich der Unterführung mit Öl verschmutzt. Selbst wenn man die gesamte Betonfläche unter der Unterführung zugrunde legt, die nach der Planskizze Bl. 234 GA etwa 13 x 24 m groß ist, ergibt dies einen Kostenaufwand von nur 312 m² x 39, 50 DM = 12.324 DM netto. Da die Kosten für das Abfräsen im Angebot der Firma E. nicht als gesonderte Position oder als Zusatzangebot ausgewiesen werden, ist zudem davon auszugehen, daß sie im Pauschalpreis enthalten sind und ihre Erwähnung lediglich dazu dienen sollte, die Höhe dieses Pauschalpreises plausibel zu machen.

III. Der Gebührenstreitwert war nach § 16 Abs. 2 GKG auf 13.328 DM (letzter Jahresmietzins) festzusetzen.

Die für den Gebührenstreitwert allein maßgebliche Regelung des § 16 Abs. 2 GKG setzt - anders als § 8 ZPO - lediglich ein auf Räumung gerichtetes Klagebegehren voraus, nicht aber einen Streit über den (Fort-) Bestand eines Mietvertrages (vgl. Fischer in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 2. Aufl. Kap. VIII Rdn. 228; Hartmann, Kostengesetze, 25. Aufl. § 16 GKG Rdn. 24 f; Hillach/Rohs, Handbuch des Streitwerts, 8. Aufl. § 30 B I; LG Hamburg ZMR 1986, 125 f).

Das Beseitigungsverlangen ist Teil des mit der Räumungsklage geltend gemachten Rückgabeanspruchs aus § 556 BGB (vgl. BGHZ 104, 285, 288); der für die Beseitigung erforderliche Kostenaufwand ist nach dem klaren Wortlaut des § 16 Abs. 2 GKG ohne Belang (vgl. - für den Anwendungsbereich des § 8 ZPO - BGH, Beschluß vom 14. Oktober 1993 - LwZB 6/93 - BGHR ZPO § 8 Räumungsklage 2). Diese Vorschrift begrenzt den Gebührenstreitwert nämlich aus sozialen Gründen auf einen Höchstbetrag, der den Jahresbetrag des Mietzinses nicht übersteigen darf (vgl. Hartmann aaO. Rdn. 25 m.N.).

Werden mit der Revision nur noch einzelne Beseitigungsansprüche weiterverfolgt, die zuvor Gegenstand eines umfassend geltend gemachten Räumungsbegehrens waren, kann dies jedenfalls nicht zu einer Erhöhung des bisherigen Gebührenstreitwerts führen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993330

LM § 8 ZPO Nr. 14

BGHR GKG § 16 Abs. 2 Räumungskosten 1

BGHR ZPO § 8 Räumungsklage 4

DRsp IV(408)186Nr. 1 (Ls)

NJW-RR 1995, 781

ZMR 1995, 245

MDR 1995, 530

WuM 1995, 320

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