Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausgleich eines negativen Auseinandersetzungsguthabens. Konkretisierung des Zurückbehaltungsrechts. Gesellschaftsverbindlichkeiten. Schuldbefreiungsanspruch. Gläubiger beweispflichtig für Vorhandensein von Gesellschaftsschulden. Passivierung der Darlehensforderung. Haftungsbeschränkung nur im Außenverhältnis. Nachschusszahlungen. Passivierung. Verjährung. Anspruch auf rechtliches Gehör
Leitsatz (amtlich)
a) Beruft sich der ausgeschiedene Gesellschafter ggü. der Ausgleichsforderung der Gesellschaft nach § 738 Abs. 1 i.V.m. § 739 BGB auf ein Zurückbehaltungsrecht, gestützt auf seinen Anspruch auf Befreiung von den gemeinschaftlichen Schulden (§ 738 Abs. 1 Satz 2 BGB), ist er für das Bestehen derartiger Schulden darlegungs- und beweispflichtig.
b) Hat der ausgeschiedene Gesellschafter mit einem von mehreren Gesellschaftsgläubigern eine Haftungsbeschränkung vereinbart (hier: quotale und auf einen Teil der Darlehenssumme beschränkte persönliche Haftung), kann er sich im Innenverhältnis ggü. dem Anspruch der Gesellschaft auf Ausgleich seines negativen Auseinandersetzungsguthabens auf diese im Außenverhältnis mit dem Gläubiger vereinbarte Haftungsbeschränkung nicht berufen. Die Gesellschaft ist berechtigt, ihre Verbindlichkeit ggü. dem Gläubiger in der vollen, von ihr zum Stichtag des Ausscheidens geschuldeten Höhe grundsätzlich in die Auseinandersetzungsrechnung einzustellen.
c) Nachschusszahlungen der Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen sind in der Auseinandersetzungsrechnung ggü. dem ausgeschiedenen Gesellschafter unabhängig davon zu passivieren, ob sie aufgrund eines wirksamen oder eines unwirksamen Gesellschafterbeschlusses geleistet worden sind, oder ob sich die Gesellschaft ggü. dem Rückzahlungsverlangen eines Gesellschafters auf Verjährung berufen kann.
Normenkette
BGB § 738 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten wird das Urteil der 23. Zivilkammer des KG vom 10.4.2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Wert des Beschwerdeverfahrens: 48.922,32 EUR
Gründe
[1] Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt, indem es den Ausspruch über den Umfang des Zurückbehaltungsrechts im Tenor zu Lasten des Beklagten um die Befreiung von den "sonstigen Verbindlichkeiten" verkürzt hat, ohne dem Beklagten zuvor Gelegenheit zu geben, zu Art und Umfang dieser weiteren Verbindlichkeiten vorzutragen.
[2] I. 1. Noch zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass eine hinreichende Konkretisierung der ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten gem. § 273 BGB begründenden Gesellschaftsverbindlichkeiten für eine etwaige Zwangsvollstreckung (§ 756 ZPO) erforderlich ist (s. Senat, Urt. v. 3.5.1999 - II ZR 32/98, ZIP 1999, 1003, 1004). Der Beklagte ist als Gläubiger des Schuldbefreiungsanspruchs aus § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB darlegungs- und beweispflichtig für das Vorhandensein von Gesellschaftsschulden, soweit er Befreiung von ihnen verlangt (RGZ 60, 155, 159; Ulmer in MünchKomm/BGB/Schäfer 5. Aufl., § 738 Rz. 77; K. Schmidt in MünchKomm/HGB 2. Aufl., § 131 Rz. 109 jew. m.w.N.). Diese ihn treffende Verpflichtung hat der Beklagte bei der Geltendmachung seines auf §§ 738 Abs. 1 Satz 2, 273 Abs. 1 BGB gestützten Zurückbehaltungsrechts offensichtlich übersehen. In einer solchen Situation ist das Gericht gem. § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO verpflichtet, der Partei einen Hinweis zu erteilen und ihr die Möglichkeit zu eröffnen, ergänzend vorzutragen. Diese Pflicht besteht insb. dann, wenn, wie hier, das LG den Eindruck erweckt hat, auf den vom Berufungsgericht für maßgeblich gehaltenen Gesichtspunkt komme es nicht an (Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 139 Rz. 6 m.w.N.).
[3] 2. Dadurch, dass das Berufungsgericht diesen Hinweis nicht erteilt hat, hat es den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Beklagte nach einem entsprechenden Hinweis zu Art und Umfang der sonstigen Gesellschaftsschulden, hinsichtlich derer er Befreiung verlangt, in einer die Zwangsvollstreckung ermöglichenden Art ergänzend, die Verbindlichkeiten genauer individualisierend vorgetragen hätte.
[4] II. Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren, in dem das Berufungsgericht dem Beklagten und ggf. auch der Klägerin Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag geben muss, weist der Senat auf Folgendes hin:
[5] Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf Ausgleich des negativen Auseinandersetzungsguthabens i.H.v. 48.922,32 EUR zusteht.
[6] 1. a) Anders als der Beklagte meint, hat das Berufungsgericht zu Recht bei der Auslegung von § 15 des Gesellschaftsvertrages die Unklarheitenregelung des § 305c BGB nicht angewandt. Die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB sind gem. § 310 Abs. 4 BGB auch dann nicht auf Gesellschaftsverträge anwendbar, wenn diese für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind und dadurch die Voraussetzungen der AGB-Definition (§ 305 Abs. 1 BGB) erfüllen sollten (Ulmer in MünchKomm/BGB, a.a.O., § 705 Rz. 139 m.w.N.). Gesellschaftsverträge von Publikumsgesellschaften wie der vorliegenden unterliegen nach der ständigen Senatsrechtsprechung (s. nur Senat, Urt. v. 19.3.2007 - II ZR 73/06, ZIP 2007, 812 Tz. 18 m.w.N.) der objektiven Auslegung und werden dadurch der richterlichen Inhaltskontrolle unterworfen.
[7] b) Die Auslegung des Berufungsgerichts, nach der der Beklagte nach dem Gesellschaftsvertrag zum Ausgleich eines negativen Auseinandersetzungsguthabens verpflichtet ist, ist zutreffend. Die Regelung in § 15 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages stellt aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers ausschließlich auf den objektiven Wert des Anteils für einen Dritten ab; dieser kann auch negativ sein. Dass die Möglichkeit eines negativen Anteilswerts durchaus gesehen wurde, folgt im Übrigen aus § 15 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrages, in dem eine ausdrückliche Regelung "nur" für den Fall eines positiven Auseinandersetzungsguthabens getroffen wird.
[8] 2. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin die Darlehensverbindlichkeit ggü. der C. bank AG in der Auseinandersetzungsrechnung passivieren durfte. Der Darlehensvertrag ist wirksam, da die der T. erteilte Vollmacht nicht gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG verstieß (s. nur BGH, Urt. v. 18.7.2006 - XI ZR 143/05, ZIP 2006, 1622, Tz. 24). Hier kommt hinzu, dass ausweislich von § 2 Nr. 2 des Treuhandvertrages die Treuhänderin T. damit betraut war, die Verträge nach § 7 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages, mithin auch die Darlehensverträge, auszuhandeln "und nach Maßgabe der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung abzuschließen". Angesichts dieser Weisungszuständigkeit der Gesellschafterversammlung ist für einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz ersichtlich kein Raum.
[9] 3. a) Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, dass die Klägerin die Darlehensforderung der E. AG in voller Höhe passivieren durfte. Das Berufungsgericht unterscheidet zu Recht zwischen der im Innenverhältnis zur Klägerin bestehenden Ausgleichspflicht des Beklagten für nicht durch das Gesellschaftsvermögen gedeckte Verbindlichkeiten (§ 739 BGB) und der im Außenverhältnis ggü. der E. AG bestehenden Haftung des Beklagten gem. § 128 ff. HGB analog. Nur im Außenverhältnis kann sich der Beklagte gem. § 129 Abs. 1 HGB auf die zwischen ihm und der E. AG vereinbarte Haftungsbeschränkung berufen. Ein Ausnahmefall, in dem die Haftung im Innen- und Außenverhältnis ausnahmsweise aufgrund Parteivereinbarung deckungsgleich ist, liegt ersichtlich nicht vor.
[10] b) Eine unzulässige Kündigungsbeschränkung (§ 723 Abs. 3 BGB) liegt in dieser Berechnung des Ausgleichsanspruchs durch die Klägerin entgegen der Ansicht des Beklagten nicht. Auch bei einer Auflösung der Gesellschaft wäre der Beklagte gem. § 739 BGB zum Ausgleich der nicht durch das Gesellschaftsvermögen gedeckten Verbindlichkeiten in der von der Klägerin berechneten Höhe verpflichtet. Im Falle seines Ausscheidens soll der Beklagte gem. § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB aber nur so gestellt werden, wie er bei Auflösung der Gesellschaft stehen würde.
[11] 4. a) Im Ergebnis zu Recht ist das Berufungsgericht von der Berechtigung der Klägerin ausgegangen, die von den übrigen Gesellschaftern geleisteten Nachschusszahlungen zu passivieren. Haben die Gesellschafter mit Rechtsgrund geleistet oder kann sich die Klägerin gegenüber Rückzahlungsforderungen der Gesellschafter auf Verjährung berufen, handelt es sich bei den Zahlungen in das Gesellschaftsvermögen um zu passivierende Einlagen der Gesellschafter. Sind die Zahlungen ohne Rechtsgrund geleistet worden und in unverjährter Zeit seitens der Gesellschafter rückforderbar, handelt es sich um Verbindlichkeiten der Klägerin ggü. den Gesellschaftern, die ebenfalls zu passivieren sind.
[12] b) Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass sich der Beklagte im Zusammenhang mit der Passivierung der Nachschusszahlungen ggü. der Klägerin ohnehin widersprüchlich und treuwidrig verhält. Die Klägerin hat in der Auseinandersetzungsrechnung zu seinen Gunsten sämtliche von ihm erbrachten Nachschusszahlungen anspruchsmindernd, d.h. die von ihm geschuldete Ausgleichsforderung reduzierend berücksichtigt, ohne sich ihm gegenüber, wozu sie nach der Argumentation des Beklagten in erheblichem Umfang berechtigt gewesen wäre, auf Verjährung zu berufen.
Fundstellen
Haufe-Index 2158928 |
DB 2009, 1009 |
DStR 2009, 1107 |