Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 05.10.2001) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 5. Oktober 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Zuhälterei in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt; ferner hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und bestimmt, daß ihm vor Ablauf von drei Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat Erfolg, weil das Landgericht die tatbestandlichen Voraussetzungen der Verurteilung wegen Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 StGB) nicht ausreichend dargetan hat.
1. Tat zum Nachteil W. (Fall II.1 der Urteilsgründe)
Das Landgericht nimmt an, daß der Angeklagte die Geschädigte bei der Ausübung der Prostitution „überwacht” und „Maßnahmen” getroffen hat, die die Geschädigte „davon abhalten sollten, die Prostitution aufzugeben” (§ 181 a Abs. 1 Nr. 2 1. und 3. Alt. StGB). Der Tatbestand der dirigierenden Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB) setzt in allen Begehungsweisen eine bestimmende Einflußnahme auf die Prostitutionsausübung voraus; eine bloße Unterstützung reicht nicht aus. Das Verhalten muß vielmehr geeignet sein, die Prostituierte in Abhängigkeit vom Täter zu halten, ihre Selbstbestimmung zu beeinträchtigen, sie zu nachhaltigerer Prostitutionsausübung anzuhalten oder ihre Entscheidungsfreiheit in sonstiger Weise nachhaltig zu beeinflussen (BGH StV 2000, 357, 361; BGHR StGB § 181 a Abs. 1 Nr. 2 Dirigieren 2; Senatsbeschluß vom 13. November 2001 – 4 StR 408/01). Daß es sich hier so verhält, kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht mit genügender Sicherheit entnommen werden.
a) Soweit es das „Überwachen” im Sinne der ersten Alternative des § 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB anlangt, teilt das Urteil nicht mit, daß der Angeklagte irgendwelche organisatorischen Maßnahmen getroffen hat, die dazu dienten, die Geschädigte zu kontrollieren und „bei der Prostitutionsausübung” zu beaufsichtigen (zum Begriff des Überwachens Horn in SK-StGB 6. Aufl. 42. Lfg. § 181 a Rdn. 11; Laufhütte in LK-StGB 11. Aufl. § 181 a Rdn. 5; jew. m.Rspr.Nachw.). Zwar heißt es dazu im Rahmen der rechtlichen Würdigung, der Angeklagte sei „regelmäßig vorbeigekommen …, um zu sehen, ob sie gearbeitet hat” (UA 45). Doch findet dies keine Grundlage in den insoweit getroffenen Feststellungen. Denn danach erhielt er von der Geschädigten zwar jeweils 100 bis 200 DM ausgehändigt, dies allerdings nur „wenn er vorbeikam” (UA 12, ebenso UA 28; Hervorhebung durch den Senat), ohne daß die Häufigkeit der Besuche festgestellt werden konnte. Damit ist nicht belegt, wie es das Merkmal des Überwachens voraussetzt, daß der Angeklagte kontrollierte, wie und was die Geschädigte verdiente (vgl. BGH NStZ 1982, 379; 1986, 358 f. m.krit.Anm. Nitze; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 181 a Rdn. 6 a).
Im übrigen sind die dazu bisher getroffenen Feststellungen so allgemein gehalten, daß sie auch deshalb dem Senat nicht die Prüfung erlauben, ob das Landgericht – und zwar auch in der gebotenen zusammenfassenden Würdigung der einzelnen Maßnahmen des Angeklagten (vgl. BGH NJW 1987, 3209, 3210) – die Voraussetzungen der angewendeten Tatbestandsalternative zu Recht angenommen hat. So erwähnt das Urteil zwar, der Angeklagte habe die Geschädigte „bei Widerspruch oder Ungehorsam (geschlagen), zunehmend auch ohne besonderen Anlaß” (UA 12). Einzelheiten hierzu teilt das Urteil aber nicht mit. Deshalb bleibt nicht nur offen, welche und gegebenenfalls wie viele Körperverletzungshandlungen dem Schuldspruch in diesem Fall zugrunde liegen. Vielmehr fehlt auch der Nachweis, daß objektiv und auch subjektiv der notwendige Zusammenhang dieser „Maßnahmen” des Angeklagten gerade mit der Ausübung der Prostitution durch die Geschädigte besteht (Überwachen „bei der Ausübung der Prostitution”).
b) Die Feststellungen belegen auch nicht, daß der Angeklagte im Sinne der 3. Alternative des § 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB Maßnahmen getroffen hat, die die Geschädigte davon abhalten sollten, die Prostitution aufzugeben. Erfaßt werden hiervon Vorkehrungen, die das Opfer in seiner Entscheidungsfreiheit zu beeinträchtigen geeignet und darauf gerichtet sind, ihm den Weg aus der Prostitution zu verbauen (Lenckner/Perron in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 181 a Rdn. 10). Insoweit fehlt es an jeglichem Hinweis, daß die Geschädigte überhaupt beabsichtigte, aus der Prostitution auszusteigen. Ob dies schon für sich der Annahme dieser Tatbestandsalternative entgegensteht (verneinend Horn aaO Rdn. 13; Lenckner/Perron aaO; Laufhütte aaO Rdn. 7), bedarf hier keiner Entscheidung. Voraussetzung wäre jedenfalls, daß die Geschädigte sich vom Angeklagten gerade in der Prostitution durch Zwang oder Drohung festgehalten fühlte (vgl. BGH NStZ 1994, 32). Daß die Geschädigte sich von dem Angeklagten trennen wollte, genügt jedenfalls nicht.
c) Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß das Landgericht nach den bisher getroffenen Feststellungen zu Recht die 2. Alternative des § 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht angenommen hat, weil ein Bestimmen „anderer Umstände der Prostitutionsausübung” noch nicht darin zu erblicken ist, daß die Geschädigte dem Angeklagten „die Gelder nicht freiwillig gegeben hat, … sondern nur, weil der Angeklagte sie mit Schlägen und Drohungen unter Druck gesetzt hat” (UA 28). Ob der Angeklagte sich insoweit der Erpressung oder räuberischen Erpressung schuldig gemacht hat, wird der neue Tatrichter zu prüfen haben, es sei denn, daß er Anlaß sieht, das Verfahren insoweit mit Blick auf den Zeitablauf und die – angesichts der zahlreichen Widersprüche in der Aussage der Geschädigten als der im wesentlichen einzigen unmittelbaren Belastungszeugin – Schwierigkeit der Beweislage nach § 154 Abs. 2 StPO einzustellen.
2. Tat zum Nachteil B. (Fall II. 2 der Urteilsgründe)
Das Urteil hält rechtlicher Prüfung auch nicht stand, soweit das Landgericht den Angeklagten sowohl der ausbeuterischen als auch der dirigistischen Zuhälterei zum Nachteil der Geschädigten B. nach § 181 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB für schuldig befunden hat.
a) Die Voraussetzungen der ausbeuterischen Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 Nr. 1 StGB) sind nicht hinreichend dargetan. Der Begriff der Ausbeutung verlangt ein planmäßiges und eigensüchtiges Ausnutzen der Prostitutionsausübung als Erwerbsquelle, das zu einer spürbaren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Prostituierten führt (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 180 a Abs. 2 Nr. 2 Ausbeuten 1 und StGB § 181 a Abs. 1 Nr. 1 Ausbeuten 3). Die Beantwortung der Frage, ob eine spürbare Verschlechterung der Vermögenslage in diesem Sinne vorliegt, setzt grundsätzlich Feststellungen zur Höhe der Einnahmen und Abgaben der Prostituierten voraus (vgl. BGH NStZ 1989, 67 f.; Laufhütte in LK aaO Rdn. 3 m.w.N.). Jedenfalls für den Anfang des nach dem Urteil angenommenen Tatzeitraumes belegen die Feststellungen ein Ausbeuten in diesem Sinne nicht. Danach hat der Angeklagte zumindest bis zum Ausscheiden von „Jenny” aus dem von ihr zusammen mit der Geschädigten B. … betriebenen Wohnungsbordell im März 2000 aufgrund einer Vereinbarung mit der Geschädigten die Hälfte der Einnahmen von „J.” erhalten sollen und tatsächlich „in der Folgezeit von der Zeugin B. 100,00 – 300,00 DM täglich ausgehändigt” bekommen. Demgegenüber behielt die Geschädigte aber „ihre eigenen Einnahmen, die zwischen 8.000,00 – 10.000,00 DM pro Monat lagen, für sich” (UA 16), wobei nach dem Zweifelsgrundsatz die von dem Angeklagten vereinnahmten Gelder mit dem Mindest- und die der Geschädigten verbleibenden Einnahmen aus der Prostitution mit dem in Betracht kommenden Höchstbetrag anzusetzen sind. Abgesehen davon, daß das Landgericht nicht klären konnte, wie hoch die Einnahmen von „J.” genau waren (UA 16, 39), genügen diese Angaben nicht, um eine fühlbare Beschneidung des Lebensstandards der Geschädigten, den sie sonst gehabt hätte (vgl. Lenckner/Perron aaO Rdn. 4 m.N.), feststellen zu können. Die Rechtsprechung hat dies angenommen, wenn die Abgaben 50 % der Einnahmen ausmachen (vgl. BGH NStZ 1989, 67 f.; 1999, 350, 351). Daß es sich so verhält, liegt hier jedenfalls nicht so nahe, daß auf eine nähere Erörterung verzichtet werden konnte.
Es belegt die Ausbeutung im Sinne des § 181 a Abs. 1 Nr. 1 StGB auch nicht, daß die Geschädigte ab Mitte November 1999 monatlich 200 DM auf einen Sparkassenkredit des Angeklagten und dessen „Handy-Unkosten von 300,00 – 500,00 DM im Monat” (UA 19) bezahlte und das Landgericht ohne Angabe genauer Beträge feststellt, daß die Geschädigte seit April 2000 „für sämtliche Zahlungsverpflichtungen des Angeklagten” aufkam (UA 21). Bei all diesen Leistungen kann zudem nicht außer Betracht bleiben, daß es die Geschädigte selbst war, die den Angeklagten an sich zu binden suchte, die ihm deshalb von sich aus die finanzielle Beteiligung anbot und die sich auch zur Übernahme seiner Zahlungsverpflichtungen veranlaßt sah, nachdem der Angeklagte im Einvernehmen mit ihr seine eigene Erwerbstätigkit aufgegeben hatte, damit er sich mehr um sie kümmern könne. Das Einvernehmen stellt zwar für sich das Merkmal der Ausbeutung nicht in Frage (Laufhütte aaO Rdn. 4). Wohl aber begründet die besondere Beziehung zwischen der Geschädigten und dem Angeklagten Zweifel, daß die Geschädigte die finanziellen Leistungen auf der Grundlage eines Abhängigkeitsverhältnisses erbracht hat. Darauf kommt es jedoch an, weil das bloße Ausgehaltenwerden selbst bei erheblichen Leistungen nicht genügt (BGH NStZ 1982, 507; 1983, 220). Soweit die Geschädigte dem Angeklagten schließlich Vermögenswerte, insbesondere Fahrzeuge, „schenkte” (UA 20, 21), die sie im Rahmen der Auseinandersetzung mit ihrem Ehemann von diesem erhalten hatte, steht dies in keinem erkennbaren Zusammenhang mit ihrer Prostitutionsausübung und hat schon deshalb für die Frage der Ausbeutung außer Betracht zu bleiben.
b) Die Feststellungen belegen aber auch nicht die Annahme dirigierender Zuhälterei nach den vom Landgericht angenommenen Tatbestandsvarianten der Nr. 2 des § 181 a Abs. 1 StGB. Die Feststellungen ergeben allerdings, daß – was die Revision auch nicht in Zweifel zieht – die Beziehung zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten auch „von Gewalt geprägt” war (UA 22). Das Urteil macht aber nicht deutlich, worin das Landgericht eine „Überwachung” der Geschädigten im Sinne diese Vorschrift sieht. Daß er der Geschädigten verbot auszugehen (UA 22), genügt für sich noch nicht, zumal es ihr ersichtlich trotz des „Verbots” ohne weiteres möglich war, die Wohnung zu verlassen (vgl. BGH NStZ 1994, 32). Soweit das Landgericht darin zugleich Maßnahmen sieht, die dazu dienen sollten, sie im Sinne der 3. Alternative von der Aufgabe der Prostitution abzuhalten (UA 45), steht dem schon entgegen, daß es gerade nicht feststellen konnte, „daß der Angeklagte konkret versucht hätte, die Zeugin B. an einem Ausstieg aus der Prostitution zu hindern” (UA 44). Deshalb kann auch keine der fünf im einzelnen festgestellten tätlichen Übergriffe als eine solche tatbestandsmäßige Maßnahme angesehen werden, weil dem Angeklagten bei keiner dieser Auseinandersetzungen bekannt war, daß die Geschädigte einen Ausstieg plante (UA 44). Zudem wies der jeweils aktuelle Anlaß für die Tätlichkeiten nach den dazu getroffenen Feststellungen auch nicht den spezifischen Zusammenhang mit der Ausübung der Prostitution aus.
c) Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Prüfung, und zwar auch unter dem Gesichtspunkt der 2. Alternative des § 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB, die noch nicht notwendigerweise deshalb ausscheidet, weil sich die Geschädigte B. nach den bisher getroffenen Feststellungen dem Angeklagten im wesentlichen freiwillig unterworfen hat (vgl. BGH NJW 1987, 3209, 3210; Lackner/Kühl StGB 24. Aufl. § 181 a Rdn. 4). Im übrigen wird der neue Tatrichter auch Gelegenheit haben, den Tatzeitraum des vom Schuldspruch erfaßten tatbestandmäßigen Verhaltens genau zu bestimmen und das Konkurrenzverhältnis der jeweils für sich rechtsfehlerfrei festgestellten Körperverletzungshandlungen klarzustellen. Der Angeklagte ist zwar nicht dadurch beschwert, daß das Landgericht ihn nur wegen rechtlich einer Tat der Körperverletzung verurteilt hat. Es bleibt aber offen, ob dem Schuldspruch sämtliche geschilderten Körperverletzungshandlungen zugrundeliegen, was im Schuldspruch kenntlich zumachen ist (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 45. Aufl. § 260 Rdn. 26 m.N.). Im übrigen weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß nicht jede Körperverletzung, die gelegentlich einer zuhälterischen Beziehung erfolgt, deshalb in Tateinheit zu § 181 a StGB steht.
3. Schließlich hält auch der Maßregelausspruch nach §§ 69, 69 a StGB der rechtlichen Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat die Anordnung der Maßregel damit begründet, der Angeklagte habe „seine Fahrerlaubnis mißbraucht”, indem er sein Fahrzeug genutzt habe, „um die Geschädigten an abgelegene Orte zu verbringen und sie dort körperlich zu mißhandeln” (UA 49). Diese Erwägung trägt die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht. Voraussetzung ist, daß der Täter die Tat „bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat” (§ 69 Abs. 1 Satz 1 StGB). Einen solchen Zusammenhang der dem Angeklagten angelasteten Straftaten mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs ergeben die getroffenen Feststellungen nicht. Nach der Rechtsprechung besteht ein solcher Zusammenhang nicht schon dann, wenn der Täter mit seinem Fahrzeug zum Tatort fährt, sofern dadurch nicht die tatbestandliche Handlung selbst gefördert wird (BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 8). Ob hiernach durch die Belassung der Fahrerlaubnis Gefahren für die Allgemeinheit erwachsen würden, denen durch die Entziehung der Fahrerlaubnis zu begegnen ist (vgl. BGHR aaO Entziehung 5), bedarf einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls. Sollte der neue Tatrichter wiederum die Entziehung der Fahrerlaubnis anordnen, bedürfte auch die Bemessung der Dauer der Sperrfrist nach § 69 a einer eingehenderen Begründung. Maßstab ist allein die voraussichtliche Dauer der Ungeeignetheit des Täters zum Führen eines Kraftfahrzeugs, nicht dagegen, ob die Sperrfrist mit Blick auf die Tatschuld „angemessen” (UA 49) ist (st. Rspr.; BGHR StGB § 69 a Abs. 1 Dauer 1 f).
Unterschriften
Tepperwien, Maatz, Athing, Ernemann, Sost-Scheible
Fundstellen
Haufe-Index 2559957 |
DAR 2002, 462 |
DAR 2003, 292 |
NStZ-RR 2002, 232 |
NZV 2002, 378 |
ZfS 2003, 94 |
StV 2003, 163 |