Leitsatz (amtlich)
Auch die für eine wirksame Berufungseinlegung erforderliche Angabe, für wen und gegen wen die Berufung eingelegt wird, unterliegt der in § 518 ZPO angeordneten Schriftform.
Normenkette
ZPO § 518 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG München (Beschluss vom 04.04.1985) |
LG München I |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 4. April 1985 aufgehoben.
Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt.
Beschwerdewert: 10.000 DM
Tatbestand
I.
Der Kläger nimmt den beklagten Arzt wegen behaupteter Fehldiagnose und Fehlbehandlung auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Anspruch. Das klageabweisende Urteil des Landgerichts ist den Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 5.11.1984 zugestellt worden. Am 4.12.1984 ging bei dem Oberlandesgericht folgender Schriftsatz der Prozeßbevollmächtigten des Klägers ein:
„In dem Rechtsstreit A.B. gegen Professor Dr. S.K. wegen Schadensersatz legen wir gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 25.10.1984 Berufung ein.”
Eine Abschrift des angefochtenen Urteils war nicht beigefügt. Am 5.12.1984 rief die Geschäftsstellenbeamtin des Oberlandesgerichts aufgrund einer bestehenden Übung in der Kanzlei der Prozeßbevollmächtigten des Klägers an und erhielt dort die Auskunft, daß die Berufung für den Kläger eingelegt sei. Außerdem ließ sie sich Namen und Anschrift des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Beklagten mitteilen. Die erhaltenen Auskünfte hielt sie in einem Aktenvermerk fest.
Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Berufung sei unwirksam, weil aus der Berufungsschrift nicht ersichtlich sei, für welche Partei Berufung eingelegt werde. Die fehlende Angabe des Berufungsklägers habe sich innerhalb der Berufungsfrist auch nicht aus anderen Unterlagen entnehmen lassen, weil das angefochtene Urteil nicht beigelegen habe und die Gerichtsakten nicht mehr innerhalb der Berufungsfrist eingegangen seien. Die telefonische Auskunft einer Kanzleikraft des Prozeßbevollmächtigten des Klägers könne die für die Zulässigkeit der Berufung erforderlichen Angaben nicht ersetzen. Insoweit sei die in § 518 ZPO angeordnete Schriftform nicht gewahrt.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers.
Entscheidungsgründe
II.
Die nach §§ 519 b Abs. 2, 547 ZPO statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg. Das Berufungsgericht hat die vom Kläger zunächst eingelegte Berufung zwar zu Recht als unzulässig angesehen. Dem Kläger ist jedoch von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Berufung nur dann ordnungsgemäß eingelegt, wenn die Person des Rechtsmittelklägers bezeichnet ist. Diese Angabe muß allerdings nicht in der Rechtsmittelschrift enthalten sein; es genügt, wenn sie sich aus anderen, dem Gericht vorliegenden Unterlagen innerhalb der Rechtsmittelfrist eindeutig entnehmen läßt (BGHZ 21, 168, 173; 65, 114, 115; BGH, Beschluß vom 22. September 1971 – IV ZR 106/69 – VersR 1971, 1145; Beschluß vom 29. April 1982 – I ZB 2/82 – VersR 1982, 769; Beschluß vom 11. Oktober 1984 – V ZB 15/84 – VersR 1984, 1093, jeweils m.w.N.).
Im vorliegenden Fall besagt die Berufungsschrift nichts darüber, in wessen Namen die Berufung eingelegt werden soll. Weitere Unterlagen, aus denen sich die Person des Berufungsklägers hätte entnehmen lassen, lagen dem Berufungsgericht innerhalb der Berufungsfrist nicht vor. Die telefonische Mitteilung der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten des Klägers reichte zur Bezeichnung der Person des Rechtsmittelführers nicht aus. Die Angabe, für wen und gegen wen die Berufung eingelegt wird, gehört zu den drei wesentlichen Erfordernissen einer wirksamen Berufungseinlegung. Die übrigen beiden Erfordernisse, nämlich die Bezeichnung des angefochtenen Urteils und die Erklärung, daß gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, sind im Gesetz ausdrücklich genannt (§ 518 Abs. 2 ZPO). Die Notwendigkeit der Bezeichnung des Rechtsmittelklägers entspricht einer jahrzehntelangen ständigen Rechtsprechung. Sie ist ein Gebot der Rechtssicherheit. Da mit dem Rechtsmittel ein neuer Verfahrensabschnitt vor einem anderen als dem zuletzt mit der Sache befaßten Gericht eröffnet wird, muß die Person des Rechtsmittelklägers nicht nur für den Gegner, sondern auch für das Gericht klar erkennbar werden (BGHZ 21, 168, 173). Ebenso wie die beiden gesetzlich normierten inhaltlichen Erfordernisse einer wirksamen Berufungseinlegung unterliegt auch die Bezeichnung der Person des Rechtsmittelklägers der in § 518 ZPO angeordneten Schriftform. Es würde der Bedeutung dieser von der Rechtsprechung aufgestellten notwendigen Voraussetzung einer zulässigen Berufung nicht gerecht, wenn insoweit mündliche oder fernmündliche Angaben ausreichten. Die Schriftform ist gewahrt, wenn sich die Person des Rechtsmittelklägers aus Schriftstücken, wie etwa dem angefochtenen Urteil oder den Gerichtsakten, entnehmen läßt, die dem Rechtsmittelgericht vorliegen. Mit dem Gebot der Rechtssicherheit ist es aber nicht mehr vereinbar, wenn sich die Bezeichnung des Berufungsklägers nur aus einer mündlichen Erläuterung ergibt, wobei es letztlich gleichgültig ist, ob diese Erläuterung von dem Prozeßbevollmächtigten selbst oder einem seiner Angestellten gegeben wird. Mit der Unterzeichnung der Berufungsschrift übernimmt der Rechtsanwalt in nachprüfbarer Weise die Verantwortung für die Einlegung des Rechtsmittels. Die Verantwortlichkeit des Rechtsanwalts ist auch dann noch hinreichend dokumentiert, wenn sich ein wesentliches Erfordernis der Berufungseinlegung nicht aus der Berufungsschrift selbst, sondern aus anderen, dem Gericht vorliegenden Unterlagen eindeutig entnehmen läßt. Das ist aber nicht mehr der Fall, wenn sich dieses Erfordernis nur noch aus einem gesprochenen Wort ergibt. Bei einem gesprochenen Wort besteht nicht nur die Gefahr von Mißverständnissen, sondern auch die Schwierigkeit eines eindeutigen Beweises. Beides verträgt sich nicht mit den Anforderungen, die an eine wirksame Rechtsmitteleinlegung zu stellen sind.
Entgegen der Auffassung des Klägers läßt sich aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nichts zu seinen Gunsten herleiten. Das Bundesarbeitsgericht verlangt im Unterschied zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als zusätzliche Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Berufung die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Berufungsbeklagten oder seines Prozeßvertreters. Dieses mit den Besonderheiten des Arbeitsgerichtsprozesses begründete Erfordernis sieht das Bundesarbeitsgericht allerdings unter anderem bereits dann als erfüllt an, wenn die Anschrift des Berufungsbeklagten dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bekannt ist, wobei das Bundesarbeitsgericht nicht auf die Wahrung der Schriftform abstellt (BAG NJW 1975, 2039; 1979, 2000). Aus dieser Rechtsprechung lassen sich jedoch keine Schlüsse bezüglich der Erforderlichkeit der Schriftform für die Bezeichnung der Person des Rechtsmittelklägers ziehen. Die vom Bundesarbeitsgericht geforderte Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Berufungsbeklagten oder seines Prozeßbevollmächtigten hat den Zweck, eine möglichst baldige Zustellung der Berufungsschrift an den Rechtsmittelgegner zu ermöglichen (BAG a.a.O.). Dieser Zweck ist erreicht, wenn die ladungsfähige Anschrift des Berufungsbeklagten dem Urkundsbeamten bekannt ist. Mit der Bezeichnung der Person des Rechtsmittelklägers verhält es sich jedoch anders. Dieses essentielle Erfordernis einer jeden Rechtsmitteleinlegung dient der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Eine nur mündliche Bezeichnung der Person des Rechtsmittelklägers vermag diesen Zweck gerade nicht zu erfüllen. Vielmehr fordern Rechtssicherheit und Rechtsklarheit insoweit die Einhaltung der Schriftform des § 518 ZPO.
2. Dem Kläger ist von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren. Die nach § 236 Abs. 2 S. 2 ZPO statthafte Wiedereinsetzung von Amts wegen kann auch das Revisionsgericht im Rahmen des bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahrens aussprechen, wenn die Wiedereinsetzung nach dem Aktenstand ohne weiteres zu gewähren ist (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 1981 – IV b ZR 625/80 – NJW 1982, 1873, 1874). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. In der Einreichung der Berufungsbegründung am 4.2.1985 ist eine Nachholung der Berufungseinlegung zu sehen. Zu dieser Zeit hatte die Wiedereinsetzungsfrist noch nicht zu laufen begonnen. Wie sich aus der Verfügung vom 7.2.1985 (Bl. 129 GA) ergibt, sind Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung frühestens an diesem Tage von dem Vorsitzenden des 1. Zivilsenats geltend gemacht worden. Bis dahin konnte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers ohne Verschulden davon ausgehen, daß entsprechend der bei dem zunächst mit der Berufung befaßten 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts bestehenden Übung die fernmündliche Ergänzung der in der Berufungsschrift fehlenden Angaben innerhalb der Berufungsfrist für eine zulässige Berufungseinlegung ausreichte. Wenn die Behandlung der Sache durch die Geschäftsstelle des 19. Zivilsenats nicht bei dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers den Eindruck erweckt hätte, daß die telefonische Übermittlung der fehlenden Angabe des Berufungsklägers für ausreichend angesehen werden sollte, dann hätte er noch innerhalb der Berufungsfrist diese Angabe formgerecht nachholen können.
Unterschriften
Dr. Steffen, Dr. Kullmann, Dr. Ankermann, Bischoff, Dr. Schmitz
Fundstellen
Haufe-Index 1237708 |
NJW 1985, 2650 |
JR 1986, 290 |
Nachschlagewerk BGH |