Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen wendet er sich mit seiner Revision, die er innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO zu Protokoll der Geschäftsstelle und darüber hinaus durch seinen Verteidiger mit Ausführungen zur Verfahrensbeschwerde und zur Rüge der Verletzung sachlichen Rechts begründet hat. Das Rechtsmittel führt nur zu einer Änderung des Schuldspruchs; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Den vom Angeklagten gestellten Anträgen, ihm nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zum Nachtrag und zur Ergänzung erheblicher Beweistatsachen" zu gewähren, kann nicht stattgegeben werden. Die Wiedereinsetzung zur nachträglichen Geltendmachung bisher nicht vorgetragener Umstände ist ebenso wie die Wiedereinsetzung zur Ergänzung bereits erhobener Verfahrensrügen grundsätzlich unzulässig (vgl. BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 3). Eine der in der Rechtsprechung zugelassenen Ausnahmen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 43. Aufl. § 44 Rdn. 7 a m.N.) liegt ersichtlich nicht vor. Davon abgesehen genügen die Schreiben des Angeklagten auch nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form (§§ 45 Abs. 2 Satz 2, 345 Abs. 2 StPO.)
2. Der Schuldspruch hält der rechtlichen Nachprüfung lediglich insoweit nicht stand, als das Landgericht den Angeklagten im Fall II 1. der Urteilsgründe der versuchten schweren räuberischen Erpressung nach §§ 250 Abs. 1 Nr. 2, 255, 23 StGB und nicht - wie es richtig gewesen wäre - der versuchten (einfachen) räuberischen Erpressung (§§ 249 Abs. 1, 255, 23) für schuldig befunden hat.
a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte den Entschluß gefaßt, den Geschädigten durch Todesdrohungen zur Zahlung von mindesten einer Million DM zu erpressen. Nach mehreren Drohanrufen und Drohschreiben sandte der Angeklagte an den Geschädigten ein Päckchen mit Verpackungsmaterial für die Übergabe des Geldes, das nach seiner Anweisung auf ein Lichtsignal hin aus einem fahrenden Zug geworfen werden sollte. Ferner befand sich in dem Päckchen eine "Schrotpatrone - Kal. 12 mm". In dem Begleitschreiben des Angeklagten hieß es u.a.: "Besorge das Geld. Wenn nicht laß ich Dein Haus anzünden und Dich, Deine Kinder und Deine Lebensgefährtin mit Anhang mit Schrotkörnern bespicken (Anlage). Es ist Deine Entscheidung" (UA 9). Der Hinweis auf die "Anlage" bezog sich auf die beigelegte Schrotpatrone, die aus einem Gewehr des Angeklagten stammte, das sich in seinem Besitz befand. Der Angeklagte hatte aber "zu keinem Zeitpunkt die Absicht, tatsächlich die Waffe zu gebrauchen, geschweige denn hatte er die Absicht, die anderen Drohungen in die Tat umzusetzen" (UA 12/13). Zur Vollendung der Tat kam es nicht, weil, obwohl die Drohung ernst genommen wurde, die Familie des Geschädigten "zu keinem Zeitpunkt willens (war), auf die Erpressungen einzugehen" (UA 10).
b) Das Landgericht bewertet die Tat ohne nähere Begründung als versuchte schwere räuberische Erpressung "nach §§ 253, 255, 250 I Nr. 2 StGB" (UA 30). Das weist insoweit keinen Rechtsfehler auf, als das Landgericht die Voraussetzungen der versuchten (einfachen) räuberischen Erpressung als erfüllt angesehen hat; denn unerheblich ist, ob der Täter die Ausführung seiner Drohung beabsichtigt, solange er nur will, daß der Bedrohte - wie hier - die Ausführung der Drohung für möglich hält (BGHSt 23, 294, 295 f.). Dagegen tragen die Feststellungen nicht die Auffassung des Landgerichts, der Angeklagte habe unter den tatqualifizierenden Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB gehandelt. Als tatqualifizierendes Mittel kommt hier nur die Schrotpatrone in Betracht, die der Angeklagte dem Geschädigten zusandte. Die Patrone ist bei zutreffender rechtlicher Bewertung aber keine "Waffe oder sonst ein Werkzeug oder Mittel" im Sinne dieser Vorschrift.
Zwar diente die Verwendung der Schrotpatrone nach der Vorstellung des Angeklagten dem Zweck, daß das Tatopfer die Drohung ernst nahm und der Einschüchterungseffekt in besonderer Weise gesteigert wurde (vgl. BGHR StGB § 250 Abs. 1 Nr. 2 Beisichführen 3 a.E.). Auch hat der Bundesgerichtshof angenommen, daß die Gefährlichkeit des Werkzeugs oder Mittels im Blick auf erhebliche Verletzungen des Betroffenen kein Tatbestandsmerkmal des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB darstelle (BGH NJW 1989, 2549). Andererseits hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung BGHSt 38, 116, 117 mit näherer Begründung ausgeführt, daß objektive Umstände bei der Auslegung der Merkmale "Waffe oder sonst ein Werkzeug oder Mittel" nicht völlig unberücksichtigt bleiben dürfen. Es genügt deshalb nicht, daß der Täter bei der Tat überhaupt irgendeinen beliebigen Gegenstand im Zusammenhang mit der Drohung einsetzt oder einsetzen will. Jedenfalls dann, wenn der Gegenstand schon nach seinem äußeren Erscheinungsbild offensichtlich ungefährlich und deshalb nicht geeignet ist, mit ihm (etwa durch Schlagen, Stoßen, Stechen oder in ähnlicher Weise) auf den Körper eines anderen in erheblicher Weise einzuwirken, kommt die Anwendung des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht in Betracht. Hiervon ausgehend hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung BGHSt 38, 116 die Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB bei einem kurzen Plastikrohr verneint, welches der Täter bei dem Überfall so unter der Jacke hielt, daß diese ausbeulte und so der von ihm gewollte Eindruck entstand, es handele sich um eine Schußwaffe. Im Anschluß an diese Entscheidung hat der Senat die Verwendung eines Lippenpflegestiftes ("Labello"), den die Täterin dem Tatopfer bei dem Überfall in den Rücken drückte, ebensowenig genügen lassen wie ein Holzstück, das der Täter bei dem Überfall in seiner Hand umschlossen hielt, um damit den Eindruck zu erwecken, er führe eine Schußwaffe bei sich (BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 1996 - 4 StR 147/96, NStZ 1997, 184 m.Anm. Hohmann, und 4 StR 175/96).
Nicht anders verhält es sich bei der von dem Angeklagten verwendeten Schrotpatrone. Von der Patrone selbst ging - für jedermann erkennbar - keine Gefahr aus. Eine Gefahr für Leib oder Leben der von der Erpressung bedrohten Personen konnte überhaupt nur durch ihre Verwendung im Zusammenhang mit dem Einsatz der entsprechenden Schußwaffe eintreten. Allerdings hat der Angeklagte konkludent zu verstehen gegeben, daß er - wie dies auch zutraf - über eine entsprechende Waffe verfügte. Dies ändert aber an der offensichtlich fehlenden Eignung der dem Tatopfer zugesandten Patrone zur körperlichen Einwirkung auf dieses nichts, wobei hinzu kommt, daß der Angeklagte sich mit der Absendung dieser Patrone ohnehin ihrer weiteren Verwendung begeben hat. Zur Anwendung des § 250 Abs. 1 StGB führt auch nicht, daß der Angeklagte sich im Besitz der Schrotflinte befand, als er das Päckchen mit der Schrotpatrone absandte. Zwar kann es ausreichen, wenn Waffe oder Werkzeug so in der räumlichen Nähe des Täters sind, daß er sich ihrer jederzeit, also ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne besondere Schwierigkeit bedienen kann und der Täter einen Gebrauch "im Bedarfsfall" ins Auge faßt (vgl. BGHR StGB § 250 Abs. 1 Nr. 2 Beisichführen 2). Der Angeklagte hat die Schrotflinte aber nicht eingesetzt; ebenso hat das Landgericht ausgeschlossen, daß er von der Schußwaffe überhaupt Gebrauch machen wollte.
3. Die Schuldspruchänderung läßt den Einzelstrafausspruch im Fall II 1. der Urteilsgründe unberührt. Der Senat schließt aus, daß die Strafkammer auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte, wenn sie den Angeklagten statt wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung wegen versuchter - einfacher - räuberischer Erpressung verurteilt hätte. Zwar wäre die Strafe, die das Landgericht § 250 Abs. 2 StGB entnommen hat, § 249 StGB zu entnehmen gewesen. Doch beruht der Strafausspruch darauf schon deshalb nicht, weil die erkannte Strafe sich so sehr vom Mindestmaß des Strafrahmens des § 250 Abs. 2 StGB entfernt, daß nichts dafür spricht, daß die Strafe niedriger ausgefallen wäre, wenn das Landgericht stattdessen vom Strafrahmen des § 249 Abs. 2 StGB mit einer lediglich um sechs Monate niedrigeren Mindeststrafe ausgegangen wäre (vgl. Senatsbeschluß vom 20. Juni 1996 - 4 StR 175/96). Der Senat kann deshalb auch offenlassen, oh ohne die Berücksichtigung fehlender objektiver Gefährlichkeit des Tatmittels die Tat überhaupt als minder schwerer Fall der versuchten - einfachen - räuberischen Erpressung (§ 255 i.V.m. § 249 Abs. 2 StGB) gewertet worden wäre und der Tatrichter die Strafe nicht dem gemäß §§ 23, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 249 Abs. 1 StGB entnommen hätte.
4. Auch im übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 21. August 1997.
5. a) Der geringfügige, nur den Schuldspruch unter II 1. der Urteilsgründe betreffende Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten auch nur teilweise von den Kosten des Rechtsmittels freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
b) Für die von dem Angeklagten mit Schreiben vom 10. August 1997 begehrte "Sachentscheidung durch den zuständigen Senat des BGH zur Frage der Haftfortdauer", mit der der Angeklagte die Außervollzugsetzung des Haftbefehls erstrebt, ist der Senat nicht zuständig. Die Voraussetzungen des § 126 Abs. 3 StPO für eine Entscheidung des Revisionsgerichts in der Haftfrage liegen nicht vor. Im übrigen ist die Verurteilung des Angeklagten mit der Entscheidung des Senats rechtskräftig; die Untersuchungshaft geht deshalb ohne weiteres in Strafhaft über (Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 43. Aufl. § 120 Rdn. 15 m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 2993495 |
NStZ 1998, 38 |
Kriminalistik 1998, 680 |
StV 1998, 77 |