Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf - 20. Zivilsenat - vom 20. Mai 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich des Klageantrags 1 a bb sowie der darauf bezogenen Klageanträge 2 und 3 zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Gerichtskosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens trägt der Kläger.
Der Streitwert der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf insgesamt 70.000 € und für den zurückgewiesenen Teil der Nichtzulassungsbeschwerde auf 46.666,67 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
I. Die Parteien sind Rechtsanwälte und waren zur Berufsausübung in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (nachfolgend auch: Sozietät) verbunden. Nach einer Kündigung des Sozietätsvertrags durch den Kläger vom 17. März 2017 führte der Beklagte die Kanzlei weiter.
Rz. 2
Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte habe während der gemeinsamen Berufsausübung und danach ein unzulässiges Abrechnungssystem betrieben. Soweit für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren relevant, hat der Kläger beantragt, dem Beklagten zu untersagen,
bei Mandaten zur Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen
a) vom eigenen Mandanten eigene anwaltliche Gebühren nur in der Höhe zu fordern oder sogar zu unterschreiten, wie diese von den Gegnern erstattet werden, und zwar
aa) außergerichtlich: abweichend von den in den Abmahnschreiben geltend gemachten Gebühren;
bb) im gerichtlichen Verfahren: abweichend davon, wie diese in gerichtlichen Verfahren nach RVG geschuldet sind;
b) Mandantschaften von Drittkosten, also Auslagen gleich welcher Art (Testkaufkosten, Gerichtsgebühren oder KfB von Gegnern etc.) freizustellen, indem diese bei Uneinbringbarkeit bei der jeweiligen Gegenseite nicht von der eigenen Mandantschaft getragen werden müssen, wobei es gleich ist, ob diese Freistellung dadurch erfolgt, dass der Beklagte mit sonstigen Gebührenerstattungen dieser oder anderer Gegenseiten in dem Gesamtmandat verrechnet oder der Beklagte komplett aus Eigenmitteln leistet
(Klageantrag 1). Darüber hinaus hat er eine Ordnungsmittelandrohung (Klageantrag 2) und die Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten (Klageantrag 3) begehrt.
Rz. 3
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, der seine Klageanträge im Fall der Zulassung der Revision weiterverfolgen will.
Rz. 4
II. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 5
Mit Blick auf die Zeit des Bestehens der Sozietät spreche viel dafür, dass der Kläger keinen konkreten Verletzungsfall vorgetragen habe. Letztlich könne das aber offenbleiben, weil es zu dieser Zeit an einem Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien gefehlt habe und der Kläger daher nicht Mitbewerber des Beklagten gewesen sei. Bei einer Personengesellschaft seien nicht die Gesellschafter, sondern sei nur die Gesellschaft klagebefugt. Dies könne nicht unter Verweis auf potentiellen Wettbewerb dadurch umgangen werden, dass aus Verhalten während des Bestehens der Sozietät auf eine Erstbegehungsgefahr geschlossen werde. Ebenso könne offenbleiben, ob ein gesellschaftsrechtlicher Anspruch gegen den Beklagten auf ordnungsgemäße Abrechnung bestanden habe. Ein Unterlassen für die Zukunft könne infolge des Ausscheidens des Klägers aus der Sozietät auf dieser Grundlage nicht mehr verlangt werden. Etwaige Schadensersatzansprüche stünden der Gesellschaft und nicht dem Kläger zu.
Rz. 6
Für eine Fortsetzung der Abrechnungspraxis durch den Beklagten nach dem Ausscheiden des Klägers aus der Sozietät habe dieser nichts hinreichend Substantiiertes vorgetragen. Die Vorgänge "R. " und "G. " (nachfolgend G. ) seien völlig unklar; es bleibe offen, was der Beklagte mit diesen besprochen und abgerechnet habe. Der Beklagte behaupte, ausstehende Rechnungen einzutreiben. Der Kläger habe auch in der Berufungsinstanz keinen einzigen konkreten Fall vorgebracht, in dem der Beklagte bestehende Ansprüche nicht abgerechnet hätte. Hierfür reiche es nicht aus vorzutragen, dass die betreffenden Mandate beim Beklagten verblieben seien. Es wäre ein konkreter Fall zu benennen gewesen, in dem sich der Beklagte wie beanstandet verhalten habe; daran fehle es jedoch vollkommen. Substantiierter Vortrag ergebe sich auch nicht aus der Anlage F 156, die eine Aufstellung laufender oder kürzlich abgeschlossener Verfahren für das Mandat G. mit dem Zusatz enthalte, dass die abgeschlossenen Verfahren zu 100% gewonnen worden seien.
Rz. 7
III. Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist teilweise begründet. Sie führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit das Berufungsgericht hinsichtlich des Klageantrags 1 a bb sowie der darauf bezogenen Klageanträge 2 und 3 zum Nachteil des Klägers erkannt hat. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht das Gehörsrecht des Klägers aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat, indem es den gesamten Vortrag des Klägers, mit dem er unzulässiges Abrechnungsverhalten des Beklagten nach dem Ende der gemeinsamen Sozietät bei der Vertretung von Mandanten in gerichtlichen Verfahren beanstandet hat, für unsubstantiiert gehalten hat. Soweit der Kläger hierzu fünf nach dem Ende der Sozietät liegende Gerichtstermine des Beklagten benannt hat, in denen der Beklagte die Mandantin G. vertreten haben soll, ist sein Vortrag hinreichend substantiiert.
Rz. 8
1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Er ist allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Vorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung der Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen, wenn ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG festgestellt werden soll, im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfGE 65, 293, 295 [juris Rn. 11]; BVerfGE 70, 288, 293 [juris Rn. 16]; BVerfGE 86, 133, 145 f. [juris Rn. 39]; BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 2021 - 1 BvR 242/21, juris Rn. 6). Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. BVerfGE 47, 182, 189 [juris Rn. 21]; BVerfGE 86, 133, 146 [juris Rn. 39]; BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 2021 - 1 BvR 242/21, juris Rn. 6). Auch die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfGE 50, 32, 35 [juris Rn. 11]; BVerfG, Beschluss vom 25. März 2020 - 2 BvR 113/20, juris Rn. 45 mwN). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt zudem dann vor, wenn das Gericht die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2021 - I ZR 169/20, RdTW 2021, 282 Rn. 15; Beschluss vom 29. September 2021 - VII ZR 72/21, juris Rn. 9 mwN).
Rz. 9
2. Soweit sich die Nichtzulassungsbeschwerde auf Vortrag des Klägers zu Sachverhalten während des Bestehens der Sozietät beruft, scheidet eine Gehörsrechtsverletzung aus. Das Berufungsgericht hat insoweit die Aktivlegitimation des Klägers für wettbewerbsrechtliche Ansprüche mangels Mitbewerberstellung (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 aF, § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG) im Verhältnis zum Beklagten verneint und auch gesellschaftsrechtliche Ansprüche nicht für gegeben erachtet. Sollte der Kläger für diesen Zeitraum substantiiert zu Einzelvorfällen vorgetragen haben, wäre dieser Vortrag nach dem Standpunkt des Berufungsgerichts aus rechtlichen Gründen unerheblich gewesen.
Rz. 10
3. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger habe nicht substantiiert zu Vorfällen nach seinem Ausscheiden aus der Sozietät vorgetragen, verletzt ihn jedoch in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör. Das Berufungsgericht hat die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt, indem es die Benennung von fünf Gerichtsterminen für die Mandantin G., bei denen der Beklagte die vom Kläger beanstandete Abrechnungspraxis fortgesetzt haben soll, nicht für ausreichend erachtet hat. Insoweit hätte das Berufungsgericht den vom Kläger angebotenen Beweis erheben müssen.
Rz. 11
a) Die Nichtzulassungsbeschwerde macht geltend, nach dem Vortrag des Klägers habe der Beklagte mit seinen Mandanten abgesprochen, dass die Sozietät für diese Abmahnungen ausspreche und die Kosten für Testkäufe und Gerichtsgebühren vorstrecke. Sofern im Erfolgsfall Zahlungen der Gegner eingehen sollten, würden diese mit den Rechtsanwaltsgebühren mit Ausnahme der Umsatzsteuer verrechnet; im Übrigen würden die Mandanten von Kosten freigestellt. Der Kläger habe vier konkrete Verfahren der Mandantin G. bezeichnet, in denen der Beklagte nach Auflösung der Sozietät nicht abgerechnet habe, wobei die jeweiligen Verfahren nicht erfolgreich abgeschlossen gewesen seien, sondern noch anwaltliche Leistungen ausgestanden hätten.
Rz. 12
b) Mit diesem Vortrag hat der Kläger hinreichend substantiiert ein Verhalten des Beklagten beschrieben, das als Grundlage für einen Unterlassungsanspruch nach dem Klageantrag 1 a bb und den darauf bezogenen Folgeanträgen in Betracht kommt.
Rz. 13
aa) Der Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatgerichts, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2018 - I ZR 68/17, juris Rn. 16 mwN; Urteil vom 25. März 2021 - I ZR 37/20, GRUR 2021, 971 Rn. 31 = WRP 2021, 904 - myboshi; Beschluss vom 29. September 2021 - VII ZR 72/21, juris Rn. 10 mwN).
Rz. 14
Eine Partei darf auch von ihr nur vermutete Tatsachen als Behauptung in einen Rechtsstreit einführen, wenn sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen hat. Unbeachtlich ist der auf Vermutungen gestützte Sachvortrag einer Partei erst dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist allerdings Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 2013 - I ZR 180/11, VersR 2014, 219 Rn. 39; Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, ZIP 2022, 276 Rn. 22 mwN; BGH, Beschluss vom 29. September 2021 - VII ZR 72/21, juris Rn. 11 f. mwN).
Rz. 15
bb) Nach diesen Grundsätzen ist der genannte Vortrag des Klägers hinreichend substantiiert.
Rz. 16
(1) Der Kläger hat nicht nur vier, sondern fünf laufende Gerichtsverfahren unter Beteiligung der Mandantin G. bezeichnet. Diese hat der Kläger durch die Angabe des Gegners, des nach Tag und Uhrzeit konkretisierten Gerichtstermins zwischen September und November 2017, des erst- oder zweitinstanzlichen Gerichts und teilweise auch des gerichtlichen Aktenzeichens hinreichend individualisiert. Der Vortrag des Klägers ist so zu verstehen, dass der Beklagte bei der Wahrnehmung dieser Gerichtstermine - und somit nach der Beendigung der Sozietät - entstandene Terminsgebühren der Mandantin G. nicht ordnungsgemäß in Rechnung gestellt, sondern gemäß der vom Kläger dargestellten Praxis lediglich mit vom Gegner eingehenden Zahlungen verrechnet habe. Nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz fällt für die Wahrnehmung von Gerichtsterminen sowohl in der ersten Instanz als auch in der Berufungsinstanz einmalig eine Terminsgebühr an (vgl. Nr. 3104, 3202, Vorbemerkung 3 VV RVG). Betroffen ist somit die Abrechnung von Gebühren für die Tätigkeit in gerichtlichen Verfahren nach dem Unterlassungsantrag 1 a bb und den darauf bezogenen Folgeanträgen. Auf Verhalten des Beklagten nach Beendigung der Sozietät, das den Unterlassungsanträgen 1 a aa (Gebühren für die außergerichtliche Tätigkeit) und 1 b ("Drittkosten") sowie den darauf bezogenen Folgeanträgen zuzuordnen ist, erstreckt sich der Vortrag des Klägers dagegen nicht.
Rz. 17
(2) Der Kläger hat zudem die von ihm beanstandete Abrechnungspraxis des Beklagten hinreichend substantiiert dargelegt. Es handelt sich nicht um unbeachtliche Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein". Der Kläger hat sich für seinen Vortrag auf eigenes Wissen aus der Zeit des Bestehens der Sozietät gestützt und darüber hinaus behauptet, der Beklagte habe seine Abrechnungspraxis danach nicht geändert. Weitere Angaben zu fallbezogenen Absprachen des Beklagten mit der Mandantin G. können vom Kläger ebenso wenig verlangt werden wie Vortrag dazu, ob es in den genannten Fällen zu Kostenerstattungen der Gegenseite gekommen ist. Diese Umstände liegen in der Sphäre des Beklagten.
Rz. 18
(3) Das Berufungsgericht hat die Substantiierungsanforderungen an den Vortrag des Klägers überspannt, indem es gemeint hat, der Kläger habe keinen einzigen konkreten Fall benannt, in dem der Beklagte wie von ihm beanstandet verfahren sei. Daran ändert auch nichts, dass sich das Berufungsgericht mit der Anlage F 156 befasst hat, auf die sich der Kläger im Zusammenhang mit dem als übergangen gerügten Vortrag als Beweismittel bezogen hat. In dieser Anlage, einer E-Mail des Beklagten vom 30. August 2016 an M. T., sind einige der Gerichtsverfahren enthalten, die der Kläger in seinem schriftsätzlichen Vortrag aufgeführt hat. Es begegnet keinen Bedenken, dass das Berufungsgericht diese E-Mail, die der Beklagte während der Zeit des Bestehens der Sozietät verfasst hat, nicht als hinreichend substantiierten Vortrag für die Fortführung der beanstanden Abrechnungspraxis des Beklagten auch nach dem Ausscheiden des Klägers aus der Sozietät gewertet hat. Anders liegt es jedoch bei dem schriftsätzlichen Vortrag des Klägers, mit dem dieser konkrete Gerichtstermine des Beklagten aus der Zeit nach der Beendigung der Sozietät mit dem Kläger benannt hat.
Rz. 19
c) Ausgehend von der hinreichenden Substantiierung des genannten Vortrags rügt die Nichtzulassungsbeschwerde ebenfalls zu Recht, dass das Berufungsgericht die vom Kläger zum Beweis angebotenen Zeugen M. und G. T. hätte vernehmen müssen. Der Schriftsatz, in dem der Kläger die fünf Gerichtstermine benannt hat, enthält diesen Beweisantritt zwar nicht. Der Kläger hat die Zeugen aber mehrfach in anderen Schriftsätzen für die von ihm beanstandete Abrechnungspraxis mit der Mandantin G. benannt. In der Zusammenschau kann sein Vorbringen nur so verstanden werden, dass sich der Beweisantritt auf alle vorgetragenen Fälle im Verhältnis zur Mandantin G. bezieht.
Rz. 20
4. Die Gehörsrechtsverletzung ist entscheidungserheblich. Sollte sich der Vortrag des Klägers als zutreffend erweisen, kommt ein Unterlassungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten nach § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 (aF und nF), §§ 3, 3a, § 49b Abs. 1 oder Abs. 2 Satz 1 BRAO in Betracht. Gleiches gilt für die vom Kläger geltend gemachten Folgeansprüche.
Rz. 21
a) Nach § 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO ist es unzulässig, geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren oder zu fordern, als das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vorsieht, soweit dieses nichts anderes bestimmt. Im Einzelfall darf der Rechtsanwalt gemäß § 49b Abs. 1 Satz 2 BRAO besonderen Umständen in der Person des Auftraggebers, insbesondere dessen Bedürftigkeit, Rechnung tragen durch Ermäßigung oder Erlass von Gebühren oder Auslagen nach Erledigung des Auftrags. Nach § 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO sind Vereinbarungen, durch die eine Vergütung oder ihre Höhe vom Ausgang der Sache oder vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemacht wird oder nach denen der Rechtsanwalt einen Teil des erstrittenen Betrages als Honorar erhält (Erfolgshonorar), unzulässig, soweit das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nichts anderes bestimmt. Bei den genannten Vorschriften handelt es sich um Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG (zu § 49b Abs. 1 BRAO vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 2006 - I ZR 268/03, GRUR 2006, 955 Rn. 11 = WRP 2006, 1221 - Gebührenvereinbarung II; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl., § 3a Rn. 1.257; MünchKomm.UWG/Schaffert, 3. Aufl., § 3a Rn. 540; zu § 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 - I ZR 67/18, GRUR 2019, 970 Rn. 27 bis 32 = WRP 2019, 1304 - Erfolgshonorar für Versicherungsberater).
Rz. 22
b) Ob tatsächlich ein Verstoß gegen eine der Vorschriften vorliegt oder ein im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz geregelter Ausnahmetatbestand eingreift, wird das Berufungsgericht auf Grundlage des von ihm im wiedereröffneten Berufungsverfahren festgestellten Sachverhalts zu beurteilen haben. Bei der Prüfung des Unterlassungsanspruchs wird es auch zu berücksichtigen haben, dass sich die Ausnahmetatbestände durch das zum 1. Oktober 2021 in Kraft getretene Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt (BGBl. I S. 3415) geändert haben.
Rz. 23
5. Die weitergehende Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist zurückzuweisen, weil insoweit die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
Rz. 24
IV. Der Streitwert für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beträgt 70.000 €. Der Senat sieht keinen Anlass zu einer von den Tatsacheninstanzen abweichenden Festsetzung. Der Kläger hat das bereits mit seiner Gegenvorstellung gegen den Streitwertbeschluss des Berufungsgerichts erfolglos vorgebrachte Argument, aufgrund des Zeitablaufs seien die Schadensrisiken durch Dritte sichtlich gesunken, auch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nur unzureichend konkretisiert. Er hat zudem nicht erläutert, warum es ihm nicht möglich gewesen ist, bereits vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz und nicht erst nach der Verkündung des für ihn ungünstigen Berufungsurteils auf diesen Gesichtspunkt hinzuweisen (zur Maßgeblichkeit der bis zum Schluss der Berufungsverhandlung vorgebrachten Tatsachen für die Ermittlung der Beschwer vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2022 - I ZR 23/20, MMR 2021, 812 Rn. 5 und 7). Der Streitwert für den zurückgewiesenen Teil der Nichtzulassungsbeschwerde ergibt sich daraus, dass der Kläger mit zwei von drei Aspekten seines Unterlassungsbegehrens und den darauf bezogenen Folgeansprüchen unterliegt.
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Fundstellen