Entscheidungsstichwort (Thema)
Tätigkeitsangemessene Vergütung des Insolvenzverwalters. Berechnungsgrundlage für Vergütung des Insolvenzverwalters
Leitsatz (redaktionell)
Unterstellt man das Bestehen eines Ausgleichsanspruchs zugunsten des verwalteteten Vermögens aufgrund der Tatsache, dass die Schuldnerin mit einer Grundschuld die Darlehensverbindlichkeit einer anderen Gesellschaft gesichert habe, ist dieser bei der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen.
Normenkette
InsVV §§ 10, 1; BGB § 1143; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Entscheidung vom 26.09.2006; Aktenzeichen 2 T 705/06) |
LG Koblenz (Beschluss vom 26.09.2006) |
AG Mayen (Entscheidung vom 04.07.2006; Aktenzeichen 7 IN 25/05-W) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 26. September 2006 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 31 808,51 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Rz. 1
Nach einem Eigenantrag der Schuldnerin, deren Unternehmen hauptsächlich Mineralwasser herstellte und vertrieb, wurde der weitere Beteiligte (Rechtsbeschwerdeführer) mit Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgerichts – vom 11. Februar 2005 zum vorläufigen Insolvenzverwalter der Schuldnerin mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt bestellt. Er versah dieses Amt bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 2. Mai 2005. Der unter Mitwirkung des weiteren Beteiligten fortgeführte Betrieb wurde später aus der Insolvenzmasse veräußert. Im gegenwärtigen Festsetzungsverfahren beansprucht der weitere Beteiligte tätigkeitsangemessene Vergütung, die er mit seinem Antrag in der Rechtsbeschwerdeschrift auf 103 448,87 EUR einschließlich darin enthaltener Erstattung von Auslagen und Umsatzsteuer beziffert.
Rz. 2
Das Amtsgericht hat die Vergütung des weiteren Beteiligten auf 71 640,36 EUR einschließlich Erstattung von Auslagen und Umsatzsteuern festgesetzt. Dabei hat es das verwaltete Vermögen während des Insolvenzeröffnungsverfahrens auf 2 970 281 EUR bewertet und zur Regelvergütung Zuschläge von zusammen 45 v.H. gewährt. Die gegen die niedriger als beansprucht angenommene Berechnungsgrundlage und die Halbierung der beantragten Zuschläge gerichtete sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten ist erfolglos geblieben.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 3
Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 6, 7, 64 Abs. 3 InsO) Rechtsbeschwerde ist teilweise zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO) und in diesem Umfang auch begründet. Da die Frage, ob die Vergütung auf geänderter Berechnungsgrundlage neu bemessen werden muss, nach dem festgestellten Sachverhältnis nicht spruchreif ist, kann der Senat die amtsgerichtliche Festsetzung nicht abändern, sondern hat die Beschwerdeentscheidung gemäß § 577 Abs. 4 ZPO aufzuheben und die Sache zurückzuweisen.
Rz. 4
1. Das Beschwerdegericht hat entscheidungserhebliches Vorbringen des weiteren Beteiligten zur Berechnungsgrundlage seiner Vergütung übergangen und dadurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Dieser Gehörsverstoß führt entsprechend § 544 Abs. 7 ZPO zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde, soweit sie sich gegen die hierauf beruhende Feststellung der Berechnungsgrundlage wendet.
Rz. 5
a) Die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des weiteren Beteiligten ist nach der insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung in der Fassung vom 4. Oktober 2004 zu ermitteln; die Änderungen aufgrund der Verordnung vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3389) sind nicht anzuwenden (vgl. BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2008 – IX ZB 35/05, ZIP 2008, 2323, 2324 Rn. 7 bis 9).
Rz. 6
b) Das Beschwerdegericht hat auf dieser Rechtsgrundlage nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zutreffend den Betrag der auf dem Grundbesitz der Schuldnerin ruhenden Grundschuld der Kreissparkasse von noch 300 000 EUR gemäß §§ 10, 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 InsVV von dem Wert der unbelasteten Grundstücke abgezogen (vgl. BGHZ 165, 266, 274; 168, 321, 324 ff). Für diesen Fall hat sich der weitere Beteiligte hilfsweise darauf berufen, dass dann zugunsten des verwalteten Vermögens ein Ausgleichsanspruch berücksichtigt werden müsse, weil die Schuldnerin mit der Grundschuld die Darlehensverbindlichkeit einer anderen Gesellschaft gesichert habe. Unterstellt man das Bestehen eines solchen Ausgleichsanspruchs, ist er bei der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen. Er ist dann Bestandteil des Schuldnervermögens im Sinne von §§ 1, 10 InsVV. Seine Höhe entspricht dem Betrag des Absonderungsrechts. Auf die Frage seiner Werthaltigkeit kommt es zumindest im vorliegenden Fall nicht an, weil nach dem Vortrag des weiteren Beteiligten, der von niemandem in Zweifel gezogen wurde, die gesicherte Forderung von deren Schuldner regelmäßig bedient wird.
Rz. 7
Das Vorbringen des weiteren Beteiligten genügt allerdings nicht, um das Bestehen eines solchen Ausgleichsanspruchs schlüssig darzulegen; denn § 1143 BGB ist bei der Sicherungsgrundschuld nicht entsprechend anwendbar (BGHZ 105, 154, 157 f). Außerdem ist die Sicherungsnehmerin von der Schuldnerin nicht befriedigt, sondern unter Verzicht auf die Grundschuld nur anderweitig gesichert worden. Der weitere Beteiligte hätte demzufolge zum Inhalt der Sicherungsvereinbarung mit der Kreissparkasse oder zu dem Rechtsverhältnis der Insolvenzschuldnerin zu der persönlichen Schuldnerin des gesicherten Darlehens Näheres vortragen müssen. Dazu hat der weitere Beteiligte jedoch auf Seite 4 seines Schriftsatzes vom 21. September 2006 ausdrücklich einen entsprechenden Hinweis erbeten. Diesen Hinweis hat das Beschwerdegericht unterlassen. Da nicht erkennbar ist, dass das Beschwerdegericht das Hilfsvorbringen des weiteren Beteiligten für unerheblich gehalten hat, und da es dies ohne Verletzung der §§ 10, 1 Abs. 1 InsVV auch nicht hätte tun können, hat sein Verfahren den Anspruch des weiteren Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Nach gebotenem Hinweis durch die Rechtsbeschwerdeentscheidung hat der weitere Beteiligte Gelegenheit, im zweiten Beschwerdedurchgang zu Grund und Höhe eines Ausgleichsanspruchs der Schuldnerin als Teil des Vermögens, welches er während des Eröffnungsverfahrens verwaltet hat, weiter vorzutragen.
Rz. 8
2. Die weiteren Angriffe der Rechtsbeschwerde genügen den Zulässigkeitsanforderungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht.
Rz. 9
a) Das Beschwerdegericht ist nicht von dem Grundsatz der Senatsrechtsprechung abgewichen, die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters aus sich selbst heraus zu bewerten, so dass es für die Bemessung seiner Vergütung nicht auf Umstände ankommt, die sich erst nach Beendigung des Eröffnungsverfahrens ergeben haben (vgl. BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005 – IX ZB 256/04, WM 2006, 530, 534 unter 3., in BGHZ 165, 266 insoweit nicht abgedruckt; Beschl. v. 12. Januar 2006 – IX ZB 127/04, NZI 2006, 235, 236; v. 1. März 2007 – IX ZB 278/05, ZInsO 2007, 370, 371 Rn. 5). Das Beschwerdegericht hat angenommen, der spätere Veräußerungspreis des Grundbesitzes sei hier auch für den Bewertungsstichtag der Beendigung des Eröffnungsverfahrens zutreffend gewesen. Anders als in dem von der Rechtsbeschwerde herangezogenen Entscheidungssachverhalt ging es somit nicht um nach der Verfahrenseröffnung eingetretene Wertverluste oder Wertsteigerungen, denen eine Vorwirkung auf das Eröffnungsverfahren abzusprechen ist.
Rz. 10
Auch die vom Rechtsbeschwerdeführer ergänzend erhobene Gehörsrüge mit dem Hinweis auf angeblich übergangenes Vorbringen zur Haltung der Gläubigerversammlung erschüttert die tatrichterliche Grundstücksbewertung nicht. Einen Sinneswandel der Gläubiger in der Frage der zukünftigen Betriebsfortführung nach Verfahrenseröffnung hat der weitere Beteiligte nicht behauptet; er ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Grundstücke der Schuldnerin waren mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Flächen betrieblich geprägt. Das Beschwerdegericht musste nicht mit der Möglichkeit rechnen, dass eine Verwertung des Grundbesitzes ohne eine Betriebsfortführung oder – im Falle einer Betriebsaufspaltung – außerhalb einer solchen einen deutlich besseren Erlös versprochen hätte (Sachverständigengutachten des weiteren Beteiligten vom 26. April 2005 Seite 21 Mitte). Im Übrigen durfte es seiner Bewertung den Fall einer Betriebsfortführung durch den Erwerber schon deshalb zugrunde legen, weil auch der weitere Beteiligte eine solche Lösung während des Eröffnungsverfahrens angestrebt hatte, freilich mit der Einschränkung, dass eine dauerhafte Verbesserung der Ertragslage eine Modernisierung der Produktionsanlagen voraussetze, wofür bisher ein investitionsbereiter Erwerber fehle (Seite 14 und 17 des Sachverständigengutachtens vom 26. April 2005).
Rz. 11
b) Die Zuschlagsgewährung durch das Beschwerdegericht steht nicht im Widerspruch zu dem Rechtssatz des Senates, dass für erschwerende Umstände, welche die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters in gleicher Weise belasten wie die des Insolvenzverwalters, Zuschläge zum Regelsatz der Vergütung, die deswegen beansprucht werden können, grundsätzlich mit dem gleichen Hundertsatz zu bemessen sind (vgl. BGH, Beschl. v. 4. November 2004 – IX ZB 52/04, ZIP 2004, 2448, 2449; v. 1. März 2007 – IX ZB 277/05, n.v. Rn. 12), falls auch die sonstigen Umstände vergleichbar sind. Das Beschwerdegericht hat seiner Entscheidung nicht erkennbar die im Gegensatz zur Senatsrechtsprechung zwischen dem Insolvenzverwalter und dem vorläufigen Insolvenzverwalter differenzierende Faustregeltabelle für Zuschläge von Haarmeyer/Wutzke/Förster (InsVV 4. Aufl. § 3 Rn. 78) zugrunde gelegt. Es hat insbesondere auch nicht zum Ausdruck gebracht, dass es für die Betriebsfortführung des weiteren Beteiligten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen nicht nur wegen der Zeitdauer höheren Zuschlag gewährt haben würde.
Fundstellen
NZI 2010, 13 |
NZI 2010, 227 |
ZInsO 2010, 350 |