Leitsatz (amtlich)
Enthält ein Urteil keinen Ausspruch über die Zulassung der Berufung, kann dieser im Wege eines Berichtigungsbeschlusses nachgeholt werden, wenn das Gericht die Berufung im Urteil zulassen wollte und dies nur versehentlich unterblieben ist. Dieses Versehen muss nach außen hervorgetreten und selbst für Dritte ohne weiteres deutlich sein (vgl. BGH v. 8.7.1980 - VI ZR 176/78, BGHZ 78, 22 = MDR 1981, 41).
Normenkette
ZPO §§ 319, 511
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Kläger hat die Beklagten auf Grund eines Verkehrsunfalls auf Schadensersatz i. H. v. 733,35 DM (374,96 EUR in Anspruch genommen. Sein Prozessbevollmächtigter hat in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem AG am 30.6.2003 die Zulassung der Berufung angeregt. Mit Urteil v. 26.9.2003 hat das AG der Klage nur i. H. v. 31,83 EUR stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Es hat gem. § 313a ZPO von der Darlegung des Tatbestandes abgesehen und die Begründung der Nebenentscheidungen u. a. auf § 713 ZPO gestützt. Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 1.10.2003 zugestellt worden. Mit einem am 13.10.2003 eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger gem. § 321a ZPO die Fortführung des Rechtsstreits beantragt. Darüber hinaus hat er den Richter am AG wegen Befangenheit abgelehnt und erklärt, dass er beide Anträge zurücknehmen werde, wenn die Berufung durch eine Urteilsberichtigung gem. § 319 ZPO zugelassen werde. Mit Beschluß v. 10.11.2003 hat das AG die Berufung zugelassen. Am 19.11.2003 hat der Kläger Berufung eingelegt und diese mit einem am 13.1.2004 eingegangenen Schriftsatz begründet. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das LG die Berufung als unzulässig verworfen. Der Beschluss ist dem Kläger am 3.2.2004 zugestellt worden. Er hat am 2.3.2004 Rechtsbeschwerde eingelegt, am 5.3.2004 Prozesskostenhilfe beantragt und darum gebeten, über diesen Antrag vorab zu entscheiden.
II.
Der Prozesskostenhilfeantrag des Klägers ist unbegründet. Die Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 522 Abs. 1 S. 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BGH nicht erfordern. Die Rechtsfragen, die der Streitfall aufwirft, sind höchstrichterlich geklärt.
1. Der angefochtene Beschluss ist allerdings insoweit rechtsfehlerhaft, als das Beschwerdegericht angenommen hat, die Berufungsfrist hätte auch dann am 29.9.2003 zu laufen begonnen, wenn von einem Berichtigungsbeschluss des AG i. S. d. § 319 ZPO auszugehen wäre. Das Beschwerdegericht verkennt, dass von dem Grundsatz, wonach die Berichtigung eines Urteils gem. § 319 ZPO auf den Beginn und den Lauf von Rechtsmittelfristen keinen Einfluss hat, eine Ausnahme u. a. auch dann gilt, wenn die Partei erst durch die Berichtigung davon Kenntnis erlangt, dass das Rechtsmittel ausdrücklich zugelassen ist (BGH, Urt. v. 7.11.2003 - V ZR 65/03 , MDR 2004, 391 = BGHReport 2004, 286). Die Voraussetzungen dieses Ausnahmefalls sind hier gegeben, da die Berufung nicht im Urteil, sondern erst mit dem nachfolgenden Beschluss zugelassen worden ist.
2. Der angefochtene Beschluss beruht jedoch nicht auf diesem Rechtsfehler. Das Beschwerdegericht hat die Berufung im Ergebnis zu Recht als unzulässig verworfen. Die Zulassung der Berufung in dem Beschluß v. 10.11.2003 ist nämlich unwirksam. Gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist die Entscheidung über die Zulassung der Berufung im Urteil zu treffen. Das ist hier nicht geschehen. Eine im Urteil übersehene Zulassung des Rechtsmittels kann zwar gem. § 319 Abs. 1 ZPO im Wege eines Berichtigungsbeschlusses nachgeholt werden. Voraussetzung dafür ist aber, dass das Gericht das Rechtsmittel im Urteil zulassen wollte und der entsprechende Ausspruch nur versehentlich unterblieben ist. Das Versehen muss, weil Berichtigungen nach dieser Vorschrift auch von einem Richter beschlossen werden können, der an der fraglichen Entscheidung nicht mitgewirkt hat, selbst für Dritte ohne weiteres deutlich sein. Ist dies nicht der Fall, hat ein auf § 319 ZPO gestützter Berichtigungsbeschluss keine bindende Wirkung. Dies ist für die Frage der Revisionszulassung geklärt (vgl. u. a. BGH v. 8.7.1980 - VI ZR 176/78, BGHZ 78, 22 = MDR 1981, 41 m. w. N.), inzwischen auch für den Fall der Zulassung der Rechtsbeschwerde entschieden (BGH, Beschl. v. 24.11.2003 - II ZB 37/02, MDR 2004, 465 = BGHReport 2004, 477 [478]) und bedarf für den gleich gelagerten Fall der Zulassung der Berufung (vgl. LG Mainz v. 17.7.2002 - 3 S 135/02, NJW-RR 2002, 1654) keiner gesonderten höchstrichterlichen Entscheidung.
3. Der Beschluss des AG v. 10.11.2003 ist kein Beschluss i. S. v. § 319 ZPO. Abgesehen davon, dass er weder als Berichtigungsbeschluss bezeichnet ist noch in dem Beschluss von einer offensichtlichen Unrichtigkeit des Urteils oder von einer Berichtigung die Rede ist, fehlt es auch an den Voraussetzungen von § 319 Abs. 1 ZPO. Das Urteil des AG ist nämlich nicht offensichtlich unrichtig. Dem Urteil ist vielmehr zu entnehmen, dass das Gericht die Berufung seinerzeit nicht zulassen wollte. Die ausdrückliche Bezugnahme auf § 313a ZPO und die u. a. auf § 713 ZPO gestützten Nebenentscheidungen machen deutlich, dass das Gericht davon ausging, gegen dieses Urteil sei ein Rechtsmittel nicht gegeben. Bei dieser Sachlage bleibt die nachträglich durch Beschluss erfolgte Zulassung der Berufung ohne Wirkung.
Fundstellen
Haufe-Index 1167222 |
BB 2004, 1415 |
NJW 2004, 2389 |
BGHR 2004, 1258 |
FamRZ 2004, 1278 |
JurBüro 2004, 678 |
DAR 2004, 523 |
MDR 2004, 1073 |
VersR 2004, 1625 |
GuT 2004, 133 |
SVR 2004, 423 |