Verfahrensgang
OLG Hamburg (Entscheidung vom 28.02.2022; Aktenzeichen 10 U 13/21) |
LG Hamburg (Entscheidung vom 17.06.2021; Aktenzeichen 332 O 185/20) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 10. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 28. Februar 2022 wird zurückgewiesen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Dabei hat der Senat die Erfolgsaussichten einer Revision geprüft und verneint (BVerfGK 6, 79, 81 ff.; 18, 105, 111 f.; 19, 467, 475).
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis 22.000 €.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Kläger erklärte am 14. August 2010 seinen Beitritt als Treugeber für eine von der Beklagten zu 2 als Treuhänderin gehaltene Kommanditbeteiligung an der N. GmbH & Co. KG. Die Beteiligungssumme betrug 20.000 € zzgl. eines Agios in Höhe von 1.000 €. Die Beklagten waren Gründungsgesellschafterinnen. Die Beklagte zu 1 war zudem Herausgeberin des am 19. März 2010 aufgestellten Prospekts.
Rz. 2
Der Kläger ist der Ansicht, dass der Prospekt fehlerhaft ist, und hat die Beklagten unter anderem auf Zahlung von 20.030 € Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus dem Treuhandvertrag mit der Beklagten zu 2 in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da die spezialgesetzlichen Ansprüche verjährt seien und daneben eine Haftung der Beklagten unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung des unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung ausgeschlossen sei.
Rz. 3
Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers, die sich nur gegen die Beklagte zu 2 richtete, durch Urteil zurückgewiesen. Zur Begründung hat es - soweit im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren noch von Interesse - ausgeführt, dass das Landgericht sich entgegen der Ansicht des Klägers sehr wohl hinreichend mit der Frage auseinandergesetzt habe, ob die Beklagte zu 2 als Prospektverantwortliche im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF anzusehen sei, und dass das Landgericht dies auch zutreffend bejaht habe. Auch soweit der Kläger sich gegen den vom Bundesgerichtshof im Beschluss vom 19. Januar 2021 (XI ZB 35/18) befürworteten Vorrang der spezialgesetzlichen Prospekthaftung gegenüber der Prospekthaftung im weiteren Sinne wende, bleibe die Berufung des Klägers ohne Erfolg. Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung auf Entscheidungen des II. und III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs verweise, sei die dort zugrunde gelegte Differenzierung zwischen einer "allgemeinen" selbständigen Aufklärungspflicht und der Haftung für die Verwendung fehlerhafter Prospekte im Lichte der neueren Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs als weniger überzeugend anzusehen. Gehe man davon aus, dass (auch) die Prospekthaftung im weiteren Sinne an eine Aufklärungspflicht der Gründungsgesellschafter anknüpfe und diese ihrer Pflicht unter anderem mit Hilfe eines Prospekts genügen könnten, sei der Anknüpfungspunkt beider Normengefüge - der Prospekthaftung im weiteren Sinne einerseits und der spezialgesetzlich geregelten Prospekthaftung andererseits - identisch. Soweit sich daher der persönliche und sachliche Anwendungsbereich beider Haftungsnormen deckten, spreche dies dafür, mit dem XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs von einem Vorrang der die Prospektverwendung ausdrücklich aufgreifenden spezialgesetzlichen Normen auszugehen.
Rz. 4
Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers.
II.
Rz. 5
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zurückzuweisen.
Rz. 6
Die spezialgesetzliche Prospekthaftung gemäß den § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) schließt in ihrem Anwendungsbereich eine Haftung der Gründungsgesellschafter als Prospektveranlasser unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB aus (Senatsbeschlüsse vom 19. Januar 2021 - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 22 ff., vom 14. Juni 2022 - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 7 f. in der Fassung des Beschlusses vom 5. September 2022, WM 2022, 1908, vom 26. Juli 2022 - XI ZB 23/20, WM 2022, 2137 Rn. 50 ff. und vom 13. Dezember 2022 - XI ZB 10/21, WM 2023, 245 Rn. 12 ff., jeweils mwN). Der Senat hat nach Eingang der Nichtzulassungsbeschwerde entschieden, dass dies auch für eine Haftung eines Gründungsgesellschafters als Treuhandkommanditist unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB gilt (Senatsbeschlüsse vom 20. September 2022 - XI ZB 34/19, WM 2022, 2371 Rn. 59 ff., vom 22. November 2022 - XI ZB 28/21, WM 2023, 174 Rn. 21 ff. und vom 13. Dezember 2022 - XI ZB 10/21, WM 2023, 245 Rn. 24).
Rz. 7
Allerdings kann ein Gründungsgesellschafter Anlegern aus anderen Gründen als durch Verwenden einer Kapitalmarktinformation als Mittel der schriftlichen Aufklärung - etwa wegen unrichtiger mündlicher Zusicherungen - nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB (und gegebenenfalls § 278 BGB) haften. Insoweit schließt die spezialgesetzliche Prospekthaftung eine Haftung aus c.i.c. nicht aus (Senatsbeschlüsse vom 27. April 2021 - XI ZB 35/18, BKR 2021, 774 Rn. 8 und vom 14. Juni 2022 - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 16 in der Fassung des Beschlusses vom 5. September 2022, WM 2022, 1908). Eine Haftung eines Gründungsgesellschafters nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB neben der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF kommt auch dann in Betracht, wenn der Gründungsgesellschafter dadurch einen zusätzlichen Vertrauenstatbestand setzt, dass er entweder selbst den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernimmt oder in sonstiger Weise für den von einem anderen übernommenen Vertrieb Verantwortung trägt. Vertriebsverantwortung tragen danach, soweit der Vertriebsauftrag von der Fondsgesellschaft erteilt wurde, die geschäftsführungsbefugten Altgesellschafter. Eine personelle Verflechtung mit der Vertriebsgesellschaft begründet keine Verantwortung für den Vertrieb (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 2023 - II ZR 57/21 zur Neuausrichtung der nach der bisherigen Rechtsprechung des II. Zivilsenats bestehenden allgemeinen Aufklärungspflichten der Altgesellschafter).
Rz. 8
Die Beklagte zu 2 trägt keine Vertriebsverantwortung, da nach dem Prospekt die N. E. GmbH & Cie. KG den Vertrieb übernommen hat und der Beklagten zu 2 auch keine Geschäftsführungsbefugnis zukommt.
Rz. 9
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
Ellenberger |
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Matthias |
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Schild von Spannenberg |
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Sturm |
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Ettl |
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Fundstellen
Haufe-Index 15782887 |
AG 2023, 585 |
VuR 2023, 380 |
BKR 2023, 718 |