Verfahrensgang
LG Münster (Beschluss vom 21.12.2018; Aktenzeichen 5 T 223/18) |
AG Coesfeld (Beschluss vom 12.03.2018; Aktenzeichen 9 XVII 220/92) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 2) wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Münster vom 21.12.2018 aufgehoben.
Die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des AG Coesfeld vom 12.3.2018 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsmittelverfahren sind gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Wert: 4.620 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Für die Betroffene ist eine Betreuung eingerichtet, die durch die Beteiligte zu 1) berufsmäßig geführt wird. Die Betreuerin erhielt für ihre in der Zeit vom 14.10.2015 bis 13.7.2017 entfaltete Tätigkeit eine Vergütung i.H.v. 4.620 EUR aus der Staatskasse ausgezahlt. Die Betroffene, die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (§§ 53 ff. SGB XII) bezieht, verfügt aufgrund einer im Juli 2017 erhaltenen Gegenleistung für die Löschung eines zu ihren Gunsten eingetragenen Wohnrechts über ein Bankguthaben i.H.v. rund 13.000 EUR.
Rz. 2
Das AG hat, unter Berücksichtigung eines Schonbetrags von 5.000 EUR, die ausgezahlte Betreuervergütung von 4.620 EUR von der Betroffenen zurückgefordert und angeordnet, dass die Betroffene den Betrag an die Landeskasse zu erstatten habe. Auf die Beschwerde der Betroffenen hat das LG den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Landeskasse.
II.
Rz. 3
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückweisung der Beschwerde der Betroffenen.
Rz. 4
1. Das LG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Staatskasse könne die Betroffene nicht in Regress nehmen, da diese auch nach Erhalt der 13.000 EUR noch mittellos im Sinne des Betreuungsrechts sei. Für die Rückforderung von Betreuervergütungen hätten schon nach früherem Recht die erhöhten Schonvermögen für die Hilfe in besonderen Lebenslagen gegolten. Infolge des neu eingeführten § 60a SGB XII gelte seit dem 1.1.2017 ein erhöhtes Schonvermögen von 25.000 EUR für den Bezug von Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen. Durch diese Regelung habe die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen verbessert werden sollen. Sie werde unterlaufen, wenn sie beim Regress der Betreuervergütung nicht ebenfalls anzuwenden sei.
Rz. 5
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 6
a) Die Beteiligte zu 1) hat als Berufsbetreuerin einen Anspruch auf Vergütung ihrer Amtsführung gem. §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 VBVG. Schuldner des Vergütungsanspruchs ist grundsätzlich der Betreute. Die zu bewilligende Vergütung ist aber nach § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG aus der Staatskasse zu zahlen, wenn der Betreute mittellos ist. Mit der Leistungserbringung durch die Staatskasse gehen die Vergütungsansprüche gem. § 1836e Abs. 1 Satz 1 BGB auf diese über und können im Wege des Regresses gegen den Betreuten geltend gemacht werden. Der Betreute ist damit grundsätzlich zur Rückzahlung der Betreuervergütung verpflichtet. Ob und inwieweit die Staatskasse ihn dann aus der übergegangenen Forderung in Anspruch nehmen kann, hängt davon ab, ob der Betreute leistungsfähig oder mittellos ist. Ein zur Zeit der Betreuertätigkeit mittelloser Betreuter muss also - vorbehaltlich eingetretener Verjährung - auch etwaige später verfügbare Mittel für die Kosten der Betreuung einsetzen (BGH, Beschl. v. 9.1.2013 - XII ZB 478/11, FamRZ 2013, 440 Rz. 10 ff.).
Rz. 7
Der Betreute gilt nach §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1836d Nr. 1 BGB als mittellos, wenn er die Vergütung aus seinem einzusetzenden Einkommen oder Vermögen nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Die Inanspruchnahme des Betreuten ist dabei auf die gem. § 1836c BGB einzusetzenden Mittel begrenzt. Sein Vermögen hat der Betreute gem. § 1836c Nr. 2 BGB nach Maßgabe des § 90 SGB XII für die Betreuervergütung aufzubringen.
Rz. 8
b) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Beschwerdegericht erkannt, dass der Betroffenen nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII (BGBl. I 2017, 519) ein Schonbetrag i.H.v. derzeit 5.000 EUR zusteht, so dass sich ihr für die Betreuervergütung einzusetzendes Vermögen auf rund 8.000 EUR beläuft.
Rz. 9
Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Ansicht des Beschwerdegerichts, der Betroffenen sei angesichts der Einführung des § 60a SGB XII ein zusätzlicher Freibetrag von weiteren 25.000 EUR zuzubilligen. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, hat § 60a SGB XII auf die Ermittlung des für die Betreuervergütung einzusetzenden Vermögens keinen Einfluss (BGH, Beschl. v. 20.3.2019 - XII ZB 290/18, FamRZ 2019, 1006 Rz. 17 ff. m.w.N.).
Rz. 10
3. Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist daher aufzuheben und die amtsgerichtliche Entscheidung wiederherzustellen. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden, da keine weiteren Feststellungen mehr zu treffen sind und die Sache zur Endentscheidung reif ist, § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG.
Rz. 11
Da das Vermögen der Betroffenen den Freibetrag nach § 1836c BGB i.V.m. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII von derzeit 5.000 EUR um rund 8.000 EUR übersteigt, hat sie die für den Zeitraum vom 14.10.2015 bis 13.7.2017 von der Staatskasse angewiesenen Betreuervergütungen i.H.v. 4.620 EUR zu erstatten. Gründe dafür, dass der Einsatz des Vermögens der Betroffenen für diese eine besondere Härte i.S.v. § 90 Abs. 3 SGB XII darstellen würde, liegen - wie schon das AG zutreffend erkannt hat - nicht vor.
Fundstellen
Dokument-Index HI13489330 |