Entscheidungsstichwort (Thema)
Patent 36 44 699
Leitsatz (amtlich)
Das Bundesministerium der Verteidigung ist auch dann zur Rechtsbeschwerde berechtigt, wenn die angegriffene Aufhebung der Geheimhaltungsanordnung seinem eigenen Willen entsprach.
Normenkette
PatG 1981 § 101
Verfahrensgang
BPatG (Aktenzeichen 5 W (pat) 603/97) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Bundesministeriums der Verteidigung gegen den Beschluß des 5. Senats (Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 27. Januar 1998 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Das Deutsche Patentamt hatte zu dem Patent 36 44 699 angeordnet, daß jede Veröffentlichung unterbleibt, da der unter Schutz gestellte Gegenstand ein Staatsgeheimnis im Sinne des § 93 StGB ist. Nachdem das Bundesministerium der Verteidigung erklärt hatte, daß der Gegenstand nicht mehr als Staatsgeheimnis bewertet werde, hat das Deutsche Patentamt mit Beschluß vom 24. Juni 1997 die Anordnung aufgehoben. Der Patentinhaber hat hiergegen Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, der Gegenstand des Patents sei weiterhin als Staatsgeheimnis anzusehen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat sich in seiner Stellungnahme hierzu der Auffassung des Patentinhabers angeschlossen. Eine eingehende Überprüfung habe zu dem Ergebnis geführt, daß die materiellen Gründe für die Geheimstellung des Patents fortbestünden.
Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen.
Mit seiner Rechtsbeschwerde beantragt das Bundesministerium der Verteidigung, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft. Sie richtet sich gegen einen Beschluß des Bundespatentgerichts, durch den über eine Beschwerde nach § 73 PatG entschieden worden ist. Das Bundesministerium der Verteidigung ist aufgrund seiner Verfahrensbeteiligung als Anhörungs- und Antragsberechtigter nach § 50 Abs. 1 und 2 PatG zur Rechtsbeschwerde berechtigt. Dies gilt auch dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Aufhebung der Geheimhaltungsanordnung seinem damaligen Willen entsprach (Benkard/Schäfers, Patentgesetz Gebrauchsmustergesetz, 9. Aufl., § 50 PatG Rdn. 22; § 74 PatG Rdn. 5; Benkard/Rogge, aaO, § 101 PatG Rdn. 1).
2. Die Rechtsbeschwerde ist zwar zulässig, weil das Bundesministerium der Verteidigung rügt, der angefochtene Beschluß des Bundespatentgerichts sei nicht mit Gründen versehen (§ 100 Abs. 3 Nr. 5 PatG). Sie ist jedoch nicht begründet, weil der gerügte Mangel nicht vorliegt.
a) Das Bundespatentgericht hat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats (BGH, Beschl. v. 13.7.1971 - X ZB 1/70, BlPMZ 1972, 30 = GRUR 1972, 535, 536 - Aufhebung der Geheimhaltung) die Beschwerde des Patentinhabers gegen die Aufhebung der Geheimhaltungsanordnung mit der Begründung als unzulässig verworfen, daß dieser zwar durch die Anordnung der Geheimhaltung, nicht aber durch deren Aufhebung in seinen Rechten beeinträchtigt werde und er daher durch den Beschluß des Deutschen Patentamts nicht beschwert sei.
b) Die Rechtsbeschwerde beanstandet, das Bundespatentgericht habe auch gegenüber dem antragsberechtigten und am Verfahren beteiligten Bundesministerium der Verteidigung eine Begründung zu der Frage geben müssen, ob der Schutzrechtsgegenstand ein Staatsgeheimnis im Sinne des § 93 StGB darstellt und ob die Aufhebung der Geheimhaltungsanordnung daher aufzuheben ist. Das Bundesministerium habe sich am Verfahren beteiligt und das Vorliegen eines geheimzuhaltenden Staatsgeheimnisses ausführlich dargelegt und begründet.
Der Rechtsbeschwerdeführer rügt damit nicht das Fehlen jeglicher Begründung, sondern eine Unvollständigkeit der Begründung. Einen Begründungsmangel im Sinne des § 100 Abs. 3 Nr. 5 PatG zeigt er damit jedoch nicht auf. Unvollständigkeit in der Begründung stellt einen Begründungsmangel dar, wenn die vorhandenen Gründe ganz unverständlich, verworren oder in sich widersprüchlich sind oder wenn sie sich auf leere Redensarten oder die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes beschränken, so daß sie nicht erkennen lassen, welche tatsächlichen Feststellungen und welche rechtlichen Erwägungen für die getroffene Entscheidung maßgebend waren (st. Rspr.: u.a. Sen.Beschl. v. 2.3.1993 - X ZB 14/92, GRUR 1993, 655, 656 - Rohrausformer), oder wenn von mehreren geltend gemachten ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel, das selbständigen Charakter hat und deshalb in den Gründen auch zu bescheiden ist, bei der Begründung übergangen ist (st. Rspr., Sen.Beschl. v. 26.9.1996 - X ZB 18/95, GRUR 1997, 120, 122 - elektrisches Speicherheizgerät; Sen.Beschl. v. 22.4.1998 - X ZB 5/97, GRUR 1998, 907 - Alkyläther). Immer müssen die Mängel Gründe betreffen, die zur Begründung der Entscheidung erforderlich gewesen wären. Da das Bundespatentgericht die Beschwerde des Patentinhabers mangels Beschwer als unzulässig verworfen hat, bedurfte es keiner Ausführungen zu der Frage, ob der Gegenstand des Patents ein Staatsgeheimnis im Sinne des § 93 StGB darstellt. Erwägungen hierzu betrafen nicht den Gegenstand der Entscheidung über die Beschwerde und waren daher überflüssig.
c) Die Rechtsbeschwerde kann auch nicht durchdringen, soweit sie geltend macht, das Bundespatentgericht habe die Frage sachlich prüfen und durch einen mit Gründen versehenen Beschluß entscheiden müssen, ob der Schutzgegenstand ein Staatsgeheimnis ist. Gegenüber dem Bundesministerium der Verteidigung sei das Bundespatentgericht hierzu jedenfalls deshalb verpflichtet gewesen, weil das Bundesministerium als die zuständige oberste Bundesbehörde das öffentliche Interesse wahrnehme, dieses die Geheimhaltung eines Staatsgeheimnisses umfasse, das zum Gegenstand einer Schutzrechtsanmeldung gemacht werde, und weil das Bundesministerium am Beschwerdeverfahren beteiligt gewesen sei. Das wahrzunehmende öffentliche Interesse werde verletzt, wenn beim Vorliegen eines Staatsgeheimnisses entgegen dem Antrag des Bundesministeriums eine Geheimhaltungsanordnung aufgehoben werde.
Das Bundesministerium war zwar an dem Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht beteiligt. Es hat auch zur Sache vorgetragen und dargelegt, daß der Gegenstand des Patents ein Staatsgeheimnis im Sinne des § 93 StGB darstellt. Das Bundesministerium hat aber den von ihm selbst veranlaßten Aufhebungsbeschluß des Deutschen Patentamts vom 24. Juni 1997 nicht mit der Beschwerde angefochten, wozu es in Wahrnehmung des öffentlichen Interesses befugt gewesen wäre (Benkard/Schäfers, aaO, § 50 PatG Rdn. 22). Die Ausführungen des Bundesministeriums dienten daher nicht der Begründung einer eigenen Beschwerde und bedurften insoweit keiner Bescheidung; sie stellten aber auch nicht den Tatbestand in Frage, daß die Beschwerde des Patentinhabers mangels Beschwer als unzulässig und damit unabhängig von der materiellen Frage der Geheimhaltungsbedürftigkeit und ohne deren Prüfung zurückzuweisen war. Die Ausführungen des Bundesministeriums zur Geheimhaltungsbedürftigkeit waren daher insgesamt für die Entscheidung im Beschwerdeverfahren nicht mehr erheblich; weitere Ausführungen dazu waren überflüssig (vgl. Benkard/Rogge, aaO, § 100 PatG Rdn. 24).
d) Die Rechtsbeschwerde wird auch nicht dadurch eröffnet, daß Staatsgeheimnisse stets zu wahren sind. Die Geheimhaltungsbestimmungen des Patentgesetzes (§§ 50 ff. PatG) gehen von der Strafdrohung der §§ 93 ff. StGB aus und verfolgen die öffentlichen Belange zum Schutze von Geheimnissen, deren Verbreitung den Staat gefährden kann. Demgemäß sieht § 50 PatG ein Verfahren vor der Prüfungsstelle des Patentamts vor, das von dem normalen Patenterteilungsverfahren insbesondere dadurch abweicht, daß jede Veröffentlichung des angemeldeten Erfindungsgedankens unterbleibt. Der Gesetzgeber geht davon aus, daß durch die Anordnung der Geheimhaltung der Anmelder bzw. Patentinhaber in seinen Rechten beeinträchtigt wird, daß aber das öffentliche Interesse eine solche Beeinträchtigung rechtfertigt. Die Anordnung der Geheimhaltung durch die Prüfungsstelle hat nur deklaratorische Bedeutung (Sen.Beschl. v. 4.5.1972 - X ZB 6/69, GRUR 1973, 141, 142 - Kernenergie). Deshalb hat zwar die Prüfungsstelle des Patentamts nach Anhörung des Bundesministeriums der Verteidigung als oberster zuständiger Bundesbehörde von Amts wegen zu prüfen, ob Gegenstand der Erfindung ein Staatsgeheimnis ist. Auch kann die Bundesbehörde den Erlaß der Anordnung beantragen (§ 50 Abs. 1 S. 3 PatG) und bei Ablehnung im gerichtlichen Verfahren durchsetzen. Hat die Bundesbehörde von ihrem Antrags- und Beschwerderecht in dem dafür vorgesehenen Verfahren aber keinen Gebrauch gemacht, so kann sie dies nicht im Rechtsbeschwerdeverfahren nachholen. Es bleibt ihr jedoch unbenommen, unabhängig von dem anhängigen Rechtsmittelverfahren erneut eine Anordnung nach § 50 Abs. 1 PatG zu beantragen. Rechtskraftüberlegungen stehen dem nicht entgegen. Das Patentamt wird nach Rückkehr der Akten vor weiteren Maßnahmen zu prüfen haben, ob nicht bereits die Stellungnahme des Bundesministeriums für Verteidigung im Beschwerdeverfahren ausreichenden Anlaß zur erneuten Prüfung einer Anordnung nach § 50 Abs. 1 PatG gibt.
Unterschriften
Rogge, Jestaedt, Melullis, Scharen, Keukenschrijver
Fundstellen
Haufe-Index 539411 |
NJW-RR 1999, 836 |
GRUR 1999, 573 |
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