Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
Tenor
Der Antrag des Antragstellers, ihm wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluß des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 1. Oktober 1999 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wird zurückgewiesen.
Die sofortige Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der 1959 geborene Antragsteller wurde 1990 zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt bei dem Amtsgericht D. und dem Landgericht E. zugelassen. Nach den Feststellungen des früheren Antragsgegners, des Präsidenten des Oberlandesgerichts K., unterhielt der Antragsteller ab Dezember 1998 keine Kanzlei mehr. Mit Verfügung vom 8. Juni 1999 widerrief der frühere Antragsgegner deshalb gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 6, § 35 Abs. 1 Nr. 5 BRAO die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft. Den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung wies der Anwaltsgerichtshof mit Beschluß vom 1. Oktober 1999, dem Antragsteller durch Niederlegung zugestellt am 30. Dezember 1999, zurück. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner am 3. Februar 2000 eingegangenen sofortigen Beschwerde, die er mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist verbunden hat.
II.
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist bleibt ohne Erfolg, weil der Antragsteller nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat, ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert gewesen zu sein (§ 42 Abs. 6 BRAO, § 22 Abs. 2 FGG).
a) Die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs ist dem Antragsteller am 30. Dezember 1999 unter der Anschrift E. Feld, M., wirksam durch Niederlegung zugestellt worden (§ 229 BRAO, § 182 ZPO). Eine Ersatzzustellung nach § 182 ZPO setzt allerdings voraus, daß der Adressat der zuzustellenden Sendung die Wohnung, in der der Zustellungsversuch unternommen wird, auch tatsächlich inne hat. Die Beweiskraft der Zustellungsurkunde (§ 418 ZPO) erstreckt sich darauf nicht. Gleichwohl begründet die Erklärung des Zustellungsbeamten, er habe den Zustellungsadressaten in seiner Wohnung nicht angetroffen, ein beweiskräftiges Indiz dafür, daß der Zustellungsempfänger unter der Zustellungsanschrift wohnt. Aufgrund dieser Indizwirkung können Gerichte und Behörden im Regelfall davon ausgehen, daß der Zustellungsempfänger dort wohnt, wo der Zustellungsbeamte die Niederlegungsnachricht hinterlassen hat. Die indizielle Wirkung dieses Sachverhalts kann nur dadurch entkräftet werden, daß objektive Umstände oder der Vortrag des Zustellungsempfängers hinreichende Zweifel an der Annahme begründen, die Zustellungsadresse sei seine Wohnung. Der Antragsteller kann demgemäß das durch die Niederlegung begründete Indiz, daß er unter der Zustellungsanschrift gewohnt hat, nur durch eine plausible und schlüssige Darstellung entkräften, daß er die ursprüngliche Wohnung aufgegeben und an einem anderen Ort seinen Lebensmittelpunkt begründet hat (Senatsbeschluß vom 17. Februar 1992 – AnwZ (B) 53/91 – BRAK-Mitt. 1992, 109; vgl. auch BGH, Beschluß vom 4. Oktober 1989 – IVb ZB 47/89 – BGHR ZPO § 182 Wohnung 2; Beschluß vom 2. Oktober 1991 – IX ZB 5/91 – BGHR ZPO § 182 Wohnung 3). An einer solchen Darstellung fehlt es hier. Der Antragsteller hat sich vielmehr auf die bloße Angabe beschränkt, daß er seit Dezember 1999 nicht mehr in M. wohnhaft sei, und hat zudem eine Adresse in G. benannt. Dieser nicht näher substantiierte Vortrag reicht hier nicht aus, um die der Zustellungsurkunde zukommende indizielle Wirkung zu entkräften, zumal der Antragsteller der Antragsgegnerin von einem Wechsel der Wohnung keine Anzeige gemacht hat (vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 2 BORA), und er schließlich nach Auskunft der Stadt M. dort sogar noch am 4. Februar 2000 unter der Zustellungsanschrift gemeldet war.
Die Beschwerdefrist (§ 42 Abs. 4 BRAO) ist damit durch die am 30. Dezember 1999 erfolgte Zustellung der angefochtenen Entscheidung in Lauf gesetzt worden; die Beschwerde am 3. Februar 2000 also nicht mehr fristgerecht eingelegt worden.
b) Hat der Antragsteller von der durch Niederlegung erfolgten Zustellung innerhalb des Laufes der Beschwerdefrist keine Kenntnis erlangt, so begründet dieser Umstand die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn den Antragsteller daran kein Verschulden trifft. Das hat der Antragsteller aber nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
Nachdem der Anwaltsgerichtshof über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung am 1. Oktober 1999 in Gegenwart des Antragstellers mündlich verhandelt und – wie angekündigt – am Schluß der Sitzung den Tenor seiner Entscheidung verkündet hatte, mußte der Antragsteller mit der Zustellung dieser Entscheidung unter der von ihm selbst im Verfahren angegebenen Anschrift in M. rechnen. Ihm oblag es daher, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um sicherzustellen, daß er vom Inhalt der Entscheidung Kenntnis erlangt (vgl. Senatsbeschluß vom 29. Januar 1996 – AnwZ (B) 46/95 – BRAK-Mitt. 1996, 79; vgl. BGH, Beschluß vom 30. April 1997 – XII ZB 36/96 – FamRZ 1997, 997). Solche Vorkehrungen getroffen zu haben, hat der Antragsteller zwar dargelegt. Denn er hat vorgetragen, mit seiner in der Wohnung lebenden Ehefrau vereinbart zu haben, daß ihm sämtliche Post ausgehändigt werde. Auf zumindest wöchentliche Nachfrage habe er Posteingänge unverzüglich abgeholt; auch Benachrichtigungen über Niederlegungen seien ihm ausgehändigt worden. Eine Benachrichtigung über eine Niederlegung des angefochtenen Beschlusses aber habe er ebenso wie diesen selbst nicht erhalten.
Damit ist zwar eine Regelung dargetan, die grundsätzlich geeignet ist, dafür Sorge zu tragen, daß für den Antragsteller eingehende Post diesen auch erreicht. Der Antragsteller verhält sich aber über diese allgemeine Darstellung hinaus nicht dazu, was mit der nach Maßgabe der Postzustellungsurkunde am 30. Dezember 1999 in den Hausbriefkasten eingelegten Benachrichtigung über die Niederlegung des angefochtenen Beschlusses geschehen ist, ob seine Ehefrau eine solche vorgefunden hat oder nicht und wie gegebenenfalls damit verfahren worden ist. Solcher konkreter Vortrag war hier insbesondere deshalb geboten, weil der Antragsteller selbst vorträgt, auf dem von ihm beschriebenen Wege Niederlegungsbenachrichtigungen erhalten zu haben, jene über die Niederlegung des angefochtenen Beschlusses aber gerade nicht. Es kann danach mangels substantiierter Darlegung des Antragstellers (und deren Glaubhaftmachung) nicht ausgeschlossen werden, daß die Ehefrau des Antragstellers die Benachrichtigung vorgefunden, mit anderer Post an den Antragsteller weitergereicht, von diesem aber – aus welchen Gründen auch immer – nicht zur Kenntnis genommen worden ist; dann aber ist zugleich ein Verschulden des Antragstellers an der Fristversäumung nicht ausgeschlossen.
Der Senat hat dem Antragsteller deshalb Gelegenheit gegeben, über sein bisheriges Vorbringen hinaus – gegebenenfalls durch Erklärung seiner Ehefrau – insbesondere weiter glaubhaft zu machen, wie in seiner Wohnung in M. mit dort im hier maßgeblichen Zeitraum eingegangenen Postsendungen verfahren worden ist und welche Vorkehrungen er hinsichtlich seiner unverzüglichen Unterrichtung getroffen hat. Der Antragsteller hat darauf keine Stellungnahme abgegeben. Ihm war daher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu versagen, weil nach seinem Vorbringen nicht ausgeschlossen werden kann, daß er die Beschwerdefrist schuldhaft versäumt hat.
2. Die sofortige Beschwerde ist danach unzulässig; der Senat kann sie ohne mündliche Verhandlung verwerfen (vgl. BGHZ 44, 25).
Unterschriften
Hirsch, Basdorf, Ganter, Terno, Salditt, Christian, Wosgien
Fundstellen
Haufe-Index 564862 |
BGHR 2001, 481 |