Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Kostenerstattung zu Gunsten einer nicht existenten Partei.
Normenkette
ZPO §§ 91, 104
Verfahrensgang
Brandenburgisches OLG (Beschluss vom 02.07.2003; Aktenzeichen 6 W 67/03) |
LG Cottbus |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats des Brandenburgischen OLG in Brandenburg v. 2.7.2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 1.374,22 EUR.
Gründe
I.
Die Parteien streiten darüber, ob die Kläger der Beklagten Kosten aus einem Verfahren vor dem LG zu erstatten haben.
Das LG hatte der Klage antragsgemäß stattgegeben. Das OLG hat das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage gegen die Beklagte als unzulässig mit der Begründung abgewiesen, dass eine juristische Person mit der Bezeichnung "S. GmbH" nicht existiere.
Das LG hat die von den Klägern an die Beklagte zu erstattenden erstinstanzlichen Kosten auf 1.374,22 EUR festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der Kläger hat das OLG den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG aufgehoben und den Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Sie ist zulässig, denn die an sich nicht existente Beklagte wird als existent behandelt, soweit sie im Rechtsbeschwerdeverfahren den zu ihren Gunsten ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss verteidigt.
1. Das OLG hat ausgeführt, die Kostenfestsetzung zu Gunsten einer nicht existenten Partei verbiete sich aus der Natur der Sache. Einer solchen Partei könnten keine notwendigen Kosten i.S.v. § 91 ZPO entstehen. Sie könne keinen Rechtsanwalt beauftragen. Dies sei nur dem hinter der "Partei" stehenden Dritten möglich. Eine Kostenfestsetzung laufe damit im Ergebnis auf eine Erstreckung der Kostengrundentscheidung zu Gunsten dieses Dritten hinaus. Ob dann etwas anderes gelte, wenn die Existenz oder Identität einer Partei im Rechtsstreit Gegenstand der Auseinandersetzung gewesen sei, könne dahinstehen. So liege der Fall nicht. Die Beklagte habe unstreitig nie existiert. In solchen Fällen könne dem hinter der Partei stehenden Dritten ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Ersatz der ihm entstandenen Kosten zustehen. Dazu müsse aber der Klageweg beschritten werden.
Die Auffassung, die nicht existente Partei als fiktiven gebührenrechtlichen Auftraggeber anzusehen und die Frage der Notwendigkeit der ausgelösten Kosten am Dritten, der den Rechtsanwalt beauftrage, zu orientieren, sei mit Sinn und Zweck des Kostenfestsetzungsverfahrens nicht vereinbar, das von umfangreichen materiell-rechtlichen Prüfungen freigehalten werden solle. Komme es bei der Frage der Notwendigkeit der Kosten auf die Person des Dritten an, dann müsse die Identität des Dritten ermittelt werden, weil nur so verlässlich die Notwendigkeit der Kosten geklärt werden könne (etwa die Reisekosten der Partei, die Bestellung eines Korrespondenzanwaltes oder der Anfall einer Gebühr gem. § 20 BRAGO). Der Dritte könne auch nicht geltend machen, der Schutz seiner Vermögensinteressen habe die Beauftragung eines Rechtsanwalts erforderlich gemacht. Werde aus einem Titel gegen die nicht existente Partei gegen ihn vollstreckt, so stehe ihm die Erinnerung nach § 766 ZPO offen.
2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält einer rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
Zutreffend geht das OLG davon aus, dass die geltend gemachten Anwaltsgebühren erster Instanz keine notwendigen Kosten der Beklagten i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO sind und deshalb nicht im Verfahren gem. § 104 ZPO festgesetzt werden können. Die Klage war von Anfang an gegen eine nicht existente Partei gerichtet. Diese konnte keine Prozesshandlungen vornehmen, insb. keinen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragen. Anwaltskosten konnten ihr deshalb nicht entstehen. Das Prozessgericht hätte die Klage kostenpflichtig als unzulässig abweisen müssen (allgemeine Meinung; BGHZ 24, 91).
Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die nicht existente Partei in einem gegen sie angestrengten Prozess insoweit als parteifähig zu behandeln ist, als sie ihre Nichtexistenz geltend macht (allgemeine Meinung; BGH BGHZ 24, 91 [94]; Beschl. v. 13.7.1993 - III ZB 17/93, MDR 1994, 511 = NJW 1993, 2943 [2944]). Durch diese Fiktion soll erreicht werden, dass die Partei die Frage ihrer Existenz selbst klären lassen kann.
Eine insoweit im Rechtsstreit als parteifähig erachtete Partei gilt auch im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren als parteifähig, ist mithin auch in diesem Verfahren als existent zu behandeln (OLG Saarbrücken v. 9.11.2001 - 6 W 328/01-80, OLGReport Saarbrücken, 2002, 259 [260]; Belz in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 103 Rz. 25). Nach überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung ist die Existenz der Partei im Kostenfestsetzungsverfahren insoweit zu fingieren, als ein hinter diesem rechtlich nicht existenten Gebilde stehender Dritter berechtigt oder jedenfalls befugt ist, die Unzulässigkeit der Klage geltend zu machen. Zu Gunsten der nicht existenten Partei könne daher ein Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen werden, in dem die Aufwendungen desjenigen zu berücksichtigen seien, der für die nicht existente Partei einen Rechtsanwalt beauftragt habe (KG AnwBl. BE 1995, 300; OLG Saarbrücken v. 9.11.2001 - 6 W 328/01-80, OLGReport Saarbrücken, 2002, 259 [260]; OLG Hamburg MDR 1976, 845 f.; a.A. OLG Koblenz v. 10.12.1999 - 14 W 816/99, OLGReport Koblenz 2000, 344 = NJW-RR 2001, 285 [286]; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 50 Rz. 13). Einschränkend dazu wird die Auffassung vertreten, dass der Erstattungsanspruch zwar geltend gemacht werden könne, jedoch nicht der nicht existenten Partei, sondern derjenigen Person zustehe, die für sie aufgetreten sei (OLG Bamberg v. 11.1.2001 - 3 W 141/00, OLGReport Bamberg 2001, 223; OLG München v. 5.8.1997 - 11 W 1430/97, NJW-RR 1999, 1264 f.).
Allen Verfahren, in denen der nicht existenten Partei oder dem für sie handelnden Dritten ein Kostenerstattungsanspruch zuerkannt wurde, ist aber gemeinsam, dass die beklagte Partei im Rechtsstreit ihre mangelnde Existenz geltend gemacht und ihr dadurch Kosten entstanden sind. Lediglich insoweit wurde ihre Existenz fingiert. Lediglich insoweit kommt auch eine Kostenerstattung in Betracht. Demgegenüber weist das Beschwerdegericht zutreffend darauf hin, dass sich die Beklagte hier in erster Instanz - nur um die dort entstandenen Kosten geht es - gerade nicht auf ihre fehlende Existenz berufen, sondern mit Einwendungen in der Sache verteidigt hat. Damit bestand aber kein ausreichender Grund, ihre - tatsächlich nicht bestehende - Existenz zur Ermöglichung ihrer Verteidigung zu fingieren. Existierte die Beklagte nicht und wurde ihre Existenz auch nicht fingiert, dann konnte sie Prozesshandlungen nicht wirksam vornehmen, insb. keinen Prozessbevollmächtigten bestellen. Die Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten durch einen Dritten kann ihr nicht fiktiv zugerechnet werden. Es handelt sich deshalb bei den Gebühren des Rechtsanwalts nicht um eigene Kosten der nicht existenten Beklagten, sondern um solche des wahren Auftraggebers. Ob dieser die Kosten, die ihm durch die Beauftragung des Rechtsanwalts mit der Vertretung der nicht existenten Beklagten entstanden sind, von den Klägern ersetzt verlangen kann, ist eine Frage des materiellen Rechts, die im Kostenfestsetzungsverfahren mit den dort zur Verfügung stehenden Mitteln nicht geklärt werden kann. Insoweit muss der Dritte den Prozessweg beschreiten.
Fundstellen
Haufe-Index 1170769 |
BGHR 2004, 1323 |
NJW-RR 2004, 1505 |
JurBüro 2004, 548 |
MDR 2004, 1134 |
Rpfleger 2004, 588 |
AGS 2004, 311 |
RVG-B 2004, 127 |
RVGreport 2004, 318 |