Leitsatz (amtlich)
Schweigen sowohl der Ausspruch als auch die Gründe einer Beschwerdeentscheidung zur Frage der Zulassung der Rechtsbeschwerde, liegt in der Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung keine Zulassung.
Normenkette
ZPO § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Stralsund (Beschluss vom 05.06.2013; Aktenzeichen 2 T 119/13) |
AG Stralsund (Beschluss vom 23.03.2013; Aktenzeichen 12 IK 61/08) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Stralsund vom 5.6.2013 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Auf Antrag des Schuldners wurde am 18.9.2008 das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zu 1) zum Treuhänder bestellt. Die Restschuldbefreiung versagte das Insolvenzgericht auf Antrag der weiteren Beteiligten zu 2) mit Beschluss vom 23.3.2013, weil der Schuldner bei der Antragstellung mindestens grob fahrlässig falsche Angaben gemacht habe.
Rz. 2
Die gegen die Versagung der Restschuldbefreiung gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners hat das LG durch den angefochtenen Beschluss vom 5.6.2013 zurückgewiesen. Dem Beschluss ist eine Rechtsbehelfsbelehrung angefügt. Diese folgt deutlich abgesetzt nach der Kostenentscheidung, unter der durch Fettdruck hervorgehobenen Überschrift "Rechtsbehelfsbelehrung", außerhalb der Gliederung der Beschlussgründe, aber noch vor der Unterschrift des entscheidenden Einzelrichters. Im ersten Satz der Rechtsbehelfsbelehrung heißt es, dass gegen den Beschluss die Rechtsbeschwerde nach §§ 574 ff. ZPO statthaft sei. Im Weiteren wird darauf hingewiesen, die Rechtsbeschwerde sei "in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO" nur zulässig, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BGH erfordere. Zum notwendigen Inhalt der Begründung der Rechtsbeschwerde wird ausgeführt, diese müsse eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO enthalten.
Rz. 3
Nach Erlass des angefochtenen Beschlusses teilte die weitere Beteiligten zu 2) mit Schreiben vom 25.11.2013 dem Insolvenzgericht mit, die dem Versagungsantrag zugrunde liegenden Forderungen seien "inzwischen" erledigt. Ferner wurde ausgeführt, die Versagung der Restschuldbefreiung dürfte gegenstandslos geworden sein.
II.
Rz. 4
1. Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft, weil sie durch das LG nicht zugelassen worden ist (§ 4 InsO i.V.m. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Sie ist daher als unzulässig zu verwerfen.
Rz. 5
a) Nachdem die Vorschrift des § 7 InsO durch das Gesetz zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung vom 21.10.2011 (BGBl. I, 2082) mit Wirkung zum 27.10.2011 aufgehoben worden ist, findet die Rechtsbeschwerde gegen Beschwerdeentscheidungen in Verfahren nach der Insolvenzordnung nur statt, wenn sie durch das Beschwerdegericht zugelassen worden ist. Gemäß Art. 103 f Satz 1 EGInsO ist die Neuregelung auf die Rechtsbeschwerde gegen solche Beschwerdeentscheidungen anzuwenden, die - wie vorliegend - nach Inkrafttreten des neuen Rechts erlassen worden sind (BGH, Beschl. v. 10.5.2012 - IX ZB 295/11, ZIP 2012, 1146 Rz. 9 m.w.N.).
Rz. 6
b) Gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO ist die Rechtsbeschwerde in dem Beschluss über die sofortige Beschwerde zuzulassen. Das Beschwerdegericht, das mit dem Sachverhalt und den entscheidungserheblichen Rechtsfragen bereits vertraut ist, hat neben der Zulässigkeit und ggf. Begründetheit des ersten Rechtsmittels daher auch zu prüfen, ob einer der in § 574 Abs. 2 ZPO genannten Zulassungsgründe für die Rechtsbeschwerde vorliegt. Gegebenenfalls ist die Zulassung auszusprechen (§ 574 Abs. 3 Satz 1 ZPO).
Rz. 7
Die Zulassungsentscheidung ist eine gebundene Willensbetätigung des Beschwerdegerichts, der eine Prüfung der Zulassungsgründe vorauszugehen hat. Im Sinne der Rechtsmittelklarheit (vgl. BVerfGE 87, 48, 65) ist es wünschenswert, dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde in den Ausspruch des Beschlusses aufgenommen wird. Zwingend ist dies jedoch nicht. Es reicht aus, wenn sich die Zulassung mit hinreichender Deutlichkeit aus den Gründen der Beschwerdeentscheidung ergibt (BGH, Beschl. v. 19.5.2004 - IXa ZB 182/03, NJW 2004, 2529; vgl. auch BGH, Urt. v. 15.11.2007 - RiZ (R) 4/07, NJW 2008, 1448 Rz. 16 zu § 80 DRiG; Beschl. v. 20.7.2011 - XII ZB 445/10, NJW-RR 2011, 1569 Rz. 15 zu § 70 Abs. 1 FamFG; vom 28.3.2013 - AnwZ (Brfg) 44/12, nv Rz. 4 zu § 112e BRAO). Letzteres wird etwa dann der Fall sein, wenn sich das Beschwerdegericht in den Gründen seiner Entscheidung zu den Zulassungsgründen des § 574 Abs. 2 ZPO verhält und einen oder mehrere annimmt (vgl. BGH, Beschl. v. 23.10.2012 - V ZA 25/12, nv; vom 28.3.2013, a.a.O.).
Rz. 8
Eine Rechtsbehelfsbelehrung vermag diesen Anforderungen grundsätzlich selbst dann nicht zu genügen, wenn ihr die Unterschriften der entscheidenden Richter nachfolgen. In diesem Fall wird sie zwar formal ein Bestandteil der Entscheidung. Als Belehrung über die nach (fehlerhafter) Ansicht des Beschwerdegerichts gegebenen Rechtsmittel stellt sie jedoch regelmäßig nur eine Wissenserklärung dar und bringt als solche keinen Zulassungswillen zum Ausdruck. Nur ausnahmsweise kann deshalb allein aus der Rechtsbehelfsbelehrung auf eine Zulassung des in dieser genannten Rechtsmittels geschlossen werden (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2007, a.a.O., Rz. 16 zu § 80 Abs. 2 DRiG; BVerwGE 71, 73, 75 f m.w.N.; BFH/NV 2004, 1291).
Rz. 9
c) Danach kann im Streitfall von einer Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht ausgegangen werden. Weder hat das LG die Zulassung im Ausspruch erklärt noch ergibt sich der Zulassungswille aus den Gründen des Beschlusses, die hierzu schweigen. Auch aus der Rechtsbehelfsbelehrung kann nicht mit der erforderlichen Gewissheit auf eine Zulassung der Rechtsbeschwerde geschlossen werden. Diese erschöpft sich in einer bloßen Wissenserklärung. Dabei verhält sie sich erkennbar nur zur Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde aufgrund gesetzlicher Regelung (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und bringt auch deshalb keinen Zulassungswillen zum Ausdruck. Zutage tritt vielmehr die rechtsfehlerhafte Ansicht des LG, die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ergebe sich (noch) aus dem Gesetz.
Rz. 10
2. Die rechtsfehlerhafte Ansicht des LG, die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ergebe sich (noch) aus dem Gesetz, vermag ebenfalls nicht zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde zu führen. Enthält eine Beschwerdeentscheidung keine Ausführungen über die Zulassung der Rechtsbeschwerde, ist der Rechtsweg erschöpft. Der BGH kann mit der Sache nicht mehr in statthafter Weise befasst werden. Dies gilt unabhängig davon, welche Erwägungen das Beschwerdegericht dazu veranlasst haben, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen und auch dann, wenn das Beschwerdegericht rechtsirrig davon ausgegangen ist, die Rechtsbeschwerde sei kraft Gesetzes zulässig (BGH, Beschl. v. 10.5.2012 - IX ZB 295/11, ZIP 2012, 1146 Rz. 15 m.w.N.).
Rz. 11
Der Gesetzgeber hat bewusst von der Möglichkeit einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde abgesehen (BT-Drucks. 14/4722, 69, 116). Es widerspräche der gesetzlichen Unanfechtbarkeit auch der Entscheidung über die (Nicht-)Zulassung, wenn diese im Rechtsmittelweg daraufhin überprüft werden könnte, ob das Beschwerdegericht die ihm obliegende Verantwortung für die Zulassungsentscheidung erkannt hat (BGH, Beschl. v. 10.5.2012, a.a.O., Rz. 16; v. 19.7.2012 - IX ZB 31/12, nv Rz. 2).
Rz. 12
3. Mit der Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde fehlt es an einer Voraussetzung für eine Entscheidung in der Sache; der angefochtene Beschluss ist rechtskräftig. Schon deshalb bleibt das erst nach Eintritt der Rechtskraft zu den Akten gelangte Schreiben der weiteren Beteiligten zu 2) ohne Auswirkungen auf die erfolgte Versagung der Restschuldbefreiung. Die vom Schuldner in Aussicht gestellt Rücknahme des Versagungsantrags durch die weitere Beteiligte zu 2) wäre nur bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die Versagung der Restschuldbefreiung möglich gewesen und bliebe deshalb ebenfalls wirkungslos (BGH, Beschl. v. 15.7.2010 - IX ZB 269/09, NZI 2010, 780 Rz. 4).
Fundstellen
HFR 2014, 754 |
NJW 2014, 8 |
EBE/BGH 2014 |
NJW-RR 2014, 639 |
WM 2014, 711 |
DZWir 2014, 380 |
JZ 2014, 339 |
MDR 2014, 556 |
NZI 2014, 402 |
NZI 2014, 6 |
ZInsO 2014, 797 |
InsbürO 2014, 491 |
ZVI 2014, 260 |
PAK 2014, 112 |
VIA 2014, 46 |