Leitsatz (amtlich)
a) Das Verfahren über die Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung ist Familiensache, wenn die entschiedene Sache nach inländischem Recht als Familiensache einzuordnen ist.
b) Die Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung, die die Herausgabe des Kindes an den anderen Elternteil anordnet, richtet sich – soweit keine Sonderregelung eingreift – nach den für Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Grundsätzen und erfolgt im Verfahren nach § 621 Abs. 1 Nr. 3, 621 a, 621 e ZPO.
c) Zu den Anforderungen des ordre public bei der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung, die die Rückführung des von einen Elternteil ohne sorgerechtliche Befugnis ins Ausland verbrachten Kindes in seinen Heimatstaat zum anderen Elternteil anordnet.
d) Entscheidungen des Beschwerdegerichts über Vollstreckungsmaßnahmen nach § 33 FGG können in Familiensachen nicht mit der weiteren Beschwerde angefochten werden.
Normenkette
ZPO §§ 328, 620 S. 1 Nr. 3, § 621 Abs. 1 Nr. 3, §§ 621a, 621e, 722-723, 794 Abs. 1 Nr. 3a; FGG § 33
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf |
AG Duisburg |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des 1. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. Februar 1983 aufgehoben.
Die Beschwerden der Antragsgegnerin und des Jugendamts gegen den Beschluß des Amtsgerichts Duisburg vom 9. November 1982 werden zurückgewiesen, soweit sie die Nr. I dieses Beschlusses (Herausgabe des Kindes) betreffen; jedoch erhält die Nr. I des Beschlusses folgende Fassung:
Der Beschluß des Tribunale civile e penale di Rovereto vom 8. Oktober 1982 wird für vollstreckbar erklärt, soweit darin die Herausgabe des am 7. März 1977 geborenen Kindes Daniele Z… durch die Antragsgegnerin an den Antragsteller angeordnet worden ist.
Im übrigen wird die Sache zur neuen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der weiteren Beschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 5.000 DM.
Gründe
I.
Antragsteller und Antragsgegnerin sind getrennt lebende Eheleute. Der Antragsteller ist italienischer Staatsangehöriger. Die Antragsgegnerin ist von Geburt Deutsche und hat durch die Eheschließung zusätzlich die italienische Staatsangehörigkeit erworben. Aus der Ehe ist das am 7. März 1977 geborene Kind Daniele hervorgegangen, das ebenfalls sowohl die deutsche als auch die italienische Staatsangehörigkeit besitzt. Die Ehegatten lebten mit dem Kind in Italien.
Im Dezember 1981 stellte die Antragsgegnerin bei dem Gericht (Tribunale civile e penale) in Rovereto einen Antrag auf gerichtliche Trennung der Ehe. In diesem Verfahren wurde ihr durch Beschluß des Gerichts vom 8. März 1982 für die Dauer des Ehetrennungsverfahrens das eheliche Kind anvertraut, jedoch mit der Einschränkung, daß sie es nicht ohne Erlaubnis des Gerichts aus dem italienischen Staatsgebiet entfernen dürfe.
Am 9. September 1982 begab sich die Antragsgegnerin ohne Erlaubnis des italienischen Gerichts mit dem Kind zu ihrer Mutter in die Bundesrepublik Deutschland, wo sie seither mit dem Kind lebt.
Durch Beschluß vom 8. Oktober 1982 änderte daraufhin das Gericht in Rovereto seine frühere Entscheidung vom 8. März 1982 dahin ab, daß es das Kind dem Vater anvertraute und anordnete, daß das Kind durch die Mutter in das italienische Staatsgebiet zurückzuführen sei. In den Gründen des Beschlusses ist ausgeführt, daß die Antragsgegnerin keine Gewähr mehr für die Betreuung des Kindes biete, weil sie ihrer Verpflichtung, das Kind im nationalen Territorium zu belassen, nicht nachgekommen sei und sich auch in Zukunft dem italienischen Gesetz und den richterlichen Anordnungen entziehen wolle.
Im vorliegenden Verfahren begehrt der Antragsteller die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung dieser Entscheidung hinsichtlich der Herausgabe des Kindes. Entsprechend seinen im einzelnen gestellten Anträgen hat das Amtsgericht (Familiengericht) durch Beschluß entschieden, daß die Antragsgegnerin das Kind dem Antragsteller zum Zwecke der Rückführung nach Italien herauszugeben habe, daß der Antragsgegnerin für den Fall der Nichtherausgabe ein Zwangsgeld angedroht werde und daß bei der Durchführung der Herausgabe Gewalt angewendet werden könne.
Auf die von der Antragsgegnerin und dem Jugendamt erhobenen Beschwerden hat das Oberlandesgericht den Beschluß des Amtsgerichts aufgehoben und die Anträge des Antragstellers abgewiesen.
Mit der (zugelassenen) weiteren Beschwerde erstrebt der Antragsteller die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.
II.
Die weitere Beschwerde ist zulässig, soweit das Oberlandesgericht dem Antragsteller die begehrte Vollstreckbarerklärung versagt hat.
1. Bei dem Verfahren handelt es sich um eine Familiensache nach § 621 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.
Allerdings hat der Antragsteller nicht, auch nicht hilfsweise, eine originäre Entscheidung über die Herausgabe des Kindes begehrt. Aus seinem Vorbringen ergibt sich eindeutig, daß er ausschließlich die Vollstreckbarerklärung der Entscheidung des Gerichts in Rovereto hinsichtlich der Herausgabe des Kindes erwirken wollte. Sein Antrag, in der Entscheidung die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Herausgabe des Kindes auszusprechen, war insoweit nicht auf die Herbeiführung eines neuen, selbständigen Titels gerichtet, sondern sollte nur den Inhalt des ausländischen Titels klarstellen, auf den sich die beantragte Vollstreckbarerklärung bezog. In diesem Sinne ist das Begehren des Antragstellers auch in der Entscheidung des Amtsgerichts aufgefaßt worden, deren Wiederherstellung der Antragsteller erstrebt. Gegenstand des Verfahrens ist danach nur die Vollstreckbarerklärung der ausländischen Entscheidung, nicht die Herausgabe des Kindes als solche.
Für die Einordnung eines Verfahrens als Familiensache ist jedoch nicht allein der Verfahrensgegenstand im formell-rechtlichen Sinne entscheidend. Auch Verfahren, die nur die Durchsetzbarkeit des Titels in einer Familiensache im Vollstreckungswege zum Gegenstand haben, können Familiensache sein. So hat der Senat bereits entschieden, daß das Verfahren über eine Vollstreckungsabwehrklage Familiensache ist, wenn und soweit der Vollstreckungstitel, gegen den sich die Klage richtet, eine Familiensache zum Gegenstand hat (Senatsbeschluß vom 15. Oktober 1980 – IVb ZR 503/80 – FamRZ 1981, 19). Ebenso hat der Senat das Verfahren über die Vollstreckbarkeit eines ausländischen Titels in Übereinstimmung mit der auch sonst überwiegend vertretenen Auffassung (vgl. etwa OLG Bamberg FamRZ 1980, 66 m. w. N.) im Hinblick auf die Zulässigkeit von Einwendungen entsprechend § 767 ZPO als Familiensache beurteilt, wenn der Titel Unterhaltsansprüche im Sinne des § 23 b Abs. 1 Satz 2 Nrn. 5, 6 GVG (= § 621 Abs. 1 Nrn. 4, 5 ZPO) zum Gegenstand hat (Senatsbeschluß vom 9. Juli 1980 – IVb ARZ 533/80 – NJW 1980, 2025 – L.).
Die vorliegende Sache, unterscheidet sich von dem der letztgenannten Entscheidung zugrunde Iiegenden Fall dadurch, daß hier der ausländische Titel, wie unten in anderem Zusammenhang näher dargelegt wird, nach inländischem Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzuordnen ist und der Vollstreckung nach § 33 FGG unterliegt. In einem solchen Fall erfolgt die Vollstreckbarerklärung des Titels, soweit keine Sonderregelung etwa durch Staatsverträge eingreift, im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (BGHZ 67, 255, 257 f.). Auch in dieser Form betrifft aber das Verfahren über die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Titels zugleich die entschiedene Sache selbst in einer Weise, die die Zuordnung des Verfahrens zu den Familiensachen rechtfertigt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit sachliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch im Verfahre über die Vollstreckbarerklärung stets und in gleichem Umfang wie bei Titeln aus prozessualen Streitverfahren geltend gemacht werden können. In jedem Fall ist die Berufung auf einen Verstoß gegen den deutschen ordre public zulässig. Schon daraus folgt, daß im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung auch bei Titeln aus dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht nur über formelle Fragen zu entscheiden ist, sondern auch eine, wenn auch eingeschränkte Prüfung in der Sache stattfindet, die nach dem Zweck der Einführung der Familiengerichte diesen vorbehalten bleiben soll. Die im Senatsbeschluß vom 9. Juli 1980 (a.a.O.) für Unterhaltstitel enthaltene Aussage läßt sich danach dahin verallgemeinern, daß das Verfahren über die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Titels Familiensache ist, wenn der Titel eine Angelegenheit betrifft, die nach inländischem Verfahrensrecht als Familiensache (sei es der streitigen oder der freiwilligen Gerichtsbarkeit) einzuordnen ist.
2. Das Oberlandesgericht ist davon ausgegangen, daß der Antragsteller die Vollstreckbarerklärung der Herausgabeanordnung in einem Beschlußverfahren nach den Regeln der §§ 621 Abs. 1 Nr. 3, 621 a, 621 e ZPO beantragt und beim Amtsgericht erwirkt hat. In dieser Verfahrensart hat es den Beschwerden der Mutter und des Jugendamts stattgegeben. Damit hat es eine Beschwerdeentscheidung nach § 621 e ZPO getroffen, auch wenn es, worauf unten noch näher einzugehen ist, den vom Antragsteller beschrittenen Verfahrensweg für nicht zulässig erachtet hat. Die vom Oberlandesgericht zugelassene weitere Beschwerde ist danach gemäß § 621 e Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft.
III.
Die weitere Beschwerde gegen die Versagung der Vollstreckbarerklärung ist begründet.
1. Das Oberlandesgericht hat das Begehren des Antragstellers in der gewählten Verfahrensart für unzulässig erachtet und hierzu ausgeführt: Die Art des Verfahrens, in dem eine ausländische Entscheidung für vollstreckbar erklärt und vollzogen werde, bestimme sich danach, in welchem Verfahren inhaltlich entsprechende Entscheidungen deutscher Gerichte zu vollziehen wären. Die hier vorliegende Entscheidung entspreche einer einstweiligen Anordnung nach § 620 (Nr. 3) ZPO, die nicht nach § 33 FGG, sondern nach § 883 ZPO zu vollstrecken sei. Es handele sich bei dem Verfahren nach § 620 ZPO um ein zivilprozessuales Nebenverfahren, für das § 621 a ZPO nicht gelte. Damit bestimme sich die Anerkennung (und gegebenenfalls die Vollstreckbarerklärung) einer entsprechenden ausländischen Entscheidung nicht nach § 33 FGG, sondern, da keine abweichende Regelung durch Staatsverträge bestehe, nach §§ 722, 723, 328 ZPO.
Diesen Ausführungen kann nicht in allen Punkten und insbesondere nicht im Ergebnis gefolgt werden. Die vom Antragsteller gewählte Verfahrensart begegnet keinen Bedenken.
a) Die Herausgabeanordnung des italienischen Gerichts, deren Vollstreckbarerklärung der Antragsteller begehrt, ist nach inländischem Verfahrensrecht der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzuordnen. Für selbständig geführte Verfahren über die Herausgabe eines Kindes an den anderen Elternteil ergibt sich die Zuordnung zur freiwilligen Gerichtsbarkeit unmittelbar aus §§ 621 Abs. 1 Nr. 3, 621 a ZPO. Diese Rechtsnatur bleibt dem Herausgabeverfahren auch dann erhalten, wenn es gemäß § 623 ZPO als Folgesache im Verbund mit einem Scheidungsverfahren geführt und darüber nach § 629 Abs. 1 ZPO gleichzeitig mit dem Scheidungsausspruch in einem Verbundurteil entschieden wird.
Die hier in Frage stehende Entscheidung des italienischen Gerichts ist im Verfahren über die gerichtliche Trennung der Ehe als Maßnahme nach Art. 708 der italienischen Zivilprozeßordnung (codice di procedura civile, im folgenden: cpc) ergangen und stellt eine vorweg getroffene Regelung bis zu der nach Art. 155 des italienischen Zivilgesetzbuches (codice civile, im folgenden: cc) im Ehetrennungsurteil über die elterliche Sorge zu treffende Entscheidung dar. Sie ist damit – insoweit ist dem Oberlandesgericht beizupflichten – von der Ausgestaltung des Verfahrens her einer einstweiligen Anordnung nach § 620 Satz 1 Nr. 3 ZPO vergleichbar (Fleig, Die Ehescheidung im italienischen Recht, S. 149; Grunsky, Italienisches Familienrecht 2. Aufl. S. 64 f.). Auch ein Verfahren nach § 620 Satz 1 Nr. 3 ZPO unterliegt jedoch nach Maßgabe des § 621 a Abs. 1 ZPO den Regeln der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Entscheidungen über die elterliche Sorge und die Herausgabe eines Kindes müssen sich am Kindeswohl orientieren. Das Verfahren kann nicht der Disposition der Eltern nach Maßgabe der für den Zivilprozeß geltenden Vorschriften überlassen bleiben. Die Zuordnung des Herausgabeverfahrens zur freiwilligen Gerichtsbarkeit, die insbesondere die Geltung des Amtsermittlungsprinzips nach § 12 FGG sichert, beruht danach auf sachlichen Gründen, die auch dann durchgreifen, wenn die Entscheidung durch einstweilige Anordnung im summarischen Verfahren getroffen wird.
Aus der Zuordnung des Verfahrens zur freiwilligen Gerichtsbarkeit folgt zugleich, daß die Entscheidung über die Herausgabe des Kindes mit den dafür vorgesehenen Maßregeln (§ 33 FGG) zu vollstrecken ist. Auch dies gilt in gleicher Weise für eine Herausgabeentscheidung in einem darauf gerichteten Hauptverfahren wie für eine Entscheidung durch einstweilige Anordnung. Der in einem Teil der Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansicht, aus § 794 Abs. 1 Nr. 3 a ZPO folge, daß einstweilige Anordnungen nach § 620 ZPO unabhängig von ihrer verfahrensrechtlichen Natur stets in den Vollstreckungsarten der ZPO zu vollstrecken seien (vgl. zum Meinungsstand die Nachweise bei OLG Köln FamRZ 1982, 508), kann sich der Senat nicht anschließen. Diese Folgerung ist weder nach dem Gesetzeswortlaut noch nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrift zwingend (vg. OLG Frankfurt FamRZ 1980, 1038). § 794 Abs. 1 Nr. 3 a ZPO erklärt einstweilige Anordnungen als zur Zwangsvollstreckung geeignete Titel. Aus § 795 ZPO ergibt sich ferner, daß für diese Titel grundsätzlich auch die allgemeinen Vorschriften der ZPO über die Zwangsvollstreckung gelten. Das besagt jedoch nicht, daß die Vollstreckung auch dann nach den Vorschriften der ZPO durchzuführen ist, wenn es sich um eine Entscheidung aus dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt. Für Verbundurteile ist trotz der – dem § 794 Abs. 1 Nr. 3 a ZPO entsprechenden – Vorschrift des § 704 ZPO anerkannt, daß die Vollstreckung der darin enthaltenen Entscheidungen, die nach § 621 a ZPO der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugeordnet sind, mit den Mitteln des § 33 FGG erfolgt, sofern nicht, wie für den Versorgungsausgleich (§ 53 g Abs. 3 FGG), Sonderregelungen bestehen. Für Entscheidungen in der Form der einstweiligen Anordnung kann nichts anderes gelten. Die sachlichen Gründe, die in solchen Fällen – insbesondere bei Entscheidungen über die Herausgabe eines Kindes – für die Vollstreckung nach § 33 FGG sprechen (OLG Frankfurt a.a.O. S. 1040 f.; vgl. auch BGHZ 19, 185, 190 ff.), werden nicht entkräftet, wenn die Entscheidung in der Form einer einstweiligen Anordnung ergangen ist.
b) Die Vollstreckbarerklärung eines Titels der genannten Art erfolgt danach – soweit keine Sonderregelung, insbesondere durch Staatsverträge, besteht – im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, und zwar in der Verfahrensart, die für das Verfahren in der Sache selbst gegeben wäre. Insoweit gelten die für die Vollstreckbarerklärung einer Kindesherausgabeanordnung nach früherem Recht in BGHZ 67, 255, 257 f. aufgestellten Grundsätze entsprechend auch nach der Schaffung der Familiengerichte und der Einfügung des § 620 Satz 1 Nr. 3 ZPO durch das 1. EheRG weiter.
c) Eine anderslautende Sonderregelung besteht insoweit nicht.
Das EG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – EGGVÜ – vom 27. September 1968 (BGBl. 1972 II 727) ist nach seinem Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 auf den vorliegenden Titel nicht anzuwenden (EuGH NJW 1979, 1100, BGHZ 67, 255, 259).
Ebenso greift das deutsch-italienische Abkommen in Zivil- und Handelssachen – AVAbk – 9. März 1936 (RGBI 1937 II 145; zur Anwendbarkeit des Abkommens, auch im Verhältnis zum EGGVÜ, vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 1983 – IVb ZR 335/81 – FamRZ 1983, 366) nicht ein. Der Senat kann sich zwar der vielfach – ohne nähere Begründung – vertretenen Auffassung, daß das Abkommen Entscheidungen aus dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit überhaupt nicht umfasse (BayOblGZ 1973, 345, 350, FamRZ 1974, 150, 152; OLG Hamm FamRZ 1976, 528, 529; Grunsky RIW/AWD 1977, 1, 2; Luther, Das deutsch-italienische Vollstreckungsabkommen S. 12; Stein/Jonas/Schumann/Leipold, ZPO 19. Aufl. Anhang B II zu § 328 Fn. 2) nicht anschließen. Nach Art. 1 AVAbk. fallen unter das Abkommen die Entscheidungen der bürgerlichen Gerichte in Zivil- und Handelssachen. Diese Formulierung umfaßt nach der Terminologie in der staatsvertraglichen Praxis im Grundsatz auch Entscheidungen aus dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit. In neueren Vollstreckungsabkommen ist dies ausdrücklich verdeutlicht (Art. 1 Abs. 3 des deutsch-belgischen AVAbk; Art. 1 Abs. 1 des deutsch-griechischen AVAbk; Art. 1 Abs. 1 des deutsch-niederländischen AVAbk; Art. 1 Abs. 1 des deutsch-österreichischen AVAbk). Auch bei Abschluß des deutsch-italienischen Abkommens herrschte die Auffassung, daß Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht ausgenommen sein sollten (Jonas DJ 1937, 888, 889). Es läßt sich jedoch einzelnen Formulierungen des Abkommens entnehmen, daß nur streitige Verfahren (vgl. Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 AVAbk) über Ansprüche einer Partei gegen die andere (vgl. etwa Art. 4 Abs. 2 AVAbk) erfaßt werden sollten. Solche Verfahren gibt es als sogenannte echte Streitverfahren auch im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. etwa Keidel/Kuntze/Winkler, FGG 11. Aufl. § 12 Rdnr. 109). Verfahren über die elterliche Sorge einschließlich der Herausgabe des Kindes an den anderen Elternteil gehören dazu jedoch nicht. Sie betreffen fürsorgliche Maßnahmen, die im Interesse des Kindeswohls getroffen werden. Entscheidungen in solchen Verfahren fallen aus diesem Grunde auch nicht unter das Abkommen (ebenso Staudinger/Kropholler, BGB 12. Aufl. Art. 19 EGBGB Rdnr. 305; Denkschrift der Bundesregierung zur entsprechenden Regelung im deutsch-österreichischen AVAbk, BT-Drucks. III 1419 S. 7). Das Abkommen kann andererseits nicht so verstanden werden, daß solche Entscheidungen von der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung überhaupt ausgeschlossen sein sollten. Vielmehr verbleibt es insoweit bei den außerhalb des Abkommens geltenden Vorschriften (Staudinger/Kropholler a.a.O., vgl. auch die Denkschrift zum deutsch-österreichischen AVAbk a.a.O.). Da das Abkommen nicht anzuwenden ist, greifen auch die dazu in der Ausführungsverordnung vom 18. Mai 1937 (RGBI II 143) enthaltenen Verfahrensvorschriften nicht ein.
Auch aus dem Haager Minderjährigenschutzabkommen – MSA – vom 5. Oktober 1961 (BGBl. 1971 II 217) ergeben sich keine Besonderheiten. Es ist fraglich, ob das Abkommen hier überhaupt eingreift. Italien hat es zwar unterzeichnet und ratifiziert (nähere Angaben bei Luther FamRZ 1981, 317), bisher aber – soweit ersichtlich – die Ratifikationsurkunde noch nicht hinterlegt, wie es zum Inkrafttreten des Abkommens nach Art. 19 Abs. 2, 20 Abs. 2 MSA erforderlich ist. Die Anwendbarkeit des Abkommens hängt danach davon ab, ob das Kind inzwischen in der Bundesrepublik Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 13 Abs. 1 MSA; vgl. dazu Senatsbeschluß BGHZ 78, 293). Dies bedarf indessen keiner weiteren Prüfung, weil das Minderjährigenschutzabkommen für die Anerkennung und Vollstreckung vollstreckungsbedürftiger Entscheidungen ohnehin nur auf die hierfür im Anerkennungsstaat auch sonst geltenden Vorschriften verweist (Art. 7 Satz 2 MSA; vgl. dazu BGH, Urteil vom 11. April 1979 – IV ZR 93/78 – FamRZ 1979, 577, 578).
Über die Vollstreckbarerklärung der vorliegenden Herausgabeanordnung ist nach alledem im Verfahren nach §§ 621 Abs. 1 Nr. 3, 621 a, 621 e ZPO, das der Antragsteller beschritten hat, zu entscheiden.
2. Das Oberlandesgericht hat die vom Antragsteller gewählte Verfahrensart als unzulässig erachtet. Es hat den Antrag auf Vollstreckbarerklärung aber sachlich nach Maßgabe der §§ 722, 723 ZPO geprüft und ihm insoweit den Erfolg versagt, weil es die Voraussetzungen für die Anerkennung der Herausgabeentscheidung nicht für gegeben erachtet hat. Wenn der Antragsteller mit seinem Begehren auf Vollstreckbarerklärung, wie vom Oberlandesgericht angenommen, den Klageweg des §§ 722 ZPO hätte beschreiten müssen, würden Bedenken dagegen bestehen, sein Begehren im Verfahren nach §§ 621 a, 621 e ZPO – wenn auch nach den Kriterien der §§ 722, 723 ZPO – sachlich zu prüfen. Da jedoch die Anträge des Antragstellers im gewählten Verfahren zulässig sind, steht einer Sachentscheidung objektiv kein Hindernis entgegen.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts hält der Nachprüfung nicht stand. Das Oberlandesgericht hat das Begehren des Antragstellers auf Vollstreckbarerklärung der Herausgabeanordnung zu Unrecht abgewiesen, so daß insoweit die Entscheidung des Amtsgerichts wiederherzustellen ist.
a) Das Oberlandesgericht hat der Herausgabeanordnung die Anerkennung, die Voraussetzung der Vollstreckbarerklärung ist, schon deshalb versagt, weil die Anordnung nicht einem rechtskräftigen Urteil im Sinne der §§ 722, 723 ZPO entspreche; sie beruhe auf einer Regelung der elterlichen Sorge, die nur vorläufigen Charakter habe, da sie durch die Sorgerechtsentscheidung im Ehetrennungsurteil, aber auch schon während des Trennungsverfahrens, wieder abgeändert werden könne.
Die Abänderbarkeit der Entscheidung hindert indessen ihre Anerkennung nicht. Da zwischenstaatliche Übereinkünfte nicht eingreifen, beurteilt sich die Anerkennung der italienischen Herausgabeanordnung auch in der Sache nach den insoweit allgemein geltenden Grundsätzen. Danach können an die Anerkennungsfähigkeit einer Entscheidung, die sich aus deutscher Sicht als Maßnahme der freiwilligen Gerichtsbarkeit darstellt, nicht in jedem Falle die gleichen Anforderungen gestellt werden wie an diejenige einer Entscheidung in einem Zivilprozeß. Die Regelung der elterlichen Sorge während des Getrenntlebens der Eltern oder nach der Scheidung ihrer Ehe muß sich nach deutschem wie nach italienischem Recht am Wohl des Kindes ausrichten (vgl. aus dem italienischen Recht für den Fall der Trennung Art. 155 Abs. 1 cc; für den Fall der Scheidung Art. 6 Abs. 3 des italienischen Scheidungsgesetzes vom 1. Dezember 1970). Da sich die tatsächlichen Verhältnisse, auf denen die Regelung beruht, ändern können, muß dafür Sorge getragen werden, daß die Entscheidung abgeändert werden kann, wenn sie dem Interesse des Kindes nicht mehr entspricht. Nicht nur das italienische, sondern auch das deutsche Recht sieht daher die Abänderbarkeit von Sorgerechtsentscheidungen vor, und zwar auch für solche Regelungen, die nicht in einer einstweiligen Anordnung, sondern in der Hauptentscheidung getroffen werden (vgl. im italienischen Recht Art. 155 Abs. 5 cc und Art. 9 des Scheidungsgesetzes; im deutschen Recht: §§ 1671, 1672, 1696 BGB). Wollte man aus diesem Grunde der Sorgeregelung die Anerkennung versagen, so wären Sorgerechtsentscheidungen regelmäßig überhaupt nicht anerkennungsfähig. Ein solches Ergebnis wäre mit den Grundsätzen des internationalen Rechtsverkehrs nicht zu vereinbaren.
Wie oben in anderem Zusammenhang dargelegt ist, ist die vorliegende Herausgabeanordnung nach der Ausgestaltung des Verfahrens, in dem sie ergangen ist, einer einstweiligen Anordnung nach § 620 Satz 1 Nr. 3 ZPO vergleichbar. Solchen Anordnungen wird vereinzelt die Anerkennungsfähigkeit überhaupt abgesprochen (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 41. Aufl. § 328 Anm. 7 B a dd a.E.). Dem mag – was hier keiner abschließenden Entscheidung bedarf – für den Fall beizutreten sein, daß neben dem summarischen Anordnungsverfahren ein Hauptsacheverfahren über den gleichen Gegenstand möglich ist, dessen Entscheidung aufgrund einer eingehenderen Sachprüfung ergeht und die einstweilige Anordnung ersetzt; in einem solchen Fall könnte, es dem Antragsteller zugemutet werden, eine Sorgeregelung im Hauptverfahren zu erwirken, wenn er sie im Ausland durchsetzen will. Das italienische Recht sieht jedoch zwischen getrennt Iebenden Ehegatten für die Zeit bis zum Urteil im anhängig gemachten Ehetrennungsverfahren eine Sorgerechtsregelung nur in der hier gegebenen Form vor. Ein anderes Verfahren, in dem aufgrund eingehenderer Prüfung die bisherige Entscheidung ersetzt wird, findet insoweit nicht statt. Die vorliegende Sorgerechtsregelung und die darauf beruhende Herausgabeanordnung erfüllen daher zugleich die Funktion, die im Inland einer nach § 1672 BGB ergehenden Entscheidung zukommt und müssen danach wie eine solche Entscheidung anerkennungsfähig sein (ebenso in einem ähnlichen Fall – inzidenter – BGHZ 67, 255)
b) Die Anerkennung der Herausgabeanordnung beurteilt sich nach den in § 328 Abs. 1 Nr. 1 und 4 ZPO enthaltenen Grundsätzen, die auch für die Anerkennung von Akten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten (BGHZ 67, 255, 260 m. w. N.). Danach muß die internationale Zuständigkeit des ausländischen Gerichts gegeben sein und die Entscheidung darf keinen Verstoß gegen den deutschen ordre public aufweisen. Beide Voraussetzungen sind hier erfüllt.
aa) Die internationale Zuständigkeit der italienischen Gerichte war schon deshalb gegeben, weil das Kind neben der deutschen die italienische Staatsangehörigkeit besaß und diese Staatsangehörigkeit die effektive war (vgl. dazu BGHZ 75, 32, 41 f.), da das Kind in Italien geboren war und dort gelebt hatte. Daß die Mutter das Kind unter Überschreitung ihrer sorgerechtlichen Befugnisse und gegen den Willen des Vaters einen Monat vor der Herausgabeanordnung nach Deutschland verbracht hatte, kann bis zur Entscheidung des italienischen Gerichts nicht zu einem Wechsel der effektiven Staatsangehörigkeit des Kindes geführt haben (vgl. BGHZ 78, 293, 300 f., 303 f.). Die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Heimatstaates des Kindes wird nach deutschem Recht auch dann anerkannt, wenn der Heimatstaat des Kindes nicht Vertragsstaat des Minderjährigenschutzabkommens ist. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob dieses Abkommen überhaupt eingreift oder nicht (BGH FamRZ 1979, 578, 579).
bb) Entgegen der vom Oberlandesgericht in einer Hilfsbegründung vertretenen Auffassung verstößt die Anordnung der Herausgabe des Kindes an den Antragsteller auch nicht gegen den deutschen ordre public.
Bei der hier gegebenen Sachlage kann ein solcher Verstoß in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht darin gesehen werden, daß die Antragsgegnerin, die mit dem Kind in die Bundesrepublik Deutschland verzogen war, vor der Entscheidung nicht gehört worden ist. Die Entscheidung konnte vom Gericht als eilbedürftig angesehen werden, um zur Vermeidung einer Beeinträchtigung des Kindeswohls eine möglichst rasche Rückführung des Kindes in seinen gewohnten Lebenskreis zu ermöglichen. Ebenso konnte das Gericht darauf bedacht sein, nach Möglichkeit eine Vorwarnung der Antragsgegnerin, die bereits der bestehenden gerichtlichen Sorgerechtsregelung zuwidergehandelt hatte, zu vermeiden. In solchen Fällen eröffnet auch das inländische Verfahrensrecht weitgehend die Möglichkeit, zunächst eine Entscheidung ohne vorherige Anhörung des Betroffenen zu erlassen und diesem erst im weiteren Verfahren Gelegenheit zur Äußerung und gegebenenfalls zur Stellung eines Abänderungsbegehrens zu geben. Die letzteren Möglichkeiten hätten für die Antragsgegnerin auch hier bestanden. Die Verfahrensweise des italienischen Gerichts steht danach nicht in einem unerträglichen Widerspruch zu tragenden Grundsätzen des deutschen Rechts (vgl. auch BGHZ 67, 255, 261; zur verfassungsrechtlichen Problematik: Maunz/Dürig/Herzog, GG Art. 103 Rdnr. 46).
Auch in materiel-rechtlicher Hinsicht ist die Herausgabeanordnung nach § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO anerkennungsfähig.
Die deutschen Vorschriften über die Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil bei Getrenntleben der Eltern und über den daraus folgenden Herausgabeanspruch (§§ 1672, 1671, 1632 BGB) stellen nicht ausschließlich oder in erster Linie auf die Interessen der Eltern ab, sondern berücksichtigen vordringlich das Wohl des Kindes. Dies entspricht der verfassungsrechtlich normierten Pflichtgebundenheit der elterlichen Sorge (Art. 6 Abs. 2 GG; vgl. dazu BVerfGE 37, 217, 252 m. w. N.). Die Berücksichtigung des Kindeswohls stellt ein tragendes Grundprinzip der einschlägigen deutschen Regelung dar. Eine ausländische Entscheidung könnte daher nicht anerkannt werden, wenn sie mit diesem Grundgedanken in einem so starken Widerspruch stände, daß sie aus deutscher Sicht als untragbar angesehen werden müßte (BGH FamRZ 1979, 577, 580 m. w. N.).
Ein derartiger Widerspruch zum materiell-rechtlichen ordre public liegt hier nicht vor. Nach italienischem Recht hat das Gericht bei Sorgerechtsentscheidungen im Fall des Getrenntlebens der Eltern ausschließlich vom sittlichen und materiellen Wohl der Kinder auszugehen (vgl. Art. 155 Abs. 1 Satz 3 cc). Schon aus der Einschränkung in der ersten Sorgerechtsentscheidung vom 8. März 1982, daß die Mutter das Kind nicht ohne gerichtliche Erlaubnis aus Italien verbringen dürfe, ergibt sich, daß das italienische Gericht das Verbringen des Kindes ins Ausland, auch wenn ihm dadurch die Betreuung durch die Mutter erhalten blieb, als nachteiliger für das Kindeswohl angesehen hat als das Verbleiben des Kindes im Inland beim Vater. Für diese Entscheidung lassen sich gewichtige sachliche Gründe finden. Da das Kind als effektiv italienischer Staatsangehöriger in Italien geboren war, und bisher dort gelebt hatte, sicherte ihm die Entscheidung die Kontinuität seines Lebenskreises. Es steht auch aus deutscher Sicht nicht in einem untragbaren Widerspruch zu den Interessen des Kindes, wenn das Gericht diesen Umstand für wichtiger erachtet hat als die Fortsetzung der Kindesbetreuung durch die Mutter, die es nach der zunächst getroffenen Sorgerechtsregelung an sich dafür als geeignet angesehen hat. Die Sorgerechtsentscheidung vom 8. Oktober 1982, durch die das, Kind, nachdem es von der Mutter unter Zuwiderhandlung gegen die bestehende Regelung ins Ausland verbracht worden war, dem Vater anvertraut und die Mutter zur Herausgabe verurteilt worden ist, stellt insoweit die Konsequenz aus der bereits der früheren Regelung zugrunde liegenden Beurteilung dar und steht ebenso wie diese mit dem ordre public in Widerspruch. Entscheidend ist dabei nicht, ob ein deutsches Gericht, wenn es selbständig eine Sorgerechtsregelung zu treffen oder zu ändern hätte, zu einem anderen Ergebnis kommen würde. Ein Widerspruch zum ordre public läge erst dann vor, wenn die ausländische Entscheidung dem Kindeswohl in einer Weise widersprechen würde, die nach den grundlegenden deutschen Rechtsvorstellungen nicht hingenommen werden könnte. Ein solcher Fall liegt hier nicht t vor.
Dies gilt auch, wenn man die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts zugrunde legt. Für die Beurteilung, ob die Anerkennung einer Entscheidung gegen den deutschen ordre public verstößt, ist nicht der Zeitpunkt des Erlasses der ausländischen Entscheidung maßgebend, sondern der Zeitpunkt, in dem – durch den Tatrichter – über die Anerkennung zu befinden ist. Der Umstand, daß das Kind bis zur Entscheidung des Oberlandesgerichts bereits etwa fünfeinhalb Monate in Deutschland war, kann jedoch nach den Maßstäben des § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zu keiner anderen Beurteilung führen (vgl. BGH FamRZ 1979, 580; Böhmer/Siehr, FamR II Art. 1 MSA Rdnr. 11).
IV.
Soweit das Oberlandesgericht den (Erst-) Beschwerden gegen die Androhung des Zwangsgeldes und die Anordnung der Gewaltanwendung durch das Amtsgericht stattgegeben und die darauf gerichteten Anträge des Antragstellers abgewiesen hat, ist der Rechtsmittelzug zum Bundesgerichtshof nicht eröffnet. Es handelt sich insoweit um Entscheidungen über Vollstreckungsmaßnahmen nach § 33 FGG, die nicht den Entscheidungen nach § 621 e ZPO zuzurechnen sind. Mit der Einführung des § 621 e ZPO ist der Rechtsmittelzug in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit demjenigen in zivilprozessualen Familiensachen angeglichen worden (BGHZ 72, 169, 172). Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und -entscheidungen sind jedoch im zivilprozessualen Bereich einer berufungs- und revisionsrechtlichen Anfechtung grundsätzlich entzogen. Danach kann nicht angenommen werden, daß der Rechtsmittelzug nach § 621 e ZPO, der dem Rechtsmittelzug für zivilprozessuale Urteile angenähert ist und den Zugang zum Bundesgerichtshof eröffnet, auch gegen solche Entscheidungen gegeben sein sollte. Entscheidungen über Vollstreckungsmaßnahmen unterliegen vielmehr in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit lediglich der unbefristeten Beschwerde nach § 19 Abs. 1 FGG (vgl. für Vollstreckungsentscheidungen in Versorgungsausgleichssachen: Senatsbeschluß vom 17. September 1980 – IV ZB 565/80 – FamRZ 1981, 25). Eine weitere Beschwerde findet insoweit nicht statt, auch nicht nach § 27 FGG (vgl. BGHZ 72, 169, 170, 173). Daß das Oberlandesgericht die weitere Beschwerde uneingeschränkt, also auch hinsichtlich der Entscheidung über die Vollstreckungsmaßnahmen, zugelassen hat, kann den nicht gegebenen Rechtsmittelzug nicht eröffnen. (BGH, Beschluß vom 13. Juni 1979 – IV ZB 122/78 – FamRZ 1979, 696 m. w. N.).
Gleichwohl ist im vorliegenden Fall die Entscheidung des Oberlandesgerichts auf die weitere Beschwerde auch insoweit aufzuheben, als sie Vollstreckungsmaßnahmen betrifft. Das Oberlandesgericht hat die vom Amtsgericht getroffenen Vollstreckungsmaßnahmen als gegenstandslos aufgehoben, weil es dem zugrunde liegenden Titel die Vollstreckbarerklärung und damit die Vollstreckungsfähigkeit versagt hat. Die Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahmen hatte danach ihre rechtliche Grundlage ausschließlich in der Versagung der Vollstreckbarerklärung und war deren zwangsläufige Folge. In einem solchen Fall nötigt der rechtliche Zusammenhang, in dem beide Teile der Entscheidung stehen, dazu, mit der Aufhebung des präjudiziellen Erkenntnisses (über die Versagung der Vollstreckbarerklärung) auch die darauf beruhende Folgeentscheidung (über die Vollstreckungsmaßnahmen) aufzuheben, da diese andernfalls bestehen bleiben würde, obwohl ihr die rechtliche Grundlage entzogen ist (vgl. BGHZ 35, 302, 306 m. w. N.).
Die neue Entscheidung über die beantragten Vollstreckungsmaßnahmen auf der nunmehr gegebenen Grundlage, der Vollstreckbarkeit der Herausgabeanordnung muß dem Oberlandesgericht vorbehalten bleiben. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es der Gesichtspunkt der Präjudizialität überhaupt rechtfertigen könnte, dem Rechtsmittelgericht neben der Befugnis zur Aufhebung der Folgeentscheidung auch die Kompetenz zu einer ersetzenden Entscheidung (vgl. § 565 Abs. 3 ZPO) zuzuweisen. Im vorliegenden Fall wäre dem Senat eine abschließende Entscheidung über die zu treffenden Vollstreckungsmaßnahmen schon deshalb verwehrt, weil es jedenfalls für die Entscheidung, ob die Anordnung der Gewaltanwendung gerechtfertigt ist, noch einer weiteren tatrichterlichen Prüfung bedarf. Die Gewaltanwendung nach § 33 Abs. 2 Satz 1 FGG ist nur als äußerstes Mittel vorzusehen, wenn alle anderen Mittel keinen Erfolg versprechen und ein alsbaldiges Einschreiten unbedingt geboten ist. Gerade die Vollziehung eines Titels auf Herausgabe eines Kindes erfordert, wenn nicht Gefahr im Verzug ist, ein behutsames Vorgehen, wobei auf die Belange des Kindes Rücksicht zu nehmen ist. Im allgemeinen ist zunächst mit Androhung und Verhängung von Zwangsgeld vorzugehen, ehe Gewaltanwendung verfügt wird (vgl. im einzelnen BGHZ 67, 255, 262). Im vorliegenden Fall hat das Jugendamt in seiner im ersten Rechtszug eingeholten Stellungnahme die Befürchtung geäußert, daß das Kind nach seiner psychischen Verfassung für eine längere Zeit schweren Schaden an seiner Entwicklung nehmen könnte, wenn es unter Anwendung von Zwang von seiner Mutter entfernt werde. Dieses Vorbringen ist bisher nach den vorgenannten Grundsätzen nicht ausreichend berücksichtigt und auf seine Richtigkeit geprüft worden.
Fundstellen
Haufe-Index 609552 |
BGHZ, 113 |
IPRspr. 1983, 198 |