Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Zulassung eines angestellten Steuerberaters zur Rechtsanwaltschaft
Leitsatz (amtlich)
Durch die Neufassung des Steuerberatungsgesetzes vom 04.11.1975 (BGBl I 2735) hat sich nichts daran geändert, daß nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden kann, wer bei einer Steuerberatungsgesellschaft angestellt ist (Ergänzung BGH, 11.10.1975, AnwZ (B) 9/75, BGHZ 65, 238).
Leitsatz (redaktionell)
Die Regelung des § 50 Abs. 2 StBerG 1975 greift nicht zwangsläufig in das Berufsbild der Rechtsanwälte ein. Welche Folgen es für einen Rechtsanwalt hat, wenn er Mitglied des Vorstands, Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter einer Steuerberatungsgesellschaft wird, ist vielmehr nach wie vor der für die Rechtsanwälte maßgebenden Berufsordnung zu entnehmen.
Normenkette
StBerG § 58 Abs. 2 Nr. 1, § 50 Abs. 2; BRAO § 7 Nr. 8
Tatbestand
I.
Der Antragsteller bestand am 23. März 1970 die Große juristische Staatsprüfung. Seitdem ist er für eine Steuerberatungsgesellschaft mbH als Justitiar im Angestelltenverhältnis tätig.
Seit Oktober 1977 betreibt er seine Zulassung als Rechtsanwalt beim Amtsgericht und LG S.. Er will neben der Anwaltstätigkeit sein Beschäftigungsverhältnis bei der Steuerberatungsgesellschaft als Prokurist fortsetzen.
Der Vorstand der Antragsgegnerin hat in seinem Gutachten vom 18. Januar 1978 den Versagungsgrund des § 7 Nr. 8 BRAO geltend gemacht, weil der Antragsteller als Angestellter eines den anwaltlichen Standespflichten nicht unterworfenen Geschäftsherrn Dritten Rechtsrat zu erteilen habe. Das sei mit dem Anwaltsberuf unvereinbar.
Den dagegen vom Antragsteller fristgerecht eingereichten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Ehrengerichtshof durch Beschluß vom 28. Juni 1978 zurückgewiesen und festgestellt, daß der vom Vorstand der Antragsgegnerin angeführte Versagungsgrund vorliegt.
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.
Entscheidungsgründe
II.
Das nach § 42 Abs. 1, Abs. 4 BRAO zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Nach der Rechtsprechung des Senats kann niemand als Rechtsanwalt zugelassen werden, der in abhängiger Stellung als Angestellter eines den anwaltlichen Standespflichten nicht unterworfenen Geschäftsherrn Dritten Rechtsrat zu erteilen, wie überhaupt Rechtsangelegenheiten für Dritte zu besorgen hat (BGHZ 35, 287; 38, 241; 40, 282; 46, 60; 63, 377; 65, 238; 68, 62). Dabei hat der Senat wiederholt hervorgehoben, daß es nicht darauf ankommt, ob der Angestellte generell oder im Einzelfall an konkrete Weisungen seines Dienstherrn gebunden ist. Entscheidend ist vielmehr, daß ihm die Eigenverantwortlichkeit fehlt, von der das Berufsbild des Rechtsanwalts wesentlich geprägt wird.
Schon die allein auf mittelbare Rechtsberatung der Mandanten des Geschäftsherrn gerichtete Betätigung im Angestelltenverhältnis ist mit dem Anwaltsberuf unvereinbar. Wer sich – in welcher Form auch immer – zum lediglich Ausführenden eines den anwaltlichen Pflichten nicht unterworfenen, geschäftlichen Rechtsberatungsunternehmens macht, entfremdet sich grundlegend dem überlieferten Berufsbild des Anwalts (BGHZ 63, 377, 379 mit weiteren Nachweisen; 65, 238, 240; 68, 62, 63).
Deshalb hat der Senat entschieden, daß zur Rechtsanwaltschaft auch nicht zugelassen werden kann, wer für ein solches Unternehmen Rechtsrat erarbeitet, den dieses Unternehmen an seine Auftraggeber weitergibt, wenn er zwar nicht Angestellter des Unternehmens, sondern mit diesem durch einen Beratungsvertrag verbunden ist, ihm aber gleichwohl die Eigenverantwortlichkeit gegenüber den Ratsuchenden fehlt (BGHZ 63, 377). Ferner kann ein bei einer Steuerberatungsgesellschaft angestellter Steuerberater selbst dann nicht als Rechtsanwalt zugelassen werden, wenn er zeichnungsberechtigt ist und Prokura hat (BGHZ 65, 238). Die letztgenannte Entscheidung ist unter der Geltung des Steuerberatungsgesetzes in seiner Neufassung vom 4. November 1975 (BGBl I 2735) ergangen. Die gegen den Senatsbeschluß erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluß vom 18. August 1976 – 2 BvR 95/76). Mit Beschluß vom 17. Januar 1977 – AnwZ (B) 31/76 – hat der Senat an seiner Rechtsprechung festgehalten.
2. Er weicht auch nach erneuter Überprüfung nicht davon ab. Was der Antragsteller dagegen vorbringt, gibt zu einer Änderung der Rechtsprechung keinen Anlaß.
a) So hat der Senat schon seit langem die Berufe des Rechtsanwalts und des Steuerberaters als gleichwertig und artverwandt angesehen (vgl etwa BGHZ 49, 244, 247). Es ist auch richtig, daß beide Berufe einheitliche einander entsprechende Berufsordnungen und Standesorganisationen haben (BGH a.a.O.). Rechtsanwälte und Steuerberater üben einen freien Beruf aus; ihre Tätigkeit ist kein Gewerbe (§ 2 BRAO; § 32 Abs. 2 StBerG). Das bedeutet aber nicht, daß sie damit auch zueinander in jeder Hinsicht mit uneingeschränkter Wechselwirkung die gleiche Stellung einnehmen.
Das ist schon deshalb nicht der Fall, weil der Rechtsanwalt – und nur er – als unabhängiges Organ der Rechtspflege der berufene Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten ist (§§ 1, 3 Abs. 1 BRAO). Darin liegt nicht nur ein quantitativer Unterschied zum Steuerberater, wie der Antragsteller meint. Auch seine Befugnisse sind umfassender als die des Steuerberaters. Das kommt insbesondere darin zum Ausdruck, daß gemäß § 392 AO (1977) Steuerberater nur zu Verteidigern gewählt werden können, soweit die Finanzbehörde das Strafverfahren selbständig durchführt. Sonst, also vor allem in den schwerwiegenderen Fällen, können sie die Verteidigung nur gemeinschaftlich mit einem Rechtsanwalt oder einem Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule führen. Der Rechtsanwalt unterliegt einer solchen Beschränkung nicht.
b) Aber auch das materielle Standesrecht der beiden Berufsgruppen deckt sich nicht und kann gar nicht übereinstimmen. So treffen beispielsweise alle Pflichten des Rechtsanwalts, die mit dessen unumgänglicher Zulassung bei einem bestimmten Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit (§§ 18, 27 BRAO) und mit dem Anwaltszwang (§ 78ff ZPO) verbunden sind, den Steuerberater nicht, für den keine vergleichbaren Bestimmungen gelten. Steuerberater können denn auch auswärtige Beratungsstellen einrichten (§ 34 StBerG), während Rechtsanwälte grundsätzlich weder Zweigstellen unterhalten noch auswärtige Sprechtage abhalten dürfen (§ 28 BRAO). Eine der Steuerberatungsgesellschaft (§§ 49ff StBerG) entsprechende Einrichtung gibt es für den Rechtsanwalt nicht. Steuerberater dürfen sich auch ohne weiteres mit Steuerbevollmächtigten zu gemeinsamer Berufsausübung zusammenschließen, während das Rechtsanwälten nach wie vor untersagt ist (BGHSt 27, 390). Gemäß § 58 Abs. 1 StBerG kann ein Steuerberater sogar bei einem Steuerbevollmächtigten angestellt sein.
Diese Beispiele mögen genügen, um aufzuzeigen, daß sich – bei durchaus gleichwertiger und artverwandter Tätigkeit des Rechtsanwalts und des Steuerberaters – die Stellung des Rechtsanwalts als des umfassenden Organs der Rechtspflege insgesamt gesehen, doch wesentlich von der des Steuerberaters unterscheidet. Deshalb hat auch jeder der freien Berufsstände seine eigenen Standespflichten (BGHZ 65, 238, 241). Was für den einen aus seiner Sicht erlaubt ist, braucht es für den anderen aus dessen Sicht nicht zu sein (BGHSt 27, 390, 394). Das gilt auch und gerade für Anstellungsverhältnisse.
Infolgedessen kann nicht darauf verzichtet werden, daß ein Rechtsanwalt in den Diensten eines anderen Rechtsangelegenheiten für Dritte ohne Eigenverantwortlichkeit diesen gegenüber allenfalls besorgen darf, wenn auch sein Geschäftsherr den anwaltlichen Standespflichten unterworfen ist (BGHZ 65, 238, 241). Das allein steht im Einklang mit dem herkömmlichen Berufsbild des Rechtsanwalts, an dem das Steuerberatungsgesetz in seiner Neufassung von 1975 nichts geändert hat. Es besagt daher nichts, daß nach § 58 Abs. 2 Nr. 1 StBerG 1975 ein Steuerberater nun auch bei einem Rechtsanwalt angestellt sein darf. Das bedeutet keineswegs, daß umgekehrt ebenso ein Rechtsanwalt in die Dienste eines Steuerberaters muß treten dürfen, schon gar nicht in die Dienste einer Steuerberatungsgesellschaft.
c) Der Antragsteller kann auch nichts für sich daraus herleiten, daß gemäß § 50 Abs. 2 StBerG 1975 neben Steuerberatern auch Rechtsanwälte Mitglieder des Vorstands, Geschäftsführer oder persönlich haftende Gesellschafter von Steuerberatungsgesellschaften sein können. Die Vorschrift regelt, wie der Ehrengerichtshof mit Recht hervorhebt, ausschließlich die Voraussetzungen, unter denen eine Steuerberatungsgesellschaft in einer bestimmten Rechtsform anerkannt werden kann. Die Bestimmung wurde erst im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens in den Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 7/2852) eingefügt (BT-Drucksache 7/3526). Bis dahin bedurfte es (nach § 17 Abs. 2 StBerG 1961) einer besonderen Genehmigung der obersten Landesbehörde, wenn neben Steuerberatern Angehörige anderer Berufe – auch Rechtsanwälte – Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer oder persönlich haftende Gesellschafter von bereits bestehenden Steuerberatungsgesellschaften werden sollten.
Zweck der Neuregelung war es allein, die Angehörigen der Berufe, die kraft Gesetzes zu unbeschränkter Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind, wozu auch die Rechtsanwälte zählen, von der Genehmigungspflicht auszunehmen, um einen unnötigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden (vgl. den Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuß) vom 17. April 1975 A II zu Nr. 27 (§ 50 StBerG) BT-Drucksache 7/3526 S 6). Darüber hinausgehende Bedeutung hat die Neuerung nicht. Daß damit in die Berufsordnung der Rechtsanwälte eingegriffen werden sollte mit dem Ziel, das Berufsbild des Rechtsanwalts neu zu prägen, klingt im Gesetzgebungsverfahren nirgends an. Im Gegenteil ist sogar die Problematik der Steuerberatungsgesellschaften in ihrer derzeitigen Ausgestaltung mit der Gefahr des möglicherweise zu großen Einflusses berufsfremder Aktionäre und Gesellschafter auf die Beratungstätigkeit aufgeworfen und erörtert worden. Wegen der dabei auftretenden vielschichtigen Fragen hat der Bundestag aber ausdrücklich von einer Neuregelung insoweit abgesehen und das der weiteren Entwicklung überlassen (Deutscher Bundestag, stenografischer Bericht über die 167. Sitzung vom 24. April 1975 Bl 11728/11731).
Die Regelung des § 50 Abs. 2 StBerG 1975 greift auch nicht zwangsläufig in das Berufsbild der Rechtsanwälte ein. Welche Folgen es für einen Rechtsanwalt hat, wenn er Mitglied des Vorstands, Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter einer Steuerberatungsgesellschaft wird, ist vielmehr nach wie vor der für die Rechtsanwälte maßgebenden Berufsordnung zu entnehmen. Allein danach richtet sich, ob er weiter Rechtsanwalt bleiben kann. So war es ihm schon nach dem Steuerberatungsgesetz 1961 verwehrt (BGH NJW 1964, 2063) – und ist es auch weiterhin (BGHSt 27, 390) –, Rechtsanwalt zu sein, wenn einer der Mitgeschäftsführer einer Steuerberatungs-GmbH ein Steuerbevollmächtigter ist. Es kommen also von vornherein nur Gesellschaften in Betracht, deren Vertretungsorganen Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer und sonst keine Angehörigen anderer Berufe angehören.
Wie darüberhinaus die Gesellschaften ausgestaltet sein müssen, damit die Tätigkeit als Vertretungsorgan mit dem Beruf des Rechtsanwalts und dem Ansehen der Rechtsanwaltschaft vereinbar ist, ja ob überhaupt eine dementsprechende Gestaltung der Rechtsverhältnisse vor allem bei Aktiengesellschaften/Gesellschaften mit beschränkter Haftung möglich ist, hat der Senat bisher offengelassen (BGHZ 63, 377, 381; 65, 238, 241; Beschluß vom 17. Januar 1977 – AnwZ (B) 31/76 –). Der Frage braucht auch jetzt nicht im einzelnen nachgegangen zu werden, denn der Antragsteller ist nicht Mitgeschäftsführer der Steuerberatungs GmbH, bei der er angestellt ist.
Ob einer der Geschäftsführer dieser Gesellschaft Rechtsanwalt ist, spielt keine Rolle (vgl BGHZ 35, 287, 291; Senatsbeschluß vom 17. Januar 1977). Unerheblich ist ferner, ob anderen Rechtsanwälten die Zulassung gewährt oder belassen wird, obgleich die von ihnen ausgeübte anderweitige Tätigkeit mit dem Beruf eines Rechtsanwalts unvereinbar ist (BGH NJW 1977, 808, 809, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 68, 62; Senatsbeschluß vom 1. Juli 1974 – AnwZ (B) 4/74 = EGE XIII 16, 18 mit weiteren Nachweisen; Senatsbeschluß vom 17. Januar 1977).
d) Schließlich bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Rechtsprechung des Senats, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde gegen die BGHZ 65, 238 abgedruckte Senatsentscheidung, in der die tragenden Grundsätze zusammengefaßt sind, nicht zur Entscheidung angenommen hat (Beschluß vom 18. August 1976 – 2 BvR 95/76).
III.
Nach alledem ist die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.
Fundstellen