Entscheidungsstichwort (Thema)
Vereinbarkeit einer Geschäftsführertätigkeit einer Steuerberatungsgesellschaft mit dem Beruf als Rechtsanwalt
Leitsatz (amtlich)
Die Tätigkeit eines Steuerberaters als Gesellschafter und einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer einer Steuerberatungs-GmbH kann mit dem Beruf eines Rechtsanwalts vereinbar sein.
Leitsatz (redaktionell)
§ 50 Abs. 2 StBerG in der seit 1975 geltenden Fassung ist nicht zu entnehmen, daß jede Tätigkeit als Geschäftsführer von Steuerberatungsgesellschaften für Rechtsanwälte ohne weiteres zugelassen ist; die Anforderungen des anwaltlichen Berufsrechts sind daneben zu prüfen. Allerdings ergibt sich aus der Vorschrift, daß der Gesetzgeber es nicht grundsätzlich mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts für unvereinbar hält, daß ein Rechtsanwalt Gesellschafter und Organ einer Steuerberatungsgesellschaft ist. Maßgebend ist eine Einzelfallprüfung, bei der die Gestaltung der Gesellschaft und der Tätigkeit, die der Rechtsanwalt auszuüben wünscht, zu berücksichtigen ist.
Normenkette
StBerG § 50 Abs. 2, § 57 Abs. 1, § 60 Abs. 1 Nr. 2; BRAO § 7 Nr. 8
Verfahrensgang
Ehrengerichtshof für Rechtsanwälte Stuttgart (Entscheidung vom 01.12.1990; Aktenzeichen EGH 14/90 (I)) |
Tatbestand
I. Der Antragsteller wurde am 28. September 1982 erstmals als Rechtsanwalt beim Amtsgericht und Landgericht H. zugelassen. Nachdem er auf seine Zulassung verzichtet hatte, nahm das Justizministerium Baden-Württemberg durch Verfügung vom 29. September 1983 seine Zulassung zurück.
Der Antragsteller war ab September 1983 als Angestellter der Steuerberatersozietät von P. und K. tätig. Am 25. Februar 1987 bestand er die Steuerberaterprüfung. Mit notarieller Urkunde vom 26. Februar 1987 wurde die Steuerberatungsgesellschaft mbH von P., K. und Partner gegründet. An dieser GmbH, deren Stammkapital 1 Mio. DM beträgt, ist der Antragsteller mit 225.000 DM beteiligt. Außer dem Antragsteller sind an der Steuerberatungs-GmbH noch drei weitere Steuerberater beteiligt, deren Kapitalanteile 450.000 DM, 225.000 DM und 100.000 DM betragen.
Die Steuerberatungs-GmbH hat den Antragsteller mit Vertrag vom 27. Februar 1987 zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt; sämtliche anderen Gesellschafter sind ebenfalls alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer. Der – mehrmals geänderte – Geschäftsführervertrag des Antragstellers enthält u.a. folgende Regelungen:
§ 1 Aufgaben
(1) Herrn K. B. obliegt die verantwortliche Leitung der Gesellschaft einschließlich Personalangelegenheiten der Firma von P., K. und Partner GmbH sowie deren Vertretung.
(2) Bei der Erfüllung seiner Aufgaben ist Herr B., sofern er für die Gesellschaft handelt, nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages der Gesellschafterversammlung insoweit verantwortlich und an die maßgeblichen Gesetze, insbesondere das Steuerberatungsgesetz und an die Richtlinien für die Berufsausübung der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten gebunden. Über wichtige Geschäftsvorgänge hat er die Gesellschafter unverzüglich zu unterrichten und Entscheidungen von wesentlicher Bedeutung für die Gesellschaft vorher mit ihnen zu erörtern.
§ 2 Besondere Pflichten
(1) Herr B. verpflichtet sich, seine Arbeitskraft im nach § 1 erforderlichen Umfang der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Daneben bleibt Herr B. berechtigt, eine weitere Tätigkeit auszuüben, die mit seiner Stellung als Steuerberater und Geschäftsführer der Gesellschaft vereinbar ist. Insbesondere wird der Tätigkeit von Herrn B. als freier Rechtsanwalt zugestimmt und ihm jederzeit die Möglichkeit zum pflichtgemäßen Handeln entsprechend der anwaltlichen Berufspflichten eingeräumt. …
Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 19. März 1990 beim Justizministerium Baden-Württemberg beantragt, ihn zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt beim Amtsgericht B. und beim Landgericht S. zuzulassen. Seine Kanzlei will der Antragsteller in den Büroräumen der Rechtsanwälte V. und Partner in B. einrichten. Die Antragsgegnerin hat in ihrem im Zulassungsverfahren von der Landesjustizverwaltung eingeholten Gutachten den Versagungsgrund des § 7 Nr. 8 BRAO geltend gemacht. Nach ihrer Auffassung stellt die Geschäftsführertätigkeit des Antragstellers Rechtsberatung im Abhängigkeitsverhältnis dar, die mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts nicht vereinbar ist. Als Geschäftsführer sei er gegenüber der Gesellschafterversammlung der Steuerberatungs-GmbH weisungsunterworfen. Die Landesjustizverwaltung hat gemäß § 9 Abs. 1 BRAO die Entscheidung über den Antrag auf Zulassung ausgesetzt. Der Antragsteller hat beim Ehrengerichtshof Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Auf seinen Antrag hat der Ehrengerichtshof festgestellt, daß der im Gutachten angeführte Versagungsgrund des § 7 Nr. 8 BRAO nicht vorliegt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, 4 BRAO). Sie ist aber nicht begründet.
Die Tätigkeit des Antragstellers als Gesellschafter und einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Steuerberatungs-GmbH ist gekennzeichnet dadurch, daß er selbst Steuerberater ist, daß alle weiteren Gesellschafter Steuerberater und je einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer sind und daß der Gesellschaftsvertrag (§ 1 Abs. 2) die Verantwortlichkeit des Antragstellers gegenüber der Gesellschaft nach Maßgabe u.a. des Steuerberatungsgesetzes und der einschlägigen Richtlinien festsetzt. Diese Tätigkeit ist keine gemäß § 7 Nr. 8 BRAO mit dem Anwaltsberuf unvereinbare Tätigkeit.
1. Entgegen der Auffassun der Antragsgegnerin ist die Eigenverantwortlichkeit bei der genannten Tätigkeit des Antragstellers, die eine Voraussetzung für die Vereinbarkeit mit dem Beruf des Rechtsanwalts ist, hier gegeben.
a) Eine mit dem Anwaltsberuf unvereinbare Tätigkeit (§ 7 Nr. 8 BRAO) hat der Senat in ständiger Rechtsprechung angenommen, soweit der Anwaltsbewerber in abhängiger Stellung im Auftrag eines nicht dem anwaltlichen Standesrecht unterworfenen Dritten Rechtsrat erteilt, selbst wenn die Rechtsberatung an Gewicht und Zeitaufwand hinter anderen Aufgaben zurücktreten sollte (BGHZ 35, 287 ff; 38, 241 ff; 40, 282 ff; 63, 377 ff; 65, 238 ff; 72, 322 ff; 97, 204 ff; BGH, Beschluß vom 25. April 1988 – AnwZ (B) 2/88, BRAK – Mitt. 1988, 271 f; BGH, Beschluß vom 4. Dezember 1989 – AnwZ (B) 43/89, BRAK-Mitt. 1990, 110). Demgemäß hat der Senat bei denjenigen, die im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses bei einem Steuerberater oder einer Steuerberatungsgesellschaft unmittelbar oder mittelbar Rechtsberatung (dazu gehört auch Steuerberatung) betreiben, eine unvereinbare Tätigkeit angenommen (BGHZ 38, 241 ff; 63, 377 ff; 65, 238 ff; 72, 322 ff). Vom Berufsbild des Rechtsanwalts, das von der Eigenverantwortlichkeit der Beratung geprägt ist, entfernt sich derjenige, der in weisungsgebundener Stellung Rechtsberatung erteilt. Im Falle seiner Zulassung befände er sich in einer Doppelrolle, weil er einerseits im Abhängigkeitsverhältnis und andererseits als freiberuflicher Rechtsanwalt Rechtsrat erteilt. Damit entständen in der Rechtswirklichkeit im Bereich der Rechtsberatung Mischformen, die die Verantwortlichkeiten nicht mehr klar erkennen ließen und insoweit die Rechtssicherheit beeinträchtigen könnten (vgl. BGH, Beschluß vom 4. Dezember 1989 – AnwZ (B) 56/89, BRAK-Mitt. 1990, 50 f). Ob eine anderweitige Beschäftigung mit dem Anwaltsberuf vereinbar ist, richtet sich nach der konkreten Gestaltung der Tätigkeit (BGHZ 63, 377, 380).
b) Die Prüfung, ob der Antragsteller seine Tätigkeit in der nach diesen Grundsätzen erforderlichen Eigenverantwortlichkeit ausübt, ist nicht dadurch entbehrlich geworden, daß § 50 Abs. 2 StBerG in der seit 1975 geltenden Fassung sagt, daß neben Steuerberatern u.a. auch Rechtsanwälte Geschäftsführer von Steuerberatungsgesellschaften sein können (BGHZ 72, 322, 326 ff; 94, 65, 70). Der Vorschrift ist nicht zu entnehmen, daß jede Tätigkeit als Geschäftsführer von Steuerberatungsgesellschaften für Rechtsanwälte ohne weiteres zugelassen ist; die Anforderungen des anwaltlichen Berufsrechts sind daneben zu prüfen. Allerdings ergibt sich aus der Vorschrift, daß der Gesetzgeber es nicht grundsätzlich mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts für unvereinbar hält, daß ein Rechtsanwalt Gesellschafter und Organ einer Steuerberatungsgesellschaft ist. Maßgebend ist, wie bereits gesagt, eine Einzelfallprüfung, bei der die Gestaltung der Gesellschaft und der Tätigkeit, die der Rechtsanwalt auszuüben wünscht, zu berücksichtigen ist.
c) Die Tätigkeit des einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführers einer Steuerberatungs-GmbH, der Steuerberater ist, erhält durch das Steuerberatungsgesetz eine besondere Prägung, die seine Eigenverantwortlichkeit bei der steuerberatenden Tätigkeit im Verhältnis zur Gesellschaft, zu den Gesellschaftern und den übrigen Organen sicherstellt. § 32 Abs. 3 Satz 2 StBerG verlangt, daß eine Gesellschaft, die als Steuerberatungsgesellschaft anerkannt werden soll, von Steuerberatern „verantwortlich geführt” wird. Das bedeutet, daß die mit der Leitung der Gesellschaft betrauten Steuerberater – ein solcher ist der Antragsteller – bei ihrer geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen so unabhängig und weisungsfrei sein müssen, wie ein freier Steuerberater (BFH, BStBl. 1981 II 586, 589 f; vgl. auch BFH BStBl. 1986 II 101 ff).
Es ist anerkannt, daß ein Rechtsanwalt zugleich die Tätigkeit eines Steuerberaters ausüben darf (BGHZ 35, 385, 387 f; 94, 65, 68). Aus dem eben Gesagten folgt, daß gegenüber dieser Fallgestaltung diejenige, in der ein Steuerberater als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer mit der Leitung der Steuerberatungsgesellschaft betraut ist, keinen Unterschied insofern aufweist, als es um die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit bei der Hilfeleistung in Steuersachen geht. Aus der Regelung des Steuerberatungsgesetzes ergibt sich, daß für den Steuerberater die Tätigkeit als Gesellschafter und Geschäftsführer einer Steuerberatungs-GmbH eine im Vergleich zur selbständigen Steuerberatertätigkeit gleichwertige Form der Berufsausübung ist.
Der Gesellschaftsvertrag wie auch der mit dem Antragsteller geschlossene Geschäftsführervertrag beachten diesen Grundsatz der verantwortlichen Leitung durch den Steuerberater/Geschäftsführer. Die Gegenstände, die gemäß §§ 6, 7 des Gesellschaftsvertrages der Entscheidungsbefugnis der Gesellschafterversammlung zugewiesen sind, betreffen sämtlich allgemein wirtschaftliche Angelegenheiten (wie Belastung von Grundstücken, Erteilung von Prokura, Abschluß von Miet- und Pachtverträgen). Der Gesellschaftsvertrag sichert den Geschäftsführern ausdrücklich die in § 57 Abs. 1, § 60 Abs. 1 Nr. 2 StBerG vorgeschriebene Unabhängigkeit und Freiheit zum pflichtgemäßen Handeln. Ebenso gewährleistet der Geschäftsführervertrag dem Antragsteller die vom Steuerberatungsgesetz vorausgesetzte Eigenverantwortlichkeit im Rahmen der steuerberatenden Tätigkeit. Das sagt § 1 des Geschäftsführervertrages. Vertragliche Bestimmungen, die der Gesellschafterversammlung weitergehende Einflußmöglichkeiten erlauben, sind nicht erkennbar.
d) Zutreffend weist die Antragsgegnerin allerdings darauf hin, daß es nach der Rechtsprechung des Senats nicht oder jedenfalls nicht allein auf die Weisungsfreiheit des Rechtsberatung Ausübenden im Innenverhältnis zu seinem Geschäftsherrn ankommt, sondern daß die Eigenverantwortlichkeit im Verhältnis zu den Ratsuchenden gegeben sein muß (BGHZ 97, 204, 207; BGH, Beschluß vom 25. April 1988 – AnwZ (B) 2/88, BRAK-Mitt. 1988, 271 f).
Entgegen der Meinung der Antragsgegnerin kann aber die in ihrer Eigenart geprägte Tätigkeit des Antragstellers als Steuerberater und einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Steuerberatungs-GmbH nicht gleichgesetzt werden mit derjenigen eines Angestellten der Steuerberatungsgesellschaft. Zwar hat der Senat bei der Erörterung von Fällen, die Angestellte einer solchen Gesellschaft betrafen, erwähnt, daß diese nicht in „Rechtsbeziehungen” zu dem Ratsuchenden treten, sondern daß dieser sich an die Gesellschaft wendet, während die Angestellten in „Ausführung” der der Gesellschaft obliegenden Tätigkeit die Beratung erteilen (BGHZ 97, 204, 207 und die dort genannten weiteren Entscheidungen). Bei der Steuerberatungs-GmbH kommt zivilrechtlich der Mandantenvertrag ebenfalls mit der juristischen Person, nicht mit dem Geschäftsführer zustande. Hieraus ist aber nicht zwangsläufig zu folgern, daß das berufsrechtliche Merkmal der Eigenverantwortlichkeit in der Tätigkeit des Geschäftsführers verneint werden müßte. Der Geschäftsführer als Organ der Gesellschaft handelt nicht in „Ausführung” der Tätigkeit eines Dienstherrn, sondern die Gesellschaft handelt durch ihn; sein Handeln ist kein Handeln für die GmbH, sondern Handeln der GmbH (vgl. Palandt/Heinrichs, Komm.z. BGB, 50. Aufl., § 26 Rdnr. 1). Grundlage für diese Beurteilung ist, daß das Steuerberatungsgesetz die Steuerberatung durch eine Kapitalgesellschaft zugelassen hat. Deshalb steht der Bejahung der Eigenverantwortlichkeit auch nicht entgegen, daß die vertragliche Haftung aus den Beratungsverträgen die GmbH, grundsätzlich nicht den Geschäftsführer trifft.
e) Bei einer Gesamtbewertung ergeben die unter c) und d) genannten Gesichtspunkte, daß die vom anwaltlichen Berufsrecht geforderte Eigenverantwortlichkeit des Antragstellers bei der von ihm ausgeübten Tätigkeit als Steuerberater und einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Steuerberatungs-GmbH im vorliegenden Fall bejaht werden kann.
2. Es sind auch im übrigen keine Gesichtspunkte erkennbar, die eine Unvereinbarkeit mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts begründen könnten. Die Steuerberatungsgesellschaft übt selbst kein Gewerbe aus (BGHZ 94, 65, 69) und der Antragsteller erweckt auch nicht den Anschein, daß er den Beruf des Rechtsanwalts in der Gesellschaft oder durch die Gesellschaft ausüben wolle (zur Unvereinbarkeit bei solchem Anschein siehe BGHZ 94, 65, 71). Zudem ermöglicht ihm die Regelung des § 2 seines Geschäftsführervertrages – was die Antragsgegnerin zu Unrecht bezweifelt hat – die Ausübung des Anwaltsberufs in nennenswertem Umfang. Es sind keine konkreten Anhaltspunkte vorhanden, die zu der Annahme berechtigen könnten, daß der Antragsteller aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen an der Ausübung des Anwaltsberufs (vgl. BGH, Beschluß vom 17. Dezember 1990 – AnwZ (B) 63/90) gehindert sei.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 201 Abs. 2 BRAO; die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen auf § 42 Abs. 6 Satz 2 BRAO in Verbindung mit § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.
Fundstellen
BGHZ, 343 |
BB 1991, 1447 |
NJW 1991, 2287 |
ZIP 1991, 1006 |