Entscheidungsstichwort (Thema)
Patentanmeldung P 44 23 367.1–53
Leitsatz (amtlich)
a) Die Beantwortung der Frage, ob eine auf ein Programm für Datenverarbeitungsanlagen gerichtete Patentanmeldung die nach § 1 Abs. 1 PatG vorausgesetzte Technizität aufweist, erfordert eine wertende Betrachtung des im Patentanspruch definierten Gegenstandes.
b) Betrifft der Lösungsvorschlag einen Zwischenschritt im Prozeß, der mit der Herstellung von (Silicium-)Chips endet, so kann er vom Patentschutz nicht deshalb ausgenommen sein, weil er – abgesehen von den in dem verwendeten elektronischen Rechner bestimmungsgemäß ablaufenden Vorgängen – auf den unmittelbaren Einsatz von beherrschbaren Naturkräften verzichtet und die Möglichkeit der Fertigung tauglicher Erzeugnisse anderweitig durch auf technischen Überlegungen beruhende Erkenntnisse voranzubringen sucht (Abweichung von BGHZ 115, 23, 30 – Chinesische Schriftzeichen).
Normenkette
PatG 1981 § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin werden der Beschluß des 17. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 22. Januar 1998 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Gegenstandes der Rechtsbeschwerde wird auf
50.000,– DM
festgesetzt.
Gründe
I. Am 4. Juli 1994 meldete die Rechtsbeschwerdeführerin ein „Verfahren zur hierarchischen Logik-Verifikation hochintegrierter Schaltungen” zum Patent an, bei dem durch eine mit Hilfe eines Extraktionsverfahrens aus dem physikalischen Layout der jeweiligen hochintegrierten Schaltung gewonnene hierarchische Layout-Schaltung mit einer durch einen Logikplan festgelegten hierarchischen Logikplan-Schaltung vermittels im wesentlichen dreier, im folgenden noch angegebener Schritte verglichen wird.
Die Prüfungsstelle des Deutschen Patentamts hat die Anmeldung zurückgewiesen, weil bei dem beanspruchten Verfahren keine technischen Mittel zum Einsatz kämen. Es könne auch von einem Menschen mittels Papier und Bleistift ausgeführt werden. Im Beschwerdeverfahren hat die Anmelderin den Patentanspruch durch die Hinzufügung der Worte „durch einen elektronischen Rechner” geändert, so daß er folgenden Wortlaut hat:
Verfahren zur hierarchischen Logik-Verifikation hochintegrierter Schaltungen,
bei dem durch einen elektronischen Rechner eine mit Hilfe eines Extraktionsverfahrens aus dem physikalischen Layout der jeweiligen hochintegrierten Schaltung gewonnene hierarchische Layout-Schaltung mit einer durch einen Logikplan festgelegten hierarchischen Logikplan-Schaltung derart verglichen wird,
daß, in einem Schritt 1, sowohl die Layout-Schaltung als auch die Logikplan-Schaltung derart transformiert werden, daß die Anschlußzahl der Teilschaltungen jeder Hierarchieebene minimal ist, wobei dies dadurch geschieht, daß
1. a) Anschlüsse einer Teilschaltung, die innerhalb dieser Teilschaltung mit keinem Bauelement dieser Teilschaltung oder keiner Instanz einer untergeordneten Teilschaltung, die mindestens einer nächst niedrigeren Hierarchieebene angehört, verbunden sind, gestrichen werden,
1. b) Anschlüsse einer Teilschaltung, die bei allen Instanzen einer jeweiligen Teilschaltung extern miteinander verbunden sind, zu einem gemeinsamen Anschluß zusammengefaßt werden, wobei dies über alle Hierarchieebenen hinweg erfolgt, und
1. c) Anschlüsse einer Teilschaltung, die bei keiner Instanz dieser Teilschaltung eine externe Verbindung mit mindestens einem Bauelement einer anderen Teilschaltung aufweisen, auf der jeweiligen Hierarchieebene als externer Anschluß gestrichen werden, und
- daß, in einem Schritt 2, Paare potentiell äquivalenter Teilschaltungen dadurch gebildet werden, daß in der extrahierten Schaltung und in der Logikplan-Schaltung korrespondierende Teilschaltungen mit gleicher Benennung gesucht werden und einander nur dann zugeordnet werden, wenn diese auch eine identische Anzahl von Anschlüssen aufweisen, und
daß, in einem Schritt 3, die internen Hierarchien eines Paares potentiell äquivalenter Teilschaltungen dadurch in gleichgestaltige (isomorphe) Hierarchien umgeformt werden, daß
3. a) Instanzen von Teilschaltungen, denen ein Partner in der jeweils anderen Schaltung zugeordnet ist, durch ein nicht weiter zu detailierendes Makro-Bauelement ersetzt werden, sofern zumindest alle Anschlüsse beider Instanzen einander vollständig zuzuordnen sind,
3. b) Instanzen von Teilschaltungen, denen kein Partner in der jeweils anderen Schaltung zugeordnet ist, solange durch Übergang auf eine niedrigere Hierarchieebene partiell expandiert werden, bis wieder mindestens eine Instanz einer Teilschaltung vorliegt, zu der ein Partner in der jeweils anderen Schaltung mit zugeordneten Anschlüssen existiert und diese jeweilige Instanz der jeweiligen untergeordneten Teilschaltung ebenfalls durch ein jeweiliges Makro-Bauelement ersetzt wird,
3. c) Instanzen von Teilschaltungen, denen ein Partner in der jeweils anderen Schaltung zugeordnet ist, und bei denen nicht alle Anschlüsse beider Instanzen einander zuzuordnen sind, wahlweise ebenfalls, wie in Schritt 3. b), weiter partiell expandiert werden oder der Vergleich der übergeordneten Schaltungsteile unterdrückt wird, und
3. d) Instanzen von Teilschaltungen, die nach Durchführung der oben genannten Schritte in beiden Schaltungen nicht gleich oft vorkommen, wie in Schritt 3. b), weiter expandiert werden, bis die Anzahl der Instanzen aller einander entsprechenden Teilschaltungen jeweils übereinstimmt,
wobei Schritt 3 bereits vorher auf die in den jeweiligen zu vergleichenden Teilschaltungen vorkommenden untergeordneten Teilschaltungen anzuwenden ist.
Die Beschwerde ist erfolglos geblieben. Gegen die in GRUR 1998, 656 abgedruckte Entscheidung des Bundespatentgerichts richtet sich die – zugelassene – Rechtsbeschwerde der Anmelderin, mit der beantragt wird, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.
II. Die Rechtsbeschwerde ist kraft Zulassung statthaft; sie ist auch in der Sache begründet.
1. Das Bundespatentgericht hat die Einfügung „durch einen elektronischen Rechner” in den Patentanspruch für zulässig erachtet. Dagegen erhebt die Rechtsbeschwerde – als ihr günstig – keine Einwände. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.
2. Nach Auffassung des Bundespatentgerichts ist das beanspruchte Verfahren dem Patentschutz nicht zugänglich, weil es keinen technischen Charakter aufweise. Gelehrt sei im wesentlichen ein Datenverarbeitungs- oder Rechenverfahren. Es bestehe darin, vorliegende Daten derart umzuwandeln, daß sie in bestimmter Weise hierarchisch geordnet seien, damit sie auf einfache Art verglichen werden könnten. Da der Kern des beanspruchten Verfahrens in einer eine gedanklich logische Anweisung darstellenden Regel zum Ordnen von Daten bestehe und das beanspruchte Verfahren keinen Hinweis auf einen neuen Aufbau oder eine neue Art der Benutzung einer Datenverarbeitungsanlage enthalte, werde die angemeldete Lehre nicht dadurch technisch, daß die zu verarbeitenden Daten Größen mit technischen Bedeutungsinhalten kennzeichneten und bei ihrer Verarbeitung ein elektronischer Rechner benutzt werde. Der Umstand, daß das Verfahren sich auf eine bloße Bearbeitung von Daten beschränke, hindere auch, der Lehre deshalb technischen Charakter zuzuerkennen, weil zu ihrem Auffinden technische Überlegungen unumgänglich gewesen seien.
3. Die Rechtsbeschwerde hält dem entgegen, das angemeldete Verfahren betreffe einen technischen Teilaspekt im Rahmen des Entwurfs und der Herstellung von hochintegrierten Halbleiterbauelementen (Silicium-Chips). Angesichts der Zielsetzung und der vorgeschlagenen Lösung greife es zu kurz, das beanspruchte Verfahren auf die Funktion der Umwandlung von Daten zum Zwecke einfacherer Vergleichbarkeit zu reduzieren. Es erfolge gerade keine bloße Umwandlung. Vielmehr werde die Speicherung und Verarbeitung von redundanten Daten vermieden, indem erfindungsgemäß soweit wie möglich auf eine Expandierung (Umwandlung) von zu vergleichenden Daten verzichtet werde. Nur so seien kürzere Verarbeitungszeiten und ein geringerer Speicherplatzbedarf zu erreichen. Durch die erreichte Reduzierung des erforderlichen Speicherplatzes und die geringeren Verarbeitungszeiten werde eine Verifikation auf einer Vielzahl von Datenverarbeitungsanlagen erstmals möglich. Ohne Datenverarbeitungsanlage sei das Verfahren überhaupt nicht ausführbar.
4. Diesen Angriffen der Rechtsbeschwerde kann der Erfolg nicht versagt bleiben.
a) Der Anmeldungsgegenstand betrifft den Bereich der Entwicklung von integrierten Schaltungen, sogenannten Chips. Nach den Angaben der Beschreibung werden hierzu zunächst ein im allgemeinen hierarchisch aufgebauter Logikplan und anschließend in Abhängigkeit davon das physikalische Layout entworfen bzw. die geometrische Beschreibung der Masken erstellt. Diese Erstellung erfolgt in der Regel nur teilweise maschinell. Ein wichtiger Schritt im Designprozeß ist (deshalb) die Verifikation der korrekten Umsetzung des Logikplans in ein entsprechendes Layout. Hierzu wird die Layout-Beschreibung mittels eines Extraktionsverfahrens, das als solches nicht Gegenstand der Anmeldung ist, in die Form einer Schaltung überführt. Durch einen mittels einer Datenverarbeitungsanlage durchzuführenden Vergleich der Layout-Schaltung mit der Logikplan-Schaltung kann dann überprüft werden, ob eine bestimmte Spezifikation tatsächlich in ein entsprechendes Layout umgesetzt worden ist. Da aktuelle Designs Millionen von Bauelementen enthalten, erfordert jedoch (auch) der Schaltungsvergleich große Arbeitsspeicher und extrem hohe Programmlaufzeiten, so daß er mit den meisten bekannten Verfahren praktisch nicht mehr durchführbar ist. Die bekannten Verfahren sind nämlich häufig dadurch gekennzeichnet, daß der Vergleich detailliert auf Bauelemente-Niveau zu erfolgen hat. Bekannt war zwar auch ein Verfahren, das zu einer Verringerung der Datenmengen und der Laufzeiten führte, weil es darauf basiert, nach vollständiger Expandierung die Bauelemente zu Funktionsblöcken zusammenzufassen und so Schaltungen mit einstufiger Hierarchie zu bilden. Die damit erzielbare Verbesserung wird jedoch nicht für ausreichend gehalten. Die Beschreibung befaßt sich ferner mit vorbekannten Verfahren, welche die hierarchische Struktur von Schaltungen ausnutzen. Eine hierarchische Struktur erlaubt im Prinzip jeweils nur ein Paar von abgrenzbaren Teilschaltungen zu vergleichen, die neben elementaren Bauteilen und Anschlüssen sog. Instanzen umfassen, die zu Aufrufen anderer Teilschaltungen führen, die ihrerseits Teilschaltungen enthalten können. Der Vergleich von Paaren von Teilschaltungen ist bei den vorbekannten Verfahren möglich, wenn die zu vergleichenden Schaltungen isomorphe Hierarchien und ihre Teilschaltungen identische Anschlüsse haben. Die damit gegebenen Einschränkungen werden in der Anmeldung bemängelt; außerdem wird kritisiert, daß der Anwender die Transformation vorzugeben habe, deshalb im allgemeinen beim Anwender genaue Kenntnisse über den Aufbau der Schaltungen nötig seien und das Verfahren nicht ohne manuelle Eingriffe durchgeführt werden könne.
Damit ergibt sich nach den Angaben der Anmeldung das technische Problem, ein Verfahren zu finden, bei dem mit möglichst geringem Speicherplatzaufwand und möglichst kurzer Verarbeitungszeit Schaltungen mit nicht isomorphen Hierarchien und inkompatiblen Anschlüssen der Teilschaltungen rein maschinell vergleichbar sind.
b) Zur Lösung dieses Problems wird ein im wesentlichen dreistufiges Verfahren vorgeschlagen, das mit einem elektronischen Rechner ausgeführt werden soll. Der Verfahrensablauf besteht darin, die Anzahl der zu überprüfenden Anschlüsse zu verringern, mit der Folge einer größeren Anzahl potentiell äquivalenter Teilschaltungen gleicher Anschlußzahl. Diese werden sodann gesucht und einander zugeordnet. Im nächsten Schritt werden die Instanzen der Teilschaltungen als Verifikationsgrößen eliminiert, indem sie durch Makro-Bauteile ersetzt werden. Vorhanden sind danach nur Paare von elementaren Bauteilen bzw. Makro-Bauteilen; tatsächlich – nicht nur im Prinzip – sind deshalb nur die sie betreffenden Daten zu vergleichen. Ihre Identität steht für die gewünschte Verifikation. Die notwendigen Vergleichsfälle sind drastisch verringert. Das Verfahren kann automatisch und bei wesentlich weniger Bearbeitungszeit auf einem elektronischen Rechner ablaufen, der mit wesentlich weniger Speicherplatz ausgestattet ist. Die Beschreibung gibt an, es sei möglich gewesen, Schaltungen mit bis zu vier Millionen Transistoren innerhalb weniger Minuten zu verifizieren.
c) Nach allem wird mit der Anmeldung Schutz beansprucht für ein Programm für Datenverarbeitungsanlagen. Solche Gegenstände sind nicht schlechthin vom Patentschutz ausgenommen. § 1 Abs. 2 PatG steht der Patentfähigkeit nur insoweit entgegen, als für sie „als solche” Schutz begehrt wird oder ihre Lehre auf andere in diesem Absatz genannte Gegenstände oder Tätigkeiten „als solche” gerichtet ist (§ 1 Abs. 3 PatG). Mit diesem im Gesetz ausdrücklich geregelten, nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut aber nicht abschließenden Ausschlußkatalog hat sich das Bundespatentgericht jedoch nicht befaßt; es hat lediglich die Technizität des Anmeldungsgegenstandes geprüft und verneint. Mit dieser Begründung kann die Zurückweisung der Anmeldung keinen Bestand haben.
d) Nicht zu beanstanden ist allerdings der Ausgangspunkt des Bundespatentgerichts, daß Patentfähigkeit eines Programms für Datenverarbeitungsanlagen einen technischen Charakter des beanspruchten Gegenstandes voraussetzt. Nach § 1 Abs. 1 PatG werden Patente nur für Erfindungen erteilt, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Den im Gesetz darüber hinaus nicht weiter bestimmten Begriff der Erfindung hat der Senat – sowohl was das vor dem Patentgesetz 1981 geltende deutsche Patentrecht als auch, was das geltende Patentgesetz anlangt – in ständiger Rechtsprechung dahin verstanden, daß es sich um eine Lehre auf dem Gebiet der Technik handeln müsse (BGHZ 115, 23, 30 – Chinesische Schriftzeichen). Auch das Europäische Patentamt geht bezüglich der inhaltsgleichen Bestimmung in Art. 52 Abs. 1 EPÜ in ständiger Rechtspraxis davon aus, daß der technische Charakter ein Element des Begriffs der Erfindung darstellt, die durch ein Patentrecht geschützt werden kann (vgl. die Nachweise in BGHZ 115, 23, 30 – Chinesische Schriftzeichen; EPA v. 1.7.1998 – T 1173/97, ABl. EPA 1999, 609 – Computerprogrammprodukt; EPA v. 4.2.1999 – T 935/97, [1999] R.P.C. 861 – Computer program product II). Nachträgliche Bestätigung hat diese Rechtsprechung durch die Regelung in Art. 27 Abs. 1 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) gefunden, das als Anhang 1 C des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) zum 1. Januar 1995 in Kraft getreten ist (BGBl. 1994 II, S. 1730 = ABl. EG L 336/213); darin heißt es ausdrücklich, daß Patente für Erfindungen auf technischem Gebiet erteilt werden. Die Technizität stellt mithin – neben den in § 1 Abs. 1 PatG genannten weiteren Erfordernissen – auch bei Programmen für Datenverarbeitungsanlagen eine Voraussetzung für die Patentfähigkeit der angemeldeten Lehre dar.
e) Der Senat hat in seiner Rechtsprechung zum Patentgesetz 1968 die erforderliche Technizität für gegeben erachtet, wenn die Anweisungen der angemeldeten Lehre auf einen in bestimmter Weise gearteten Aufbau, auf eine bestimmte Funktionsfähigkeit oder auf einen in bestimmter Weise beschaffenen Gebrauch des elektronischen Rechners gerichtet sind, der zur Anwendung kommen soll (BGHZ 115, 11 – Seitenpuffer; BGHZ 67, 22 – Dispositionsprogramm). Solche Besonderheiten sind hier nicht gegeben, wie das Bundespatentgericht zutreffend erkannt hat. Die beanspruchte Lehre soll zwar – um es kurz auszudrücken – „kleine” Rechner mit vergleichsweise geringer Speicherkapazität als Datenverarbeitungsanlage erschließen, die zu der für erforderlich gehaltenen Verifikation zu gebrauchen sind; das ändert aber nichts daran, daß der Anmeldung nichts dafür zu entnehmen ist, die elektronischen Rechner, mit denen die vorgeschlagenen Verfahrensschritte ausgeführt werden können, müßten in besonderer Weise hergerichtet oder – was das Zusammenwirken ihrer Elemente anbelange – beschaffen sein oder in besonderer Weise betrieben werden. Es ist gerade das Ziel der angemeldeten Lehre, daß die Verifikation mit Hilfe einer keine besondere Anforderungen stellenden Datenverarbeitungsanlage in der ihr eigenen bestimmungsgemäßen Arbeitsweise erledigt werden kann.
Als Lehren zum technischen Handeln sind ferner angesehen worden Programme, die Meßergebnisse aufarbeiten, den Ablauf technischer Einrichtungen überwachen oder sonst steuernd bzw. regelnd nach außen wirken (vgl. BGH GRUR 1992, 430, 431 – Tauchcomputer – u. die Nachw. bei Melullis, GRUR 1998, 843, 847 f.). Nach den insoweit unbeanstandet gebliebenen Feststellungen des Bundespatentgerichts liegt hier auch ein solcher Fall nicht vor.
f) Die genannten Möglichkeiten sind jedoch nur Beispiele; sie bilden keinen abschließenden Katalog, wie der Senat bereits in seinem Beschluß vom 30. Mai 1980 mit dem Stichwort „Antiblockiersystem” deutlich gemacht hat (X ZB 19/78, GRUR 1980, 849, 850 f.). Ob eine auf ein Programm für Datenverarbeitungsanlagen gerichtete Patentanmeldung die erforderliche Technizität aufweist, ist aufgrund einer Gesamtbetrachtung des Anmeldungsgegenstandes im Einzelfall festzustellen (Senat, Urt. v. 4.2.1992 – X ZR 43/91, GRUR 1992, 430, 431 – Tauchcomputer). Auch die Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts haben die ganzheitliche Sicht angewendet, indem sie ein Computerprogramm für patentfähig erachtet haben, wenn es als Ganzes betrachtet einen technischen Beitrag zum Stand der Technik liefert (z.B. Entsch. v. 14.2.1989 – T 38/86, ABl. EPA 1990, 384 – Textverarbeitung; v. 29.4.1992 – T 164/92, ABl. EPA 1995, 305 – Elektronische Rechenbausteine); hiervon ist in den Entscheidungen vom 1. Juli 1998 (T 1173/97, ABl. EPA 1999, 609 – Computerprogrammprodukt) und vom 4. Februar 1999 (T 935/97, [1999] R.P.C. 861 – Computer program product II) nur insofern abgewichen worden, als die Ermittlung des technischen Beitrags, den eine Erfindung zum Stand der Technik leistet, als ein Mittel erkannt worden ist, das eher zur Prüfung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit als zur Entscheidung der Frage taugt, ob das Patentierungsverbot nach Art. 52 Abs. 2 und Abs. 3 EPÜ greift. In diesen Entscheidungen sind aber auch insoweit nicht nur die vorgeschlagenen Mittel, sondern auch das zu lösende Problem und die nach der Anweisung zu erzielenden Effekte als wesentlich angesehen worden.
Eine Gesamtbetrachtung bedeutet eine Bewertung des in dem angemeldeten Patentanspruch definierten Gegenstandes; dies schließt die Möglichkeit ein, bei Vorliegen sachgerechter Gründe einzelne Anspruchsmerkmale unter Berücksichtigung ihres nach fachmännischem Verständnis gegebenen Zusammenhangs unterschiedlich zu gewichten (vgl. BGHZ 115, 23 – Chinesische Schriftzeichen); die Wertung darf in ihrem Ergebnis aber nicht davon abhängen, ob der zu beurteilende Vorschlag neu und erfinderisch ist (vgl. BGHZ 115, 11 – Seitenpuffer); sie darf auch nicht einseitig darauf abstellen, was bekannt war und was demgegenüber an der angemeldeten Lehre neuartig ist (Senat, Urt. v. 4.2. 1992 – X ZR 43/91, GRUR 1992, 430, 431 – Tauchcomputer). Entscheidend ist, wie das, was nach der beanspruchten Lehre im Vordergrund steht (Senat, aaO – Tauchcomputer, vgl. auch BGHZ 115, 23, 30 – Chinesische Schriftzeichen), aus der Sicht des Fachmanns zum Anmeldezeitpunkt zu verstehen und einzuordnen ist (vgl. BGHZ 52, 74, 77 – Rote Taube).
g) Das Bundespatentgericht hat das angemeldete Verifikationsverfahren dahin gewürdigt, es stelle im wesentlichen ein Datenverarbeitungs- oder Rechenverfahren dar. Dies rügt die Rechtsbeschwerde mit Erfolg als rechtsfehlerhaft. Die vorstehenden Ausführungen erlauben angesichts der vom Bundespatentgericht selbst getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht, seiner Bewertung beizutreten.
Das Bundespatentgericht hat die zu verarbeitenden Daten als Größen mit technischen Bedeutungsinhalten erkannt; sie kennzeichneten Bauelemente elektronischer Schaltungen oder Halbleiterstrukturen. Das Bundespatentgericht hat ferner ausgeführt, die vorgeschlagene vorteilhafte Art der Verifikation sei nur durch technische Überlegungen zu bewerkstelligen. Ausschlaggebend für den gegenüber bekannten Verifikationsverfahren erzielten Vorteil sei nämlich eine Reduktion der zu vergleichenden Daten, die ausschließlich in Kenntnis der schaltungstechnischen Zusammenhänge unter Einsatz fachmännischen Handelns habe erbracht werden können. Allein ein Fachmann mit schaltungstechnischen Kenntnissen habe bewerten können, welche schaltungstechnische Bedeutung die einzelnen Daten hätten und welche für eine ausreichende Verifizierung der Schaltungsfunktion weggelassen oder in „einfachere”, aber ausreichende Daten umgeformt werden könnten. So beruhe beispielsweise das Merkmal, daß Anschlüsse, die mit keinem anderen Bauelement verbunden seien, gestrichen werden könnten, weil sie schaltungstechnisch irrelevant seien, auf solchen technischen Überlegungen. Schließlich hat das Bundespatentgericht festgestellt, daß die angemeldete Lehre beispielsweise den Bereich der CAD/CAM-Werkzeuge betreffe. Hier bestimmten Methoden der Datenverarbeitung die Realität der gegenwärtigen industriellen Technik bei Entwurf und Fertigung von Gütern. Im Falle der Anmeldung bestehe eine zwar nicht unmittelbare, aber mittelbare Verbindung zur Herstellung hochintegrierter Schaltungen, weil in nachfolgenden Abschnitten des integrierten Entwurfs- und Fertigungsprozesses aus den verifizierten und im Speicher der Datenverarbeitungsanlage abgelegten Layout-Daten die Masken und schließlich die integrierten Halbleiterschaltungen geschaffen würden.
Die angemeldete Lehre betrifft einen Zwischenschritt in dem Prozeß, der mit der Herstellung von (Silicium-)Chips endet, indem mit ihrer Hilfe dafür gesorgt werden kann, daß diese Bauteile aus verifizierten Schaltungen bestehen. Sie ist damit nach ihrer Zweckbestimmung Teil einer aktuellen Technik. Die vorgeschlagene Lösung nutzt zwar – wie jede Neuerung – ein gedankliches Konzept; der Anmeldungsgegenstand beschränkt sich aber nicht hierauf. Das gedankliche Konzept ist nämlich nur realisierbar, wenn die Vergleichsgrößen erkannt sind, auf deren Vergleich nach den tatsächlichen Gegebenheiten auf dem genannten Gebiet der Technik verzichtet werden kann. Angesichts der Beschaffenheit der Produkte, deren Herstellung das Verifikationsverfahren dient, erforderte dies eine technische Erkenntnis, die auf Überlegungen beruht, die sich auf körperliche bzw. physikalische Gegebenheiten konzentriert. Das Bundespatentgericht hat dies dahin ausgedrückt, daß allein ein Fachmann mit schaltungstechnischen Kenntnissen zu der erforderlichen Bewertung in der Lage gewesen sei. Der Umstand, daß der verfahrensmäßige Abgleich tatsächlich nicht anhand der technischen Größen von Chips selbst, sondern aufgrund der Auswahl, der Ordnung und vergleichenden Verarbeitung von Daten erfolgen soll, die aus den technischen Größen abgeleitet sind, ändert nichts daran, daß die angemeldete Lehre durch eine auf technischen Überlegungen beruhende Erkenntnis und deren Umsetzung geprägt ist. Dies führt hier dazu, daß der Anmeldungsgegenstand die für ein Programm für Datenverarbeitungsanlagen erforderliche Technizität aufweist.
Dies steht im Einklang mit der noch zum Patentgesetz 1968 ergangenen Entscheidung mit dem Stichwort „Dispositionsprogramm”, in welcher der Senat – allerdings als bloße Hilfsbegründung – als tragfähig erachtet hat, ob zur Bereitstellung der angemeldeten Lehre im Technischen liegende Überlegungen erforderlich gewesen seien (BGHZ 67, 22, 27 f.). Auch Beschwerdekammern des EPA haben bei der Beurteilung der Patentschutzfähigkeit von Programmen als Gesichtspunkt die Notwendigkeit technischer Überlegungen herangezogen (Entsch. v. 31.5.1994 – T 769/92, GRUR Int. 1995, 909, 911 – Universelles Verwaltungssystem; vgl. auch Entsch. v. 15.4.1993 – T 110/90, GRUR Int. 1994, 1038, 1040 – Editierbare Dokumentenform). Wenn eine Lehre für ein Programm für Datenverarbeitungsanlagen durch eine Erkenntnis geprägt ist, die auf technischen Überlegungen beruht, ist mithin ein auch anderweit akzeptiertes und eine einheitliche Patentrechtspraxis für Europa förderndes Abgrenzungskriterium gegeben, das die Feststellung des erforderlichen technischen Charakters einer Lehre für ein Programm für Datenverarbeitungsanlagen erlaubt.
h) Der getroffenen Entscheidung steht nicht entgegen, daß nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts die angemeldete Lehre nicht die Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolges bezweckt, der unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte unmittelbar ohne Zwischenschaltung menschlicher Verstandeskräfte herbeigeführt wird. Allerdings hat der Senat in diesem Begriff der Technik das brauchbare Abgrenzungskriterium gegenüber andersartigen Leistungen des Menschen gesehen, für die ein Patentschutz weder vorgesehen, noch geeignet sei (BGHZ 115, 23, 30 – Chinesische Schriftzeichen, unter Hinweis auf Rechtsprechung des Senats zum PatG 1968). Es gehört aber auch zu den durch Rechtsprechung des Senats noch zum Patentgesetz 1968 herausgearbeiteten Grundsätzen, daß der Technikbegriff des Patentrechts nicht statisch, das heißt ein für allemal feststehend verstanden werden kann. Er ist vielmehr Modifikationen zugänglich, sofern die technologische Entwicklung und ein daran angepaßter effektiver Patentschutz dies erfordern (vgl. BGHZ 52, 74, 76 – Rote Taube). Jedenfalls für zum Patent angemeldete Neuerungen auf dem technischen Gebiet der Herstellung von (Silicium-)Chips ist diese Notwendigkeit anzuerkennen.
Die industrielle Entwicklung hat dazu geführt, daß die zur Herstellung derartiger technischer Bauteile nötigen Arbeiten weitgehend nicht mehr durch maschinelle Fertigung geprägt sind, die den unmittelbaren Einsatz beherrschbarer Naturkräfte erfordert. Jedenfalls der Entwurf und notwendige Überprüfungen im Vorfeld der körperlichen Herstellung von Chips geschehen heutzutage im wesentlichen computergestützt (vgl. Schmidtchen, Mitt. 1999, 282, 291 f.), was insoweit taugliche Programme voraussetzt. Das hat eine entsprechende Verlagerung der Entwicklungstätigkeit der einschlägigen Fachkreise zur Folge, ändert aber nichts daran, daß es um die Beherrschbarkeit des Fertigungsprozesses für hochintegrierte Schaltungen geht, der dem industriellen Bereich der Technik angehört und nicht ohne entsprechende technische Überlegungen zu erledigen ist. Dieser Bereich kann deshalb vom Patentschutz nicht deshalb ausgenommen sein, weil ein Lösungsvorschlag – abgesehen von den in dem verwendeten elektronischen Rechner bestimmungsgemäß ablaufenden Vorgängen – auf den unmittelbaren Einsatz von beherrschbaren Naturkräften verzichtet und die Möglichkeit der Fertigung technisch tauglicher Bausteine anderweitig durch technisches Wissen voranzubringen versucht.
III. Das Bundespatentgericht wird daher in die weitere Sachprüfung der (technischen) Erfindung eintreten müssen.
Nach den bisherigen Feststellungen des Bundespatentgerichts enthebt hiervon nicht die Vorschrift des § 1 Abs. 2 und 3 PatG, wonach für Datenverarbeitungsanlagen bestimmte Programme als solche vom Patentschutz ausgeschlossen sind. Soweit dieser Ausschlußtatbestand in der Diskussion um den Schutz von Programmen für Datenverarbeitungsanlagen überhaupt näherer Untersuchung unterzogen worden ist, lassen sich im Grunde genommen drei unterschiedliche Meinungen feststellen. Die eine geht entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch davon aus, daß als Programm als solches keinen Schutz durch ein Patent verdiene das gedankliche Konzept, das sich durch die jeweilige Anwendung erschließe, im Falle eines Buchhaltungsprogramms also beispielsweise, daß bestimmte buchhalterische Maßnahmen in bestimmter Weise ausgeführt werden können (Melullis, GRUR 1998, 843, 850 ff.). Eine andere Meinung bevorzugt eine eher durch die Sicht des Computerfachmanns geprägte Auslegung und hält das Produkt der eigentlichen Programmierung, also die codierten Befehlsfolgen für den Computer für nicht patentfähig (z.B. Tauchert, u.a. Mitt. 1999, 248, 251 oder van Raden, GRUR 1995, 451, 456). Die dritte Meinung schließlich liegt den Entscheidungen „Computerprogrammprodukt” und „Computer program product II” (v. 1.7.1998 – T 1173/97, ABl. EPA 1999, 609, bzw. v. 4.2.1999 – T 935/97, [1999] R.P.C. 861) zugrunde. Danach greift der in den genannten Bestimmungen geregelte Ausschluß von Programmen für Datenverarbeitungsanlagen nicht, wenn der Anmeldungsgegenstand technischen Charakter hat, der über die „normale” physikalische Wechselwirkung zwischen der Software und dem Computer hinausgeht.
Der Senat, der bislang noch nicht zu entscheiden brauchte, was unter einem von Patentschutz ausgeschlossenem Programm als solchem zu verstehen ist, kann diese Streitfrage auch hier dahinstehen lassen, weil die angemeldete Lehre nach keiner der hierzu vertretenen Meinungen vom Patentschutz ausgeschlossen ist. Wie ausgeführt, sind die Anweisungen nicht auf ein bloß gedankliches Konzept gerichtet. Die zugrundeliegende Idee ist vielmehr in ein aus technischer Erkenntnis gewonnenes technisches Konzept umgesetzt, das nicht allein auf Grund typischerweise bei der Entwicklung und Erstellung eines Programms für Datenverarbeitungsanlagen erforderlichen Überlegungen der Fachwelt zur Verfügung gestellt werden konnte; das technische Konzept liegt auf dem technischen Gebiet der Herstellung von Chips, die erleichtert wird, was einen technischen Effekt bedeutet. Die erforderlichen Anweisungen sind schließlich nicht in Form eines Programmlistings beansprucht.
Unterschriften
Rogge, Jestaedt, Melullis, Scharen, Keukenschrijver
Fundstellen
Haufe-Index 556436 |
BGHZ |
BGHZ, 255 |
DB 2000, 1173 |
NJW 2000, 1953 |
CR 2000, 281 |
CR 2000, 360 |
GRUR 2000, 498 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 2000, 1266 |
NJW-CoR 2000, 167 |
MMR 2000, 232 |
Mitt. 2000, 293 |