Entscheidungsstichwort (Thema)
Formloses Zustandekommen eines bindenden Hofübergabevorvertrags. Feststellung der Hoferbfolge
Normenkette
HöfeO a.F. § 19 Abs. 5
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 werden die Beschlüsse des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 17. Oktober 1985 und des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht -Recklinghausen vom 7. Januar 1985 aufgehoben.
Der Antrag des Beteiligten zu 1 auf Feststellung, daß er nach seinem am 16. Mai 1981 verstorbenen Vater August S. Hoferbe des in den Grundbüchern von D. Blatt ...95 und ...71 verzeichneten, ca. 30 ha großen landwirtschaftlichen Grundbesitzes (Hof S.) geworden ist, wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 1 hat die gesamten gerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen und der Beteiligten zu 2 die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Am 18. Mai 1981 verstarb der Landwirt August S. (im folgenden: Erblasser). Er war verheiratet mit Anna S. geb. Q., die am 19. Januar 1979 verstorben ist. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, nämlich der Beteiligte zu 1 als ältester Sohn, die Beteiligte zu 2, die mit ihrem Ehemann einen Hof bewirtschaftet, und der Beteiligte zu 3, der ein Fuhrunternehmen betreibt.
Der Erblasser und seine Ehefrau lebten in allgemeiner Gütergemeinschaft. Sie waren Eigentümer verschiedener Grundstücke in D. und eines Hofes im Sinne der Höfeordnung in D., S.straße ... Auf diesem Hof arbeitete der Beteiligte zu 1 seit seiner Schulentlassung im Jahre 1946. Von dort aus besuchte er auch die Landwirtschaftsschule in R. Nachdem er im Jahre 1962 geheiratet hatte, arbeitete seine Ehefrau auf dem Hof mit. Für diese Arbeit erhielten beide kein Entgelt, sondern nur Taschengeld, Unterkunft und Verpflegung; Sozialversicherungsbeiträge wurden nicht bezahlt.
Im Jahre 1969 kauften der Erblasser und seine Ehefrau den Hof J. in D.-B. Dieser Hof und weitere Grundstücke sind im Grundbuch von D. Blatt ...95 und ...71 verzeichnet. Der Hof ist etwa 30 ha groß; sein Wirtschaftswert betrug im Jahre 1974 42.125 DM.
Nachdem der alte Hof, S.straße ... in D., in ein Umlegungsverfahren einbezogen worden war, siedelte der Beteiligte zu 1 im Jahre 1968 auf den neuen Hof über; seitdem bewirtschaftet er ihn. Seine Eltern wohnen nicht dort.
Am 15. Juli 1970 schlossen die Eltern mit dem Beteiligten zu 1 einen Pachtvertrag über den Hof in D.-B. In diesem Vertrag erklärten sie abschließend ihre Absicht, den Beteiligten zu 1 in absehbarer Zeit als Vollerben der verpachteten Gebäude und Ländereien einzusetzen.
Durch eine gemeinsame Erklärung, die am 12. Juli 1974 beim Amtsgericht (Landwirtschaftsgericht) eingegangen ist, beantragten der Erblasser und seine Ehefrau die Löschung des Hofvermerks; der Hofvermerk ist am 30. Juli 1974 gelöscht worden. Bis zum Tode seines Vaters hat der Beteiligte zu 1 hiervon keine Kenntnis erhalten.
Am 21. Oktober 1974 errichteten der Erblasser und seine Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Weiter bestimmten sie, daß der Überlebende über das ererbte und das eigene Vermögen sowohl unter Lebenden als auch von Todes wegen frei verfügen könne. Für den Fall, daß der Oberlebende keine anderslautende letztwillige Verfügung treffe, bestimmten sie, daß ihre Kinder zu gleichen Teilen Erben werden sollten. Ferner trafen sie eine Teilungsanordnung dahin, daß der Beteiligte zu 1 den Bauernhof samt lebendem und totem Inventar erhalten sollte.
Kurz nach dem Tode seiner Ehefrau errichtete der Erblasser ein weiteres notarielles Testament. Er bestimmte, daß die Beteiligten zu 2 und 3 seine Erben seien und die Beteiligte zu 2 unter anderem den Hof in D.-B. erhalten solle. Den Beteiligten zu 1 setzte er auf den Pflichtteil. Dies begründete er in dem Testament damit, daß der Beteiligte zu 1 den landwirtschaftlichen Besitz nicht so verwalte, wie es erforderlich sei; man müsse schon von einer "echten Mißwirtschaft" sprechen; Felder blieben brach liegen, der ganze landwirtschaftliche Betrieb drohe zu verkommen. Mit Schreiben vom 7. Februar 1979 teilte der Notar dem Beteiligten zu 1 im Auftrag des Erblassers mit, dieser stelle mit ständig wachsender Besorgnis fest, daß der landwirtschaftliche Betrieb mehr und mehr verkomme und es so nicht weiter gehe. Auch Pachtzahlungen, die jahrelang ausstünden, mahnte der Notar an.
Der Beteiligte zu 1 hat den Standpunkt vertreten, zwischen ihm und seinem Vater sei formlos ein bindender Hofübergabevorvertrag zustande gekommen, der den Vater gebunden und an der Errichtung des Testaments vom 6. Februar 1979 gehindert habe.
Er hat beantragt,
festzustellen, daß er Hoferbe der landwirtschaftlichen Besitzung B. in D. geworden sei.
Die Beteiligte zu 2 ist dem Antrag entgegengetreten. Nach ihrer Auffassung ist eine etwaige Bindung des Erblassers infolge der Löschung des Hofvermerks und auch deswegen entfallen, weil der Beteiligte zu 1 eine erhebliche Mißwirtschaft betrieben und sich auch sonst so verhalten habe, daß er sich nach Treu und Glauben nicht auf eine formlose Hofübergabe berufen könne.
Nach Durchführung einer Beweisaufnahme hat das Landwirtschaftsgericht antragsgemäß festgestellt, daß der Beteiligte zu 1 Hoferbe geworden sei.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2 hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte zu 2 weiter das Ziel der Zurückweisung des Feststellungsantrages.
II.
Das Beschwerdegericht hält die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2 durch Testament des Erblassers vom 6. Februar 1979 für unwirksam, weil sich der Erblasser nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur formlosen Hoferbenbestimmung bereits zuvor zugunsten des Beteiligten zu 1 durch einen Hofübergabevorvertrag gebunden habe: Treu und Glauben geböten die Annahme eines solchen Vertrages, denn auf selten des Erblassers liege "ohne Zweifel eine als verbindlich gewollte Hofvererbungszusage gegenüber dem Beteiligten zu 1 vor, die ihre Untermauerung und Verstärkung auch in einem entsprechenden, auf Dauer angelegten Verhalten des Erblassers findet". Die formlos gültige Hoferbenbestimmung habe auch später ihre bindende Wirkung nicht verloren: Die Löschung des Hofvermerks beseitige die höferechtliche Bindung nicht (Hinweis auf BGH RdL 1962, 18 ff; OLG Hamm AgrarR 1985, 52). Selbst wenn aber für den Erblasser ein "wichtiger Grund" für die Einsetzung eines anderen als Hoferben (Vorwurf der Mißwirtschaft oder der Verletzung der Pächterpflichten) bestanden haben sollte, habe dieser gegenüber dem Beteiligten zu 1 doch niemals eine entsprechende Widerrufserklärung abgegeben und ihm auch keine Gelegenheit gegeben, sein Verhalten entsprechend den Beanstandungen einzurichten.
III.
Die - vom Beschwerdegericht zugelassene - Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 24 Abs. 1 LwVG) sowie in rechter Form und Frist eingelegt (§§ 25, 26 LwVG). Sie hat auch Erfolg.
1.
Es kann dahingestellt bleiben, ob das Beschwerdegericht die Voraussetzungen eines formlos bindenden Hofübergabevorvertrages rechtsfehlerfrei festgestellt hat. Bedenken bestehen insoweit besonders deswegen, weil die Frage der Wirtschaftsfähigkeit des Beteiligten zu 1 von Amts wegen zu klären gewesen wäre (§ 9 LwVG i.V.m. § 12 FGG) und der vom Beschwerdegericht als begründet unterstellte Vorwurf der Mißwirtschaft Anlaß zu näherer Prüfung gegeben hätte. Rechtlich bedenklich sind auch die erbrechtlichen Folgerungen, die das Beschwerdegericht aus der Annahme eines Hofübergabevorvertrages zugunsten des Beteiligten zu 1 als vermeintlichen Hoferben gezogen hat (zur erbrechtlichen Bedeutung eines Hofübergabevorvertrages vgl. den zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehenen Senatsbeschluß BLw 2/87 vom heutigen Tage).
2.
Der Feststellungsantrag kann schon deswegen keinen Erfolg haben, weil die landwirtschaftliche Besitzung infolge der Löschung des Hofvermerks ihre Eigenschaft als Hof im Sinne der Höfeordnung im Zeitpunkt des Erbfalls bereits verloren hatte.
Gemäß § 19 Abs. 5 HöfeO in der vor dem 1. Juli 1976 geltenden Fassung (HöfeO a.F.) konnte die oberste Landesjustizbehörde im Einvernehmen mit der obersten Landesbehörde für Ernährung und Landwirtschaft anordnen, daß der Hofeigentümer das Recht habe, beim Gericht zu erklären, seine Besitzung solle (entgegen § 1 Abs. 2 HöfeO a.F.) nicht mehr die Eigenschaft eines Hofes haben. Von dieser Ermächtigung hat der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen durch Verordnung vom 4. März 1949 (GVBl NW 1949 S. 67), ergänzt durch Verordnung vom 28. Oktober 1971 (GVBl NW 1971 S. 347), Gebrauch gemacht. Nach § 3 Abs. 1 der Verordnung vom 4. März 1949 verliert die Besitzung mit dem Eingang der Erklärung beim Gericht die Eigenschaft eines Hofes. Aufgrund eines solchen Antrages der Eltern der Beteiligten als Hofeigentümern, der am 12. Juli 1974 beim Landwirtschaftsgericht eingegangen ist, ist der Hofvermerk am 30. Juli 1974 gelöscht worden.
Zu Unrecht glaubt das Beschwerdegericht, der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes entnehmen zu können, daß die Löschung des Hofvermerks aufgrund einer Hoferklärung des Eigentümers unwirksam sei, wenn dieser zuvor formlos gültig einen Hoferben bestimmt habe. Die im angefochtenen Beschluß zitierte Entscheidung BGH RdL 1962, 18 besagt vielmehr das Gegenteil. Sie ist auch in der Folgezeit mehrfach bestätigt worden (BGH Beschl. v. 3. Juni 1976, V BLw 7/75, AgrarR 1976, 350, 351 li. = RdL 1976, 321; BGHZ 73, 324, 329; ebenso OLG Oldenburg RdL 1967, 326; OLG Köln AgrarR 1979, 21 m.abl.Anm. Faßbender). Nach dieser Rechtsprechung verliert die landwirtschaftliche Besitzung infolge der Löschung des Hofvermerks die Hofeigenschaft, doch bestehen etwaige Bindungen des Hofeigentümers (Erblassers) fort. Welche Rechte sich für den Begünstigten hieraus im einzelnen ergeben, hängt von der Art der jeweils eingegangenen Bindung ab (Übergabevertrag, -vorvertrag oder Erbvertrag; vgl. näher hierzu den bereits erwähnten Senatsbeschluß BLw 2/87 vom heutigen Tage). Keinesfalls aber kann eine landwirtschaftliche Besitzung, welche die Eigenschaft als Hof im Zeitpunkt des Erbfalls bereits verloren hat, dennoch als Sondervermögen nach Maßgabe der Höfeordnung vererbt werden. Sie ist vielmehr Teil des allgemeinen Nachlasses und wird nach den Regeln des bürgerlichen Rechts vererbt; über die hiernach begründeten Rechte haben nicht die Landwirtschaftsgerichte zu entscheiden. Soweit das Beschwerdegericht für das Fortbestehen der Hofeigenschaft auf seinen früheren Beschluß vom 16. August 1984 (AgrarR 1985, 52) verweist und in der hierzu ergangenen Senatsentscheidung vom 5. Juni 1985 (BLw 28/84) eine Bestätigung zu sehen glaubt, irrt es; denn dort hat der Senat die Rechtsbeschwerde gegen jene Entscheidung als unzulässig verworfen und dabei klargestellt, daß ihm eine sachliche Überprüfung aus Rechtsgründen verwehrt sei.
3.
Nach alledem ist der angefochtene Beschluß aufzuheben und der Feststellungsantrag des Beteiligten zu 1 zurückzuweisen.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 44, 45 LwVG.
5.
Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren bleibt vorbehalten, bis das Landwirtschaftsgericht den Geschäftswert für den ersten Rechtszug endgültig festgesetzt hat (vgl. hierzu auch Faßbender/Hötzel/Pikalo, HöfeO, Rdn. 4 zu § 20 HöfeVfO).
Unterschriften
Hagen
Linden
Räfle
Fundstellen