Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Bremen - 2. Zivilkammer - vom 19. Januar 2024 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht - Einzelrichter - zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Beschwerdewert: 1.520 €
Gründe
I.
Rz. 1
Die Beklagten verpflichteten sich in einem amtsgerichtlichen Vergleich gegenüber dem Kläger, eine von ihnen bewohnte, in Bremen gelegene Wohnung bis zum 31. Dezember 2023 zu räumen und an den Kläger herauszugeben. Zugleich verzichteten sie - "soweit zulässig" - auf Vollstreckungsschutzanträge.
Rz. 2
Am 11. Dezember 2023 haben die Beklagten beim Amtsgericht einen Antrag nach § 794a ZPO (verbunden mit einem Antrag nach § 765a ZPO) auf Verlängerung der Räumungsfrist bis zum 30. April 2024 gestellt. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen.
Rz. 3
Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss der Einzelrichterin vom 19. Januar 2024 unter Zulassung der Rechtsbeschwerde zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Beschwerdegericht ausgeführt, die Beklagten hätten in dem amtsgerichtlichen Vergleich wirksam auf Vollstreckungsschutz und damit auch auf die Bewilligung einer Räumungsfrist nach § 794a ZPO verzichtet. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde, mit der die Beklagten ihr Begehren weiterverfolgen.
II.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
Rz. 5
Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht (Einzelrichter).
Rz. 6
1. Das Rechtsmittel ist statthaft. Die Entscheidung des Landgerichts, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, ist für den Senat bindend (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Darauf, ob das Beschwerdegericht die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO zutreffend beurteilt hat, kommt es hierbei nicht an. Auch der Umstand, dass die Zulassungsentscheidung durch die Einzelrichterin unter Missachtung des Verfahrens nach § 568 Satz 2 ZPO (Übertragung auf die mit drei Mitgliedern besetzte Kammer) erfolgt ist, ändert an der Wirksamkeit der Zulassung nichts (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. November 2011 - VIII ZB 81/11, NJW-RR 2012, 125 Rn. 8; vom 8. Mai 2012 - VIII ZB 91/11, WuM 2012, 332 Rn. 3; vom 11. Juni 2019 - VIII ZB 4/18, juris Rn. 7).
Rz. 7
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Der angefochtene Beschluss unterliegt der Aufhebung, weil er unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen ist. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs obliegt die Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde - wie sich aus § 568 Satz 2 ZPO ergibt - nicht dem Einzelrichter, sondern dem Kollegium. Bejaht er mit der Zulassungsentscheidung zugleich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters (BGH, Beschlüsse vom 13. März 2003 - IX ZB 134/02, BGHZ 154, 200, 202 f.; vom 22. November 2011 - VIII ZB 81/11, aaO Rn. 9; vom 8. Mai 2012 - VIII ZB 91/11, aaO Rn. 4; vom 11. Juni 2019 - VIII ZB 4/18, aaO Rn. 8; vom 28. Januar 2022 - VI ZB 13/20, NJW-RR 2022, 570 Rn. 5; vom 7. März 2024 - V ZB 73/23, juris Rn. 3).
Rz. 8
3. Die Sache ist deshalb unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Beschwerdegericht - Einzelrichter - zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Rz. 9
4. Durch den vorliegenden Beschluss des Senats ist der Senatsbeschluss vom 6. Februar 2024 (VIII ZB 6/24, juris) über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gegenstandslos.
Rz. 10
5. Wegen der durch die Rechtsbeschwerde angefallenen Gerichtskosten macht der Senat von der Möglichkeit des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG Gebrauch.
Dr. Bünger |
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Kosziol |
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Dr. Liebert |
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Wiegand |
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Dr. Böhm |
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Fundstellen
Dokument-Index HI16325938 |