Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 15.05.2013) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 15. Mai 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass ein Jahr und acht Monate der Gesamtfreiheitsstrafe vorweg zu vollziehen sind. Die auf eine Verfahrensbeanstandung und die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachbeschwerde den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht.
Rz. 3
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
Rz. 4
Das Landgericht ist nach den Urteilsgründen – sachverständig beraten – davon ausgegangen, dass sich mit Rücksicht auf das bestehende Abhängigkeitssyndrom zwar eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten insoweit nicht ausschließen lasse, als der Betrieb der verschiedenen Plantagen auch der Deckung seines Eigenbedarfs diente. „Die Fähigkeit, sein Verhalten normgerecht zu steuern”, habe indes nicht den gewerblichen Teil des Betriebes der Anlagen erfasst, der nicht unmittelbar der eigenen Bedarfsdeckung diente. Die Strafen hat das Landgericht bei den Fällen des bandenmäßigen Betäubungsmittelhandels in nicht geringer Menge jeweils dem Strafrahmen des § 30a Abs. 1 BtMG und hinsichtlich des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG entnommen, ohne diese Normalstrafrahmen jeweils zu mildern.
Rz. 5
a) Der Senat hat gegen eine geteilte Beurteilung der Schuldfähigkeit, wie sie das Landgericht hinsichtlich des Anbaus der Drogen zum gewinnbringenden Weiterverkauf einerseits und zur Deckung des Eigenbedarfs andererseits vorgenommen hat, rechtliche Bedenken:
Rz. 6
Für die Schuldfähigkeitsbeurteilung kommt es darauf an, ob der Täter aufgrund einer bestimmten psychischen Verfassung in der Lage war, einer konkreten Tat Unrechtseinsicht und Hemmungsvermögen entgegenzusetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 1984 – 3 StR 22/84, StV 1984, 419, 420 mwN). Die Antwort darauf bezieht sich jeweils auf einen konkreten Rechtsverstoß. Dabei ist in der Rechtsprechung seit jeher anerkannt, dass ein bestimmtes psychisches Störungsbild sich bei Begehung verschiedenartiger Straftaten jeweils unterschiedlich auswirken kann. Verwirklicht der Täter hingegen – wie hier der Angeklagte durch den Anbau der Betäubungsmittel in der Absicht des – in geringerem Umfang – teilweisen Eigenkonsums und des gewinnbringenden Weiterverkaufs im Übrigen – durch eine einheitliche Handlung zwei Tatbestände, so scheint dem Senat die Schuldfähigkeitsbeurteilung nicht teilbar zu sein. Es erscheint fraglich, ob es für diese Entscheidung auf die jeweils unterschiedliche rechtliche Einordnung der einen Handlung ankommen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 2. August 2011 – 3 StR 199/11, NStZ 2012, 44 mwN).
Rz. 7
b) Der Senat braucht die Frage hier indes nicht zu entscheiden; denn der Angeklagte ist durch die vorliegende Beurteilung seiner Schuldfähigkeit durch das Landgericht nicht beschwert. Abgesehen davon, dass es (auch) für den Teil des Anbaus zur Deckung des Eigenbedarfs nach den Urteilsgründen keine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten im Sinne von § 21 StGB festgestellt hat, belegen die Feststellungen insgesamt in keiner Weise, dass eine der Voraussetzungen vorgelegen hat, unter denen nach der ständigen Rechtsprechung Betäubungsmittelabhängigkeit zur Annahme verminderter Schuldfähigkeit führen kann (vgl. hierzu Weber, BtMG, 4. Aufl., vor §§ 29 ff. Rn. 451 ff. mwN).
Rz. 8
2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält hingegen revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 9
a) Zwar hat das Landgericht rechtsfehlerfrei einen Hang des Angeklagten zum übermäßigen Konsum von Betäubungsmitteln, den symptomatischen Zusammenhang zwischen diesem und den abgeurteilten Taten sowie auch die Gefahr festgestellt, dass der Angeklagte aufgrund seines Hanges weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird (§ 64 Satz 1 StGB). Indes ergeben die Urteilsgründe nicht hinreichend, dass die erforderliche konkrete Aussicht auf einen Therapieerfolg im Sinne des § 64 Satz 2 StGB besteht. Denn das Landgericht führt im Anschluss an den gehörten Sachverständigen aus, dass „mit einer Therapiedauer von nicht unter zwei Jahren zu rechnen” sei. Die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 StGB liegen jedoch nicht vor, wenn die Entzugsbehandlung voraussichtlich nicht innerhalb der in § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB für die Maßregel vorgesehenen Höchstfrist von zwei Jahren zum Erfolg führen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. April 2012 – 3 StR 65/12, BGHR StGB § 64 Abs. 2 Erfolgsaussicht 1 mwN; vom 17. Juli 2012 – 4 StR 223/12, juris Rn. 6; vom 8. August 2012 – 2 StR 279/12, NStZ-RR 2013, 7, 8; Urteil vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 377/12, StV 2013, 698). Solches liegt aber nahe, wenn die Therapie prognostisch „nicht unter zwei Jahre” in Anspruch nehmen wird (zur Notwendigkeit, die voraussichtlich erforderliche Therapiedauer zu benennen, vgl. etwa BGH, Beschluss vom 27. März 2013 – 4 StR 60/13, juris Rn. 3 mwN).
Rz. 10
Die Anordnung der Maßregel kann daher keinen Bestand haben. Da es möglich erscheint, dass ein sachverständig beratener neuer Tatrichter zu der Prognose gelangt, die erforderliche Dauer einer geschlossenen Unterbringung des Angeklagten werde (voraussichtlich) zwei Jahre nicht überschreiten (vgl. auch BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 377/12, StV 2013, 698 zur Frage einer Verkürzung der eigentlichen Entzugsbehandlung durch vorbereitende Sozialtherapien im Vorwegvollzug der Strafe oder eine entsprechende Nachsorge), bedarf die Sache insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
Rz. 11
b) Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass bei der Berechnung des nach § 67 Abs. 2 StGB anzuordnenden Vorwegvollzuges eine vom Angeklagten erlittene Untersuchungshaft außer Ansatz bleibt. Die Untersuchungshaft ist ausschließlich im Vollstreckungsverfahren auf die Dauer des vor der Unterbringung zu vollziehenden Teils der Strafe gemäß § 51 Abs. 1 StGB anzurechnen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 4. September 2012 – 3 StR 352/12, BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 19).
Unterschriften
Schäfer, Pfister, Hubert, Mayer, Gericke
Fundstellen
Haufe-Index 6758354 |
NStZ-RR 2014, 212 |