Verfahrensgang
LG Ansbach (Entscheidung vom 30.11.2023; Aktenzeichen KLs 1102 Js 3941/23) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 30. November 2023
a) dahin geändert, dass der Angeklagte des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, mit bewaffnetem Handeltreiben mit Cannabis und mit verbotenem Besitz von Cannabis schuldig ist;
b) aufgehoben in den Aussprüchen über die im Fall 2 der Urteilsgründe verhängte Strafe, die Gesamtstrafe und den Vorwegvollzug; die jeweils zugehörigen Feststellungen haben jedoch Bestand.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 1 der Urteilsgründe) und wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 2 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt; es hat ferner die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und einen Vorwegvollzug von zwei Jahren angeordnet. Die gegen das Urteil gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
I.
Rz. 2
Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
Rz. 3
Am 12. März 2023 führte der Angeklagte 3,96 Gramm Heroin (Wirkstoffgehalt 0,96 Gramm Heroinhydrochlorid) und 13,18 Gramm Kokain (Wirkstoffgehalt 10,9 Gramm Kokainhydrochlorid) bei sich.
Rz. 4
Am 13. April 2023 trug er in seiner Hosentasche 18,63 Gramm Kokain (Wirkstoffgehalt 18 Gramm Kokainhydrochlorid) und in einem Rucksack 367,3 Gramm Marihuana (Wirkstoffgehalt 37,3 Gramm THC) nebst einem Zimmermannshammer bei sich. Von dem Kokain waren fünf Gramm (Wirkstoffgehalt 4,8 Gramm) und von dem Marihuana 300 Gramm (Wirkstoffgehalt 30,4 Gramm) zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt, der Rest war für den eigenen Konsum vorgesehen.
II.
Rz. 5
1. Der Schuldspruch im Fall 2 der Urteilsgründe ist zu ändern. Zwar lässt das Urteil nach dem zur Zeit der Entscheidung geltenden Recht keinen Rechtsfehler erkennen; die Revision wäre insoweit unbegründet. Allerdings ist am 1. April 2024 das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (BGBl. I Nr. 109; Konsumcannabisgesetz - KCanG) in Kraft getreten; dies ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO bei der Revisionsentscheidung zu berücksichtigen. Mit der Gesetzesänderung wurde Cannabis aus dem Anwendungsbereich des BtMG entfernt und der Umgang mit Konsumcannabis abschließend im neuen KCanG geregelt (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 130). Hiernach gilt Cannabis nicht mehr als Betäubungsmittel und sind damit im Zusammenhang stehende Straftaten allein nach § 34 KCanG zu bewerten (vgl. BT-Drucks. aaO).
Rz. 6
Das vom Landgericht zu Fall 2 der Urteilsgründe festgestellte Tatgeschehen führt wie aus der Beschlussformel ersichtlich zu einer Änderung des Schuldspruchs. Bei der Bezeichnung der Tatbestände ist nunmehr zwischen denen des BtMG und des § 34 KCanG zu differenzieren. Eine Addition von Betäubungsmitteln und Cannabis zur Bestimmung der „nicht geringen Menge“ im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG und anderer Regelungen ist damit ausgeschlossen (vgl. zur früheren Rechtslage BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2023 - 6 StR 242/23, NStZ-RR 2024, 22 mwN). Der für den Handel vorgesehene Teil des Kokains erreichte mit einem Wirkstoffgehalt von 4,8 Gramm den maßgeblichen Grenzwert von fünf Gramm (vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 1985 - 2 StR 685/84, BGHSt 33, 133) nicht. Folglich hat sich der Angeklagte, soweit es den Umgang mit dieser Droge betrifft, allein nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 Variante 4 in Tateinheit mit § 29 Abs. 1 Nr. 1 Variante 3 BtMG strafbar gemacht; eine Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 Variante 1 (in Tateinheit mit § 29a Abs. 1 Nr. 2 Variante 4) BtMG scheidet nach neuer Rechtslage aus. Zudem hat der Angeklagte die Tatbestände aus § 34 Abs. 4 Nr. 4 Variante 1 und § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a KCanG verwirklicht. Der Grenzwert der nicht geringen Menge für Tetrahydrocannabinol im Sinne des § 34 Abs. 4 Nr. 4 Variante 1 KCanG beträgt auch nach neuer Rechtslage 7,5 Gramm (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24, Rn. 7 ff.) und ist damit überschritten.
Rz. 7
Der Änderung des Schuldspruchs steht § 265 StPO nicht entgegen. Der Senat schließt aus, dass sich der Angeklagte wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Rz. 8
2. Angesichts der geringeren Strafandrohung kann die für die Tat vom 13. April 2023 verhängte Strafe von fünf Jahren und sechs Monaten keinen Bestand haben. Mit dem Wegfall der Einsatzstrafe ist auch dem Gesamtstrafausspruch und hierdurch wiederum dem Ausspruch über den Vorwegvollzug im Sinne des § 67 Abs. 2 StGB die Grundlage entzogen. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass dem Umstand, Cannabis sei eine „weiche Droge“ (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juni 2016 - 1 StR 72/16, NStZ-RR 2016, 313), aus gesetzessystematischen Gründen keine strafmildernde Wirkung mehr beigemessen werden darf, weil das KCanG Regelungen allein zu dieser Droge enthält.
Sander |
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Feilcke |
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Tiemann |
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von Schmettau |
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Arnoldi |
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Fundstellen
Haufe-Index 16325916 |
StV 2024, 598 |