Leitsatz (amtlich)
Eine „namens des/der Beklagten” eingelegte Berufung ist unzulässig, wenn bis zum Ablauf der Berufungsfrist nicht deutlich wird, welche der in der Berufungsschrift namentlich benannten Parteien Beklagter ist.
Normenkette
ZPO § 518 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Thüringer OLG (Aktenzeichen 5 U 1225/98) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 5. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 3. Mai 1999 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten legte per Telefax am 10. August 1998, dem letzten Tag der Berufungsfrist, gegen ein der Beklagten ungünstiges landgerichtliches Urteil „namens und mit Vollmacht der Beklagten” Berufung ein. Im Eingang der Berufungsschrift waren die Parteien zwar namentlich benannt („In dem Rechtsstreit P. GmbH gegen L. K.”); wer Kläger und wer Beklagter ist, war aber nicht ausdrücklich gesagt. Eine Abschrift des angefochtenen Urteils war nicht beigefügt. Das Oberlandesgericht (5. Zivilsenat) hat die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde.
II.
Das gemäß § 519 b Abs. 2 i.V.m. § 547, § 577 ZPO zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört zum notwendigen Inhalt der Berufungsschrift die Angabe, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt wird (BGHZ 21, 168, 170 ff; 65, 114, 115; 113, 228, 230; zuletzt BGH, Urt. v. 4. Juni 1997 - VIII ZB 9/97, WM 1997, 1967, 1968). Es genügt nicht, wenn im Rechtsmittelverfahren nur für den Gegner ersichtlich ist, wer Berufung eingelegt hat. Die Einlegung der Berufung ist eine dem Gericht gegenüber vorzunehmende Rechtshandlung, die einen neuen Verfahrensabschnitt vor einem anderen als dem bis dahin mit der Sache befaßten Gericht eröffnet. Wenn das Rechtsmittelgericht nicht erkennen kann, welche Partei Rechtsmittelführer ist, kann sie dem Gegner die Rechtsmittelschrift nicht zustellen. Das Erfordernis der genauen Parteibezeichnung dient deshalb der Rechtssicherheit, den schutzwürdigen Belangen des Rechtsmittelbeklagten und einem geregeltem Ablauf des Verfahrens (BGH, Urt. v. 29. April 1994 - V ZR 62/93, NJW 1994, 1879, 1880).
Wird in der Berufungsschrift nur erklärt, daß für den „Beklagten” Berufung eingelegt werde, aber nicht gesagt, wer von den namentlich benannten Parteien Beklagter ist, kann die Berufungsschrift jedenfalls dann keiner der Parteien zugeordnet werden, wenn das Rechtsmittel – wie hier – beim Rechtsmittelgericht eingelegt wird. Die Reihenfolge der Namen im Eingang der Berufungsschrift läßt hinreichend sichere Schlüsse nur dann zu, wenn es im Bezirk des Berufungsgerichts allgemein üblich ist, im Eingang von Schriftsätzen und Entscheidungen in allen Instanzen den Kläger stets an erster Stelle und den Beklagten erst an zweiter Stelle zu nennen, gleichviel wie die Parteirollen in der Rechtsmittelinstanz sind (vgl. BGHZ 65, 114, 115). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts gibt es im dortigen Bezirk keine derartige allgemeine Übung. Dann kann die Einlegung einer Berufung „namens des Beklagten”, ohne zu sagen, wer Beklagter ist, ebensowenig genügen wie die Einlegung einer Berufung für eine mit Namen benannte Partei, wenn unklar ist, ob es sich um den Kläger oder den Beklagten handelt (vgl. BAG NJW 1972, 1440).
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 71, 202, 204 = NJW 1986, 2101 f) hat die Einlegung einer Berufung „namens des Klägers” zwar genügen lassen, wenn die Berufungsschrift beim Eingangsgericht eingereicht wird. Dort kann es aber zu Unsicherheiten über die Person des „Klägers” nicht kommen. Mit dieser Situation ist die hier vorliegende nicht vergleichbar.
2. Die erforderliche Klarheit über die Person des Berufungsklägers konnte im vorliegenden Fall auch nicht auf sonstige Weise gewonnen werden. Das angefochtene Urteil hätte hier weiteren Aufschluß geben können; es war aber nicht beigefügt und wurde erst nach Ablauf der Berufungsfrist nachgereicht. Daß der Prozeßbevollmächtigte sich bei der Bezeichnung des Rechtsmittelführers in der Rechtsmittelschrift der weiblichen Form bedient hatte („namens der Beklagten”), war hier nicht hilfreich. Allerdings hatte sich die Beklagte persönlich schon mit Schreiben vom 14. Juli 1998 an das Oberlandesgericht gewandt und Berufung gegen das Urteil des Landgerichts eingelegt. Deswegen mußte der Senat, der über die am 10. August 1998 eingelegte Berufung entschieden hat, aber nicht wissen, wer im vorliegenden Fall Beklagte und somit Berufungsklägerin war. Da die Beklagte dem Schreiben vom 14. Juli 1998 keine Abschrift des Urteils beigefügt und weder dessen Aktenzeichen oder Datum noch den Namen der gegnerischen Partei mitgeteilt hatte, hatte der Vorgang beim Oberlandesgericht ein AR-Aktenzeichen des 3. Senats erhalten. In der am 10. August 1998 eingegangenen Berufungsschrift war auf diesen Vorgang nicht Bezug genommen worden. Der zuständige 5. Zivilsenat kannte ihn nicht und hatte von sich aus auch keinen Anlaß, danach zu forschen.
Unterschriften
Paulusch, Kirchhof, Fischer, Zugehör, Ganter
Fundstellen
Haufe-Index 539229 |
BB 1999, 2161 |
NJW 1999, 3124 |
JurBüro 2003, 280 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 1999, 958 |
MDR 1999, 1218 |
SGb 1999, 702 |
VersR 2001, 120 |
MittRKKöln 1999, 332 |
BRAK-Mitt. 2000, 48 |