Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenwiderspruch. Kostenentscheidung. 0,8 – Verfahrensgebühr. Hauptsachewert. Einstweilige Verfügung. Anerkenntnis
Leitsatz (amtlich)
Wendet sich der anwaltlich vertretene Antragsgegner mit dem Kostenwiderspruch gegen die im Verfügungsverfahren gegen ihn ergangene Kostenentscheidung, fällt auf seiner Seite keine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Ziff. 1 RVG-VV aus dem Gegenstandswert des Verfügungsverfahrens an (Bestätigung von BGH, Beschl. v. 22.5.2003 - I ZB 38/02, WRP 2003, 1000; Beschl. v. 26.6.2003 - I ZB 11/03, BGHReport 2003, 1115).
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1, § 93; RVG VV Nr. 3101 Ziff. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des OLG München - 11. Zivilsenat - vom 14.9.2012 aufgehoben.
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin bei dem LG München I vom 6.7.2012 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die von der Antragstellerin an die Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten werden unter Zurückweisung des weitergehenden Kostenfestsetzungsantrags der Antragsgegnerin auf 581,80 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 30.5.2012 festgesetzt.
Die Kosten der Rechtsmittel werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 1.268 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
I. Die Antragstellerin hat wegen einer von ihr als wettbewerbswidrig angesehenen Behauptung gegen die Antragsgegnerin ohne deren vorherige Anhörung eine Beschlussverfügung erwirkt. Die Antragsgegnerin hat diese bis auf die Kostenentscheidung als endgültige Regelung anerkannt. Auf ihren zugleich eingelegten Kostenwiderspruch hat das LG die einstweilige Verfügung im Kostenpunkt aufgehoben und die Kosten des Verfahrens gem. § 93 ZPO der Antragstellerin auferlegt. Deren dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben.
Rz. 2
Die Rechtspflegerin des LG hat die der Antragsgegnerin von der Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf 1.849,80 EUR festgesetzt. Sie hat dabei eine 1,3-Verfahrensgebühr in nach dem Wert der Kosten berechneter Höhe und zusätzlich eine 0,8-Verfahrensgebühr nach dem Gegenstandswert des Verfügungsverfahrens als erstattungsfähig angesehen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist ohne Erfolg geblieben (OLG München, JurBüro 2013, 33 = Rpfleger 2013, 116). Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich die Antragstellerin weiterhin gegen die Festsetzung einer nach dem Gegenstandswert des Verfügungsverfahrens berechneten 0,8-Verfahrensgebühr der Antragsgegnerin.
Rz. 3
II. Das Beschwerdegericht hat neben der Verfahrensgebühr aus dem Kostenwert auch eine 0,8-Verfahrensgebühr nach dem Gegenstandswert des Verfügungsverfahrens als erstattungsfähig angesehen, weil die Antragsgegnerin ihrem Verfahrensbevollmächtigten einen umfassenden, nicht auf die Kostenfrage beschränkten Verfahrensauftrag erteilt habe. Ein Kostenwiderspruch stehe einem sofortigen Anerkenntnis nahe, das ebenfalls eine zu erstattende 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Hauptsachewert auslöse. In beiden Fällen werde der Antragsgegner in unberechtigter Weise mit einer prozessualen Maßnahme überzogen. Er habe daher in beiden Fällen auch das Recht, die Maßnahme anwaltlich überprüfen zu lassen, selbst wenn er sie letztlich als begründet anerkenne.
Rz. 4
III. Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund ihrer Zulassung durch das Beschwerdegericht gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft und auch ansonsten zulässig. In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg. Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin lediglich eine 1,3-Verfahrensgebühr in nach dem Wert der Kosten berechneter Höhe zu erstatten.
Rz. 5
1. Der Senat hat unter der Geltung der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung entschieden, dass mit dem Kostenwiderspruch auf Seiten des Antragsgegners keine 5/10-Prozessgebühr nach §§ 31 Abs. 1 Nr. 1, 32 Abs. 1 BRAGO aus dem Gegenstandswert des Verfügungsverfahrens anfällt, weil der dem Rechtsanwalt erteilte Auftrag, gegen eine einstweilige Verfügung nur zum Kostenpunkt Widerspruch zu erheben, allein auf die Abänderung der Kostenentscheidung abzielt (BGH, Beschl. v. 22.5.2003 - I ZB 38/02, WRP 2003, 1000, 1001; Beschl. v. 26.6.2003 - I ZB 11/03, BGH-Rep. 2003, 1115).
Rz. 6
2. An dieser Sichtweise hält der Senat auch unter der Geltung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes fest. Weder die Begründung des Beschwerdegerichts noch die Neuregelung des anwaltlichen Vergütungsrechts geben Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen, die auch von der ganz herrschenden Ansicht in der Rechtsprechung und im Schrifttum geteilt wird (vgl. OLG Karlsruhe, WRP 2007, 1501, 1502; OLG Hamburg MDR 2009, 174; OLG Hamburg, AGS 2011, 621, 622; Ahrens/Scharen, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl., Kap. 51 Rz. 56 Fn. 171; Musielak/Lackmann, ZPO, 10. Aufl., § 91 Rz. 50; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 91 Rz. 13 "Kostenwiderspruch"; a.A. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 20. Aufl., Anhang II Rz. 84).
Rz. 7
a) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts lässt sich die Situation bei einem auf die Kosten beschränkten Widerspruch nach einer im Beschlusswege erlassenen einstweiligen Verfügung nicht mit der Situation vergleichen, die bei einem Anerkenntnis nach Erhebung einer Hauptsacheklage besteht.
Rz. 8
aa) Die Beschränkung des Widerspruchs auf die Kostenentscheidung enthält einen teilweisen Rechtsbehelfsverzicht, ohne den der Antragsgegner die mit dem Kostenwiderspruch erstrebte Vergünstigung des § 93 ZPO nicht in Anspruch nehmen könnte, wobei dies für die gebührenrechtliche Beurteilung ohne Belang ist (BGH, WRP 2003, 1000, 1001; BGH-Rep. 2003, 1115). Einem Anerkenntnis nach Klageerhebung steht dies nicht gleich. Ein Anerkenntnisurteil kann nur unter Mitwirkung - in Form einer ausdrücklichen Erklärung - des Beklagten ergehen. Mit dem Erlass einer einstweiligen Verfügung im Beschlusswege ist dagegen bereits eine Entscheidung über den Gegenstand des Verfügungsverfahrens getroffen, ohne dass es dazu einer Erklärung des Antragsgegners bedarf (vgl. OLG Karlsruhe, WRP 2007, 1501, 1502).
Rz. 9
bb) Mit dem auf die Kosten beschränkten Widerspruch wird der Streitstoff des Widerspruchsverfahrens festgelegt und zugleich hierauf begrenzt (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., § 55 Rz. 9 m.w.N.). Die Prüfung, ob der Widerspruch unbeschränkt oder nur auf die Kosten beschränkt eingelegt werden soll, ist dem Erlass der Verfügung nachgelagert, dem Widerspruchsverfahren aber vorgelagert. Die für diese Tätigkeit anfallenden Anwaltskosten rechnen daher nicht zu den im Widerspruchsverfahren gesondert zu erstattenden Kosten (BGH, WRP 2003, 1000, 1001; BGH-Rep. 2003, 1115).
Rz. 10
b) Die Rechtslage unter der Geltung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ist mit der nach der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung vergleichbar. Die Voraussetzungen für die Entstehung einer Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 in Verbindung mit der Vorbemerkung 3 Abs. 2 RVG-VV sind dieselben wie die, unter denen früher gem. § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO die seinerzeitige Prozessgebühr angefallen ist. Dasselbe gilt für die Voraussetzungen, unter denen die Gebühr bei vorzeitiger Beendigung des Auftrags zu vermindern ist (vgl. § 32 Abs. 1 BRAGO einerseits und Nr. 3101 Nr. 1 RVG-VV andererseits). Auch ansonsten hat die Neuregelung des anwaltlichen Vergütungsrechts keinen Einfluss auf die Frage, welche Gebühren im Falle eines Kostenwiderspruchs nach einer im Beschlusswege ergangenen einstweiligen Verfügung entstehen und erstattungsfähig sind.
Rz. 11
c) Unerheblich ist daher auch nach dem nunmehr geltenden Recht, ob die Antragsgegnerin ihrem Prozessbevollmächtigten ein uneingeschränktes Mandat erteilt hatte. Eine diesem daraus erwachsene 0,8-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3101 Ziff. 1 RVG-VV wäre nicht erstattungsfähig. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts betrifft dies auch die Kosten einer anwaltlichen Beratung, die der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen. Solche Kosten sind nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO (BGH, WRP 2003, 1000, 1002; BGH-Rep. 2003, 1115; OLG Köln, WRP 2002, 1092). An dieser Beurteilung ist auch nach der Ablösung der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz festzuhalten.
Rz. 12
IV. Danach ist die Entscheidung des Beschwerdegerichts auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin aufzuheben, soweit dieses die Festsetzung einer 0,8-Verfahrensgebühr aus dem Gegenstandswert des Verfügungsverfahrens im Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG bestätigt hat. Der Kostenfestsetzungsantrag der Antragsgegnerin ist unter Abänderung der von der Rechtspflegerin des LG getroffenen Entscheidung insoweit zurückzuweisen.
Rz. 13
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 5309129 |
NJW 2013, 3104 |
NJW 2013, 8 |
EBE/BGH 2013 |
GRUR 2013, 1286 |
GRUR 2013, 7 |
JurBüro 2013, 637 |
AnwBl 2013, 828 |
JZ 2013, 647 |
MDR 2013, 1253 |
NJ 2013, 6 |
Rpfleger 2013, 705 |
WRP 2013, 1484 |
AGS 2013, 536 |
NJW-Spezial 2013, 733 |
RVGreport 2014, 109 |