Entscheidungsstichwort (Thema)
Fristwahrende Berufungseinlegung bei Verbindung von Rechtsmittel- und Prozesskostenhilfeantrag
Leitsatz (redaktionell)
Wird eine Rechtsmittelschrift als „Entwurf” zusammen mit einem Prozesskostenhilfeantrag übermittelt, so fehlt es an der Einlegung eines Rechtsmittels; die Schrift dient vielmehr nur zur Darlegung der Erfolgsaussichten für die beantragte Prozesskostenhilfe.
Normenkette
ZPO §§ 114, 518
Tenor
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 18. Zivilsenats – Familiensenat – des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 2. Juli 1999 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Gründe
Das Oberlandesgericht hat zu Recht die – nach dem telefonisch erklärten Willen der Beklagten als Rechtsmittel bestimmte, jedoch nur im Entwurf zu den Akten gelangte – „Berufung” als unzulässig verworfen. Auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses wird Bezug genommen. Die sofortige Beschwerde rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Die Einlegung eines Rechtsmittels kann, wie das Oberlandesgericht zutreffend und in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dargelegt hat, bereits mit dem Gesuch um Prozeßkostenhilfe verbunden werden, wenn der Rechtsmittelführer unabhängig von der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe bereits zur Durchführung des Rechtsmittels entschlossen ist. Hierfür muß ein von einem zugelassenen Rechtsanwalt unterschriebener Schriftsatz eingereicht werden, der inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen des § 518 ZPO entspricht und darüber hinaus als Vornahme der Prozeßhandlung – Einlegung der Berufung – bestimmt ist (vgl. Senatsbeschluß vom 9. Juli 1986 - IVb ZB 55/86 = BGHR ZPO § 518 Abs. 1, Einlegung, unbedingte 1). Das ist dann nicht der Fall, wenn sich trotz Erfüllung der Voraussetzungen des § 518 ZPO aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt, daß der Schriftsatz nicht zur Einlegung des Rechtsmittels, sondern nur zur Darlegung der Erfolgsaussicht der beantragten Prozeßkostenhilfe dienen soll. Dies ist nach der Rechtsprechung des Senats, der sich das Oberlandesgericht angeschlossen hat, etwa dann anzunehmen, wenn der Rechtsmittelschriftsatz, wie im vorliegenden Fall, in dem Prozeßkostenhilfegesuch deutlich als „Entwurf” bezeichnet und überdies von einer erst „beabsichtigten Berufung” die Rede ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 2. Oktober 1985 - IVb ZB 62/85 = VersR 1986, 40; vom 16. Dezember 1987 - IVb ZB 161/87 = FamRZ 1988, 383, 384; sowie vom 11. August 1998 - XII ZB 50/98 = BGHR aaO Einlegung, unbedingte 4; auch BGH Beschluß vom 25. Oktober 1995 - IV ZB 20/95 = BGHR aaO Einlegung, unbedingte 3). Würde die Einreichung des Schriftsatzes in einem solchen Fall gleichwohl bereits als – unbedingte (vgl. insoweit BGHZ 4, 54; BGH Beschluß vom 24. Juni 1999 - IX ZB 30/99, zur Veröffentlichung bestimmt) – Rechtsmitteleinlegung behandelt, dann hätte dies bei Verweigerung der beantragten Prozeßkostenhilfe (etwa wegen fehlender Erfolgsaussicht) zur Folge, daß die wirtschaftlich unvermögende Partei – im Zweifel gegen ihren Willen – mit den Kosten des bereits eingelegten Rechtsmittels belastet wäre. Die dargelegte Rechtsprechung trägt damit dem berechtigten Interesse der mittellosen Partei Rechnung, keine eigenen Kosten für die Durchführung eines erfolgversprechenden Rechtsmittels aufwenden zu müssen.
Soweit die sofortige Beschwerde in diesem Zusammenhang geltend macht, das Oberlandesgericht habe den Beklagten – bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung des angefochtenen Beschlusses – Prozeßkostenhilfe für eine unzulässige, nämlich bereits verfristete Berufung bewilligt, geht der Einwand fehl. Das Oberlandesgericht hat erkennbar in der Erwartung gehandelt, daß die Berufung, wie in derartigen Fällen üblich, nach Bewilligung der Prozeßkostenhilfe fristgerecht unter Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingelegt und begründet werde. Das ist indessen nicht geschehen.
Zur Entscheidung über das mit der sofortigen Beschwerde vorsorglich gestellte Wiedereinsetzungsgesuch der Beklagten vom 21./22. Juli 1999 ist unter den gegebenen Umständen nicht der Bundesgerichtshof, sondern das Oberlandesgericht zuständig, § 237 ZPO (vgl. Senatsbeschluß vom 7. Oktober 1981 - IVb ZB 825/81 = FamRZ 1982, 163, 164; Senatsurteil vom 4. November 1981 - IVb ZR 625/80 = NJW 1982, 1873, 1874).
Beschwerdewert: 8.670 DM (Bekl. zu 1.: 4.890 DM Bekl. zu 2.: 3.780 DM)
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Gerber, Sprick, Weber-Monecke
Fundstellen
Haufe-Index 539523 |
FamRZ 2001, 907 |
NJW-RR 2000, 879 |
SGb 2000, 550 |