Verfahrensgang
Tenor
Die weitere sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 27. Februar 1997 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 280.018,17 DM
Gründe
Der Beklagten ist das im schriftlichen Verfahren ergangene Versäumnisurteil des Landgerichts vom 10. Oktober 1996 am 24. Oktober 1996 durch Niederlegung in B. zugestellt worden. Sie befand sich bereits seit 20. September 1996 bei ihrer Tochter in M.. Einen Postnachsendeauftrag hatte sie nicht erteilt. Erst am 23. November 1996, einem Samstag, kehrte sie in ihre Wohnung nach B. zurück. Dort fand sie eine Vielzahl von Briefen und Schreiben vor. Nach ihrem Vorbringen widmete sie sich zunächst den Sendungen, die ihre freiberufliche Tätigkeit als Journalistin betrafen. Die in der Post befindliche Ankündigung eines Gerichtsvollziehers, der aus einem anderen zugunsten des Klägers ergangenen Urteil vollstrecken wollte, sowie ein ihr am 26. November 1996 zugehendes Schreiben, in dem sie als Zweitschuldnerin für ein Gerichtsverfahren in Anspruch genommen wurde, hätten sie in helle Aufregung versetzt und einen neuen Schub Depressionen ausgelöst. Hierzu hat die Beklagte ein Attest vorgelegt, wonach sie unter rezidivierenden Depressionen leidet, die die Teilnahme an Gerichtsprozessen und die Bearbeitung von Gerichtsakten unmöglich macht, soweit diese ihren Bruder, den Kläger, ihre Mutter und deren Umfeld betreffen. Dies gelte insbesondere für die Zeit von Mitte September bis Mitte November 1996. Derselbe Arzt hat diese Diagnose in einem späteren Attest auf die Zeit bis Ende November 1996 erstreckt. Nach dem Vorbringen der Beklagten war sie erst am Abend des 28. November 1996 zeitlich und gesundheitlich in der Lage, die während ihrer Abwesenheit eingegangene Post weiter zu bearbeiten. Dabei fand sie die Niederlegungsnachricht bezüglich der Klage und des Versäumnisurteils im vorliegenden Verfahren. Sie begab sich am folgenden Tag zu ihrem Neurologen, ließ sich beruhigende Mittel geben und holte anschließend bei der Post sowohl das Versäumnisurteil als auch die Klageschrift ab. Aufgrund der in den Zustellungsschreiben enthaltenen Belehrungen glaubte sie, vom 29. November 1996 an laufe eine Zwei-Wochen-Frist. Deshalb wandte sie sich wegen der ihr in dieser Sache zugegangenen Schriftstücke erst am 10. Dezember 1996 an ihre F. Rechtsanwältin, die sie seit Anfang Juni 1996 in zwei weiteren gerichtlichen Auseinandersetzungen mit dem Kläger vertritt. Diese fertigte den Einspruch und den Wiedereinsetzungsantrag, der von den B. Prozeßbevollmächtigten der Beklagten am 13. Dezember 1996 beim Landgericht eingereicht wurde.
Das Landgericht hat den Einspruch als unzulässig verworfen und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Die gegen diesen Beschluß gerichtete sofortige Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Es könne weder davon ausgegangen werden, daß die Beklagte nach der Rückkehr in ihre Wohnung aus gesundheitlichen Gründen gehindert gewesen sei, ihren Bruder betreffende gerichtliche Schriftstücke umgehend an ihre Rechtsanwältin zur Prüfung weiterzuleiten. Noch könne durch die vorgelegten Arztatteste entschuldigt werden, daß sie auch nach einer mehr als sechs Wochen dauernden Abwesenheit nicht für die Nachsendung ihrer Post gesorgt habe. Den ärztlichen Attesten könne keine wesentliche Bedeutung beigemessen werden, weil sich die Beklagte nach ihrem eigenen Sachvortrag sowohl vor als auch nach dem in den Attesten genannten Zeitraum durchaus in der Lage gesehen habe, in bezug auf ihren Bruder ihre Interessen aktiv wahrzunehmen. Daß es gerade in der Zeit zwischen Mitte September und Ende November 1996 zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands der Beklagten gekommen sei, lasse sich weder den Attesten noch dem sonstigen Vorbringen der Beklagten auch nur andeutungsweise entnehmen. Insbesondere habe sie sich nach ihrer eigenen Darstellung zum Zeitpunkt ihrer Rückkehr bei guter Gesundheit befunden und u.a. die Post bearbeiten können, die ihre Tätigkeit als freie Journalistin betraf. Sie hätte daher die niedergelegten Zustellungen des vorliegenden Verfahrens bereits am Montag, dem 25. November 1996, in Empfang nehmen können, notfalls nach einem vorherigen Besuch bei ihrem Neurologen.
Gegen diesen Beschluß des Oberlandesgerichts hat die Beklagte weitere sofortige Beschwerde eingelegt. Das Rechtsmittel ist zulässig, aber nicht begründet.
Wiedereinsetzung kann der Beklagten schon deshalb nicht gewährt werden, weil die zweiwöchige Frist des § 234 Abs. 1 ZPO nicht eingehalten worden ist. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an dem das Hindernis behoben ist (§ 234 Abs. 2 ZPO). Das Hindernis für die rechtzeitige Einlegung des Einspruchs bestand hier in der fehlenden Kenntnis der Beklagten von der Zustellung des Versäumnisurteils und dem Zustellungsdatum. Behoben ist das Hindernis nicht erst, wenn die bisherige Ursache der Verhinderung beseitigt ist, sondern schon, wenn das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann (BGH, Beschluß vom 8. April 1992 – IV ZB 14/91 – VersR 1993, 205; Beschluß vom 18. September 1991 – XII ZB 51/91 – BGHR ZPO § 234 Abs. 2 Fristbeginn 5). Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Oberlandesgerichts hätte die Beklagte bereits am Montag, dem 25. November 1996, von den Zustellungen im vorliegenden Verfahren Kenntnis nehmen können. Daß sie die niedergelegten Schriftstücke erst am Freitag, dem 29. November 1996, von der Post abgeholt hat, beruht auf ihrem Verschulden.
Die Rüge der weiteren sofortigen Beschwerde der Beklagten, es stelle eine durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigende Überspannung der Anforderungen dar, nach einer Ortsabwesenheit von etwa neun Wochen zu verlangen, die während der Abwesenheit eingegangene Post sofort durchzusehen und niedergelegte Sendungen am ersten Werktag nach der Rückkehr bei der Post abzuholen, ist nicht gerechtfertigt. Im vorliegenden Fall war die Beklagte bereits zwei Tage vor dem 25. November 1996 in ihre Wohnung zurückgekehrt. Sie hat auch nicht vorgetragen, daß eine Durchsicht der während ihrer Abwesenheit eingegangenen Post mehr als ein oder zwei Stunden Zeit gekostet hätte. Konnte sie danach aber bereits am Vormittag des 25. November 1996 Kenntnis von der Niederlegung gerichtlicher Zustellungen erlangen, hätte sie diese auch unverzüglich abholen müssen, selbst wenn sie nicht mit einem neuen Gerichtsverfahren rechnete. Die Frist des § 234 Abs. 1 ZPO war daher jedenfalls bei Eingang des Wiedereinsetzungsantrags am 13. Dezember 1996 bereits abgelaufen.
Unterschriften
Dr. Schmitz, Dr. Zopfs, Dr. Ritter, Römer, Dr. Schlichting
Fundstellen