Leitsatz (amtlich)
Die in einem Antrag nach § 717 ZPO zurückverlangten Zinsen und Kosten werden in keinem Fall dem Streitwert zugerechnet.
Normenkette
ZPO § 717
Tenor
Der Streitwert für die Revisionsinstanz wird auf DM 5.358,04 festgesetzt.
Gründe
I.
Durch vorläufig vollstreckbares Urteil des Landgerichts Würzburg vom 14. März 1961 wurde der Beklagte zur Zahlung von 5.332,19 DM nebst 8 % Zinsen aus 5.669,89 DM für die Zeit vom 6. Februar 1959 bis 22. Januar 1960 und aus 3.135,54 DM seit dem 23. Januar 1960 verurteilt.
Der Beklagte hat am 12. Juni 1961 zur Abwendung der Zwangsvollstreckung 7.259,87 DM, nämlich 5.332,19 DM Hauptsumme, 775,15 DM Zinsen und 1.152,53 DM Kosten, an den Kläger bezahlt. Mit seiner Berufung begehrte er Klageabweisung und die Rückzahlung des bezahlten Betrags.
Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen und den Kläger zur Zahlung von 7.259,87 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 12. Juni 1961 verurteilt.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger in vollem Umfang Revision eingelegt.
Er hat beantragt, den Streitwert für die Revisionsinstanz auf 5.669,89 DM für die Klage und 7.259,87 DM für den Rückzahlungsanspruch des Beklagten, insgesamt auf 12.929,76 DM festzusetzen.
II.
Der Streitwert für die Revisionsinstanz beträgt nach der Auffassung des Senats nur 5.358,04 DM.
1) Soweit der Kläger für die Klage einen Streitwert von 5.669,89 DM annimmt, übersieht er, daß sein ursprünglich auf Zahlung von 5.669,89 DM gerichtete Klage in Höhe von 337,70 DM bereits vom Landgericht abgewiesen worden ist. Da er gegen das Urteil des Landgerichts keine Berufung eingelegt hat, standen beim Berufungsgericht nur noch die dem Kläger vom Landgericht zugesprochenen 5.332,19 DM im Streit. Weiter kann auch sein Revisionsantrag zur Klage nicht gehen.
2) Unrichtig ist auch seine Auffassung, daß bei der Bemessung des Streitwerts die Hauptsumme doppelt zu rechnen sei. Insoweit handelt es sich um denselben Streitgegenstand. Das verbietet eine doppelte Berücksichtigung bei der Bemessung des Streitwerts.
3) Fraglich könnte daher nur sein, ob bei der Bemessung des Streitwerts die in dem gem. § 717 Abs. 2 ZPO gestellten Zahlungsantrag des Klägers enthaltenen Zinsen und Kosten zuzurechnen sind.
Das ist zu verneinen.
a) Das Reichsgericht beurteilt die Frage, ob bei einem solchen Antrag Zinsen und Kosten dem Streitwert zugerechnet werden, unterschiedlich je nach dem, ob der Antrag im Wege der „Widerklage” oder durch einen einfachen „Inzidentantrag” gestellt worden ist.
Wird der Antrag durch eine „Widerklage” gelten gemacht, so sollen nach Auffassung des Reichsgerichts die Zinsen und Kosten berücksichtigt werden, demnach für die Bemessung des Streitwerts der volle vom Schuldner beigetriebene oder zur Abwehr der Zwangsvollstreckung bezahlte Betrag maßgebend sein (RGZ 63, 367, 369; 124, 182, 184; 145, 296, 298; JW 1909, 23; OLG Frankfurt JW 1929, 1685; ebenso auch allgemein im Schrifttum).
Liegt dagegen nur ein einfacher „Inzidentantrag” vor, so sind nach Meinung des Reichsgerichts Zinsen und Kosten dem Streitwert nicht zuzurechnen (RG a.a.O.; ferner OLG Kiel JW 1929, 883; OLG Frankfurt a.a.O.; ebenso auch Baumbach-Lauterbach ZPO 26. Aufl. Anm. 3 B zu § 717 ZPO).
Doch wird auch die Meinung vertreten, daß auch in diesem Fall Zinsen und Kosten zu berücksichtigen seien (KG JW 1934, 702; OLG Frankfurt NJW 1956, 1644; Lauterbach Kostengesetze 14. Aufl. Anm. 2 A zu § 16 GKG; Gerold, Streitwert 1959 S. 307; Hillach, Handbuch des Streitwerts 1954 S. 33, 317; Stein-Jonas-Schönke ZPO 18. Aufl. Anm. III 2 zu § 4 ZPO, – anders jedoch in Anm. III 3 zu § 546 ZPO und III 1 zu § 717 ZPO –; Wieczorek ZPO Anm. C II b 2 zu § 4 ZPO und B III b 3 zu § 717 ZPO; Zöller ZPO 9. Aufl. Anm. 2 d zu § 717 ZPO). Zur Begründung dieser Ansicht wird meist angeführt, daß in solchen Fällen zwischen der Widerklage und dem Inzidentantrag sachlich und verfahrensrechtlich kein Unterschied bestehe, der eine unterschiedliche Behandlung rechtfertige.
Der Bundesgerichtshof hat sich für den Fall, daß ein Inzidentantrag vorliegt, der Meinung des Reichsgerichts angeschlossen (Urteil des V. Zivilsenats vom 2. Februar 1962 – V ZR 70/60 – = NJW 1962, 806; ferner ohne Begründung und besonderen Streitwertbeschluß der III. Zivilsenat (III ZR 30/60) und schließlich der VII. Zivilsenat in einem Streitwertbeschluß vom 30. Oktober 1961 – VII ZR 216/60 –).
Für den Fall der Widerklage liegt nur eine Entscheidung des IV. Zivilsenats vom 5. Februar 1953 – IV ZR 173/52 – vor; dort war der Beklagte zur Zahlung von 3.980,85 DM nebst Zinsen verurteilt worden, und der Kläger hatte hiervon 3.801,70 DM beigetrieben. Mit der Widerklage verlangte der Beklagte Schadensersatz in Höhe von 6.100 DM. Der IV. Zivilsenat hat zwar keinen besonderen Streitwertbeschluß erlassen, ist aber offensichtlich von einem Streitwert von 6.100 DM ausgegangen, da er andernfalls die Revision wegen Nichterreichung der Wertgrenze als unzulässig hätte verwerfen müssen. Der Widerklageantrag war jedoch nicht substantiiert, so daß nicht ersichtlich ist, ob es sich bei dem verlangten Mehrbetrag um den Ersatz von Zinsen und Kosten oder um die Geltendmachung eines weitergehenden Folgeschadens handelt, für den, wie noch auszuführen sein wird, eine Zurechnung des Mehrbetrags zum Streitwert erfolgen kann. Dem Urteil kann deshalb eine für die hier zu treffende Entscheidung etwa bindende Auffassung nicht entnommen werden.
b) Der Senat vermag der Auffassung, daß bei einem Antrag gemäß § 717 Abs. 2 ZPO (entsprechendes gilt auch für den Fall des § 717 Abs. 3 ZPO) dem Streitwert die zurückverlangten Zinsen und Kosten zuzurechnen sind, nicht zu folgen und zwar gleichviel, in welcher Form der Antrag gestellt wird.
Dabei wird von folgenden Erwägungen ausgegangen:
aa) Entgegen der Ansicht des Reichsgerichts erscheint es dem Senat nicht als gerechtfertigt, den Antrag nach § 717 Abs. 2 und 3 ZPO unterschiedlich zu behandeln, je nachdem, ob er im Wege eines „Inzidentantrags” oder der „Widerklage” geltend gemacht wird. In beiden Fällen ist der Anspruch sachlich-rechtlich derselbe und wird auch verfahrensrechtlich gleich behandelt. Die Bezeichnung als „Widerklage” wäre auch kein entscheidendes Unterscheidungsmerkmal dafür, in welcher Form der Antrag gestellt worden ist, denn diese ist für eine Widerklage nicht unbedingt erforderlich (RGZ 124, 182, 185). Es wäre daher vielfach schon unklar, was für ein Antrag gestellt worden ist. Im übrigen erscheint es auch nicht als angängig, die Höhe des Streitwerts von reinen Zufälligkeiten oder von dem Willen der Partei, ob und wie sie den Anspruch verfahrensrechtlich bezeichnet, abhängig zu machen. Auch der V. Zivilsenat spricht in seinem obengenannten Urteil Zweifel an der Berechtigung einer solchen Unterscheidung aus, ohne hierzu allerdings endgültig Stellung zu nehmen.
Es ist daher der Auffassung zuzustimmen, daß es bei Geltendmachung des Anspruchs aus § 717 ZPO für die Berechnung des Streitwerts unerheblich ist, unter welcher Bezeichnung er geltend gemacht wird.
bb) Die Auffassung des Senats, daß bei einem Antrag gemäß § 717 ZPO gleichviel, wie er von der Partei bezeichnet wird, die zurückverlangten Zinsen und Kosten in keinem Falle dem Streitwert zugerechnet werden, rechtfertigt sich aus folgenden Gründen:
Der Anspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO ist zwar ein Schadensersatzanspruch. Als solcher geht er aber in erster Linie – ebenso wie der Bereicherungsanspruch nach § 717 Abs. 3 ZPO, von dem er sich insoweit sachlich nicht unterscheidet – auf Rückzahlung der beigetriebenen oder zur Abwendung der Vollstreckung gezahlter Beträge. In diesem Umfang ist er nur das Spiegelbild des dem Kläger zuerkannten Zahlungsanspruchs an Hauptsache, Zinsen und Kosten. Deshalb entspricht es einer natürlichen Betrachtungsweise, die Zinsen und Kosten, die beim Streitwert der Klage nach § 4 ZPO nicht zu berücksichtigen waren, auch bei Ansprüchen aus § 717 Abs. 2 und 3 ZPO als Nebenforderungen zu behandeln, sie also im Streitwert nicht zu berücksichtigen. Dasselbe wird auch für Vollstreckungskosten gelten (§ 788 ZPO).
Die Auffassung, daß bei Erhebung des Anspruchs nach § 717 ZPO die bezahlten Zinsen und Kosten dem Streitwert zuzuschlagen seien, würde auch zu dem unerwünschten Ergebnis führen, daß es dadurch in der Hand des Schuldners läge, eine Änderung an der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts oder an der Zulässigkeit des Rechtsmittels herbeizuführen.
cc) Anders liegt es, soweit nach § 717 Abs., 2 ZPO Ersatz eines weitergehenden Schadens verlangt wird. Hier gelten die vorstehenden Erwägungen nicht. Der Wert eine solchen über die Rückforderung des Geleisteten hinausgehenden Anspruchs bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln.
4.) Infolgedessen ist in dem hier zur Entscheidung stehenden Fall für die Bemessung des Streitwerts lediglich die noch im Streit stehende Klagesumme von 5.332,19 DM maßgebend. Diese sind lediglich noch 8 % Zinsen aus dem nicht mehr anhängigen Betrag von 5.669,89 abz. 5.332,19 = 337,70 DM für die Zeit vom 6. Februar 1959 bis 22. Januar 1960 = 25,85 DM zuzurechnen (BGHZ 26, 174), so daß sich für die Revisionsinstanz ein Gesamtstreitwert von 5.358,04 DM ergibt.
Fundstellen
Haufe-Index 609654 |
BGHZ, 237 |
NJW 1963, 300 |
MDR 1963, 127 |