Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 28.04.2023; Aktenzeichen 13 T 4287/22)

AG Erlangen (Entscheidung vom 01.07.2022; Aktenzeichen 5 XVII 1093/19)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 13. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 28. April 2023 aufgehoben. Das Verfahren wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Eine Festsetzung des Werts (§ 36 Nr. 3 GNotKG) ist nicht veranlasst.

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

Rz. 2

1. Zu Recht macht die Rechtsbeschwerde mit ihrer Verfahrensrüge geltend, dass das Beschwerdegericht keine ausreichenden Feststellungen zur Sachkunde der zuletzt tätigen Sachverständigen Dr. N. getroffen hat.

Rz. 3

a) Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 FamFG soll der - in einem Betreuungsverfahren mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte - Sachverständige Arzt für Psychiatrie oder Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein. Ergibt sich die Qualifikation nicht ohne Weiteres aus der Fachbezeichnung des Arztes, ist seine Sachkunde vom Gericht zu prüfen und in der Entscheidung darzulegen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 13. Juli 2016 - XII ZB 46/15 - FamRZ 2016, 1665 Rn. 13 und vom 16. Dezember 2015 - XII ZB 381/15 - FamRZ 2016, 456 Rn. 14 mwN).

Rz. 4

b) Dem wird die Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht gerecht. Dem vom Beschwerdegericht eingeholten und verwerteten Gutachten der Sachverständigen Dr. N. vom 26. Oktober 2022 lassen sich keine Facharztbezeichnung oder sonstigen Angaben zur Qualifikation der Sachverständigen entnehmen. Diesbezügliche Feststellungen hat das Beschwerdegericht nicht getroffen. Allein aus ihrer Tätigkeit als Ärztin lässt sich für sich genommen noch nicht auf eine den Anforderungen des § 280 Abs. 1 FamFG genügende Sachkunde der Sachverständigen zur Erstattung psychiatrischer Gutachten schließen. Auch der allgemein gehaltene Hinweis, dass Dr. N. dem Gericht aus einer Vielzahl an Betreuungs- und Unterbringungsverfahren als sorgfältig und gewissenhaft arbeitende Sachverständige bekannt sei, vermag den konkreten Nachweis der erforderlichen Qualifikation entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung nicht zu ersetzen (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Mai 2012 - XII ZB 454/11 - FamRZ 2012, 1207 Rn. 14).

Rz. 5

2. Darüber hinaus fehlt es an ausreichenden Feststellungen des Beschwerdegerichts, dass die Anordnung des umfangreichen, praktisch sämtliche Lebensbereiche der Betroffenen umfassenden Aufgabenkreises im Sinne von § 1814 Abs. 3 Satz 1 BGB erforderlich ist.

Rz. 6

a) Nach § 1814 Abs. 3 Satz 1 BGB darf ein Betreuer nur bestellt werden, wenn dies erforderlich ist. Dieser Grundsatz verlangt für die Bestellung eines Betreuers die konkrete tatrichterliche Feststellung, dass sie - auch unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit - notwendig ist, weil der Betroffene auf entsprechende Hilfen angewiesen ist und weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen. Die Erforderlichkeit einer Betreuung kann sich dabei nicht allein aus der subjektiven Unfähigkeit des Betroffenen ergeben, seine Angelegenheiten selbst zu regeln (Betreuungsbedürftigkeit). Hinzutreten muss ein konkreter Bedarf für die Bestellung eines Betreuers. Ob und für welche Aufgabenbereiche ein objektiver Betreuungsbedarf besteht, ist aufgrund der konkreten, gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen. Dabei genügt es, wenn ein Handlungsbedarf in dem betreffenden Aufgabenkreis jederzeit auftreten kann (vgl. Senatsbeschlüsse vom 2. März 2022 - XII ZB 558/21 - FamRZ 2022, 891 Rn. 15 und vom 30. Juni 2021 - XII ZB 73/21 - FamRZ 2021, 1737 Rn. 7 mwN).

Rz. 7

b) Diesen Anforderungen genügt die angefochtene Entscheidung nicht. Sie verhält sich unter weitgehend wörtlicher Wiedergabe des Gutachtens der Sachverständigen Dr. N. im Wesentlichen nur zu den medizinischen Voraussetzungen der Betreuung und dazu, dass der Sohn der Betroffenen wegen Unredlichkeit nicht geeignet sei, die Angelegenheiten der Betroffenen als Vorsorgebevollmächtigter zu besorgen. Zum objektiven Betreuungsbedarf - außerhalb des Aufgabenbereichs der Vermögenssorge - fehlt es an jeglichen Ausführungen.

II.

Rz. 8

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

Guhling     

Klinkhammer     

Nedden-Boeger

Botur     

Pernice     

 

Fundstellen

Haufe-Index 16153095

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