Verfahrensgang
Tenor
Es wird angeordnet, dass die Klägerin wegen der Prozesskosten der Beklagten bis zum 26. März 2024 eine weitere Sicherheit in Höhe von 230.166,47 € zu erbringen hat.
Gründe
I.
Rz. 1
Die Klägerin, ein nach libyschem Recht gegründeter Staatsfonds, begehrt von der Beklagten Auszahlung des Guthabens eines bei ihr geführten Kontos in Höhe von 16.002.644 US-$.
Rz. 2
Der Klägerin ist durch Zwischenurteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 31. Oktober 2014 die Erbringung einer Prozesskostensicherheit in Höhe von 412.649,32 € für die Kosten erster und zweiter Instanz aufgegeben worden.
Rz. 3
Das Landgericht hat die Klage wegen fehlender Partei- und Prozessfähigkeit der Klägerin als unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Hiergegen hat die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und beantragt, der Klägerin die Erbringung einer weiteren Prozesskostensicherheit für die Kosten dritter Instanz aufzugeben.
II.
Rz. 4
1. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist über den Antrag auf Leistung einer weiteren Prozesskostensicherheit nach § 112 Abs. 3 ZPO durch Beschluss zu entscheiden, auch wenn die Pflicht zur Sicherheitsleistung oder deren Höhe in Streit steht (Senatsbeschluss vom 23. Oktober 2018 - XI ZR 549/17, WM 2018, 2242 Rn. 5; BGH, Beschluss vom 23. Juli 2020 - I ZR 9/20, juris Rn. 3).
Rz. 5
2. Die Beklagte ist mit dem Verlangen nach weiterer Sicherheitsleistung nicht gemäß §§ 565, 532 Satz 2 ZPO ausgeschlossen.
Rz. 6
Die Rüge der mangelnden Sicherheitsleistung für die Prozesskosten gehört zu den die Zulässigkeit der Klage betreffenden verzichtbaren Rügen im Sinne der genannten Vorschriften. Sie muss daher gemäß § 282 Abs. 3 ZPO grundsätzlich vor der ersten Verhandlung zur Hauptsache, und zwar für alle Rechtszüge, erhoben werden (BGH, Urteile vom 1. April 1981 - VIII ZR 159/80, NJW 1981, 2646, vom 23. November 1989 - IX ZR 23/89, WM 1990, 373, 374 und vom 30. Juni 2004 - VIII ZR 273/03, NJW-RR 2005, 148). Die Beklagte hat diese Rüge vorliegend bereits mit der Klageerwiderung vor der ersten Verhandlung zur Hauptsache und damit rechtzeitig und uneingeschränkt für alle drei Rechtszüge erhoben.
Rz. 7
Das Landgericht hat die Sicherheitsleistung ausgehend von einem Streitwert in Höhe von 11.801.374,63 € allerdings nur nach den voraussichtlichen Kosten des ersten und zweiten Rechtszuges mit 412.649,32 € bemessen. Diese Sicherheit ist im Hinblick auf die nunmehr für die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde anfallenden Prozesskosten dritter Instanz nicht mehr hinreichend im Sinne des § 112 Abs. 3 ZPO. Dass die Beklagte nicht schon vor dem Landgericht - entsprechend ihrem Antrag - auf eine höhere als die dort festgesetzte Sicherheit bestanden hat, kann ihr nicht entgegengehalten werden (vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 1981 - VIII ZR 35/81, WM 1982, 136, 137). Die Voraussetzungen für einen Antrag nach § 112 Abs. 3 ZPO auf Leistung einer weiteren Sicherheit traten erst im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ein, so dass die §§ 565, 532 Satz 2 ZPO der Zulassung des nunmehr gestellten Antrags auf eine weitere Prozesskostensicherheit nicht entgegenstehen.
Rz. 8
3. Die Voraussetzungen für die Erbringung einer Prozesskostensicherheit nach § 110 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO liegen vor.
Rz. 9
a) Der Senat hat ohne Bindung an das Zwischenurteil des Landgerichts selbständig zu prüfen, ob im Entscheidungszeitpunkt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2023 - I ZB 33/22, WM 2023, 443 Rn. 24) die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO vorliegen, weil in dem Zwischenurteil über eine Prozesskostensicherheit, die auch die dritte Instanz abdeckt, nicht entschieden worden ist (Senatsbeschluss vom 23. Oktober 2018 - XI ZR 549/17, WM 2018, 2242 Rn. 6; BGH, Beschluss vom 23. August 2017 - IV ZR 93/17, WM 2017, 1944 Rn. 5).
Rz. 10
b) Die Klägerin hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 110 Abs. 1 ZPO nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.
Rz. 11
Als Ort des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne dieser Vorschrift ist bei juristischen Personen deren Sitz anzusehen, ohne dass es vorliegend darauf ankommt, ob auf den Gründungs- oder auf den Verwaltungssitz abzustellen ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 21. Juni 2016 - X ZR 41/15, ZIP 2016, 1703 Rn. 13 ff.; BGH, Beschlüsse vom 23. August 2017 - IV ZR 93/17, WM 2017, 1944 Rn. 7 ff. und vom 30. Juni 2004 - VIII ZR 273/03, NJW-RR 2005, 148, 149). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde die Klägerin im Jahr 2006 als "juristische Person" in Libyen nach libyschem Recht gegründet. Im August 2018 wurde der Sitz der "Hauptverwaltung" der Klägerin von Malta nach Libyen verlegt. Damit liegt jedenfalls zum hier maßgebenden Zeitpunkt der Entscheidung sowohl der Gründungssitz als auch der Verwaltungssitz der Klägerin in Libyen und damit nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Auf die Beantwortung der Frage, ob der Verwaltungssitz der Klägerin ursprünglich in Malta lag, kommt es danach nicht an.
Rz. 12
Offenbleiben kann weiter, ob die - hier zugunsten der Klägerin unterstellte - ursprüngliche Verlegung des Verwaltungssitzes der Klägerin von Libyen nach Malta nach dem einschlägigen Gesellschaftsstatut zu einer Auflösung der Klägerin geführt hat und welche Auswirkungen dies auf ihre Partei- und Prozessfähigkeit hat. Denn die Rüge der mangelnden Sicherheitsleistung für die Prozesskosten kann auch gegenüber einem nicht parteifähigen Kläger erhoben werden (OLG Karlsruhe, NJW-RR 2008, 944, 945; Goldbeck in Kern/Diehm, ZPO, 2. Aufl., § 110 Rn. 7; Schütze, IPRax 2001, 193, 194). Zwar handelt es sich bei der Parteifähigkeit um eine Prozessvoraussetzung, die gemäß § 56 Abs. 1 ZPO in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist und ohne die ein Sachurteil nicht ergehen darf (BGH, Urteil vom 21. November 1996 - IX ZR 148/95, BGHZ 134, 116, 117 f.). Eine Partei, deren Parteifähigkeit, wie hier, im Streit steht, ist aber zur gerichtlichen Klärung dieser Frage als parteifähig zu behandeln (BGH, Urteil vom 11. April 1957 - VII ZR 280/56, BGHZ 24, 91, 94 und Beschluss vom 31. Mai 2010 - II ZB 9/09, WM 2010, 1719 Rn. 9 mwN). Aus diesem Grund kann auch gegen eine nicht parteifähige Partei eine Kostenentscheidung ergehen (vgl. zur Kostenentscheidung gegen eine prozessunfähige Partei BGH, Beschluss vom 4. März 1993 - V ZB 5/93, BGHZ 121, 397, 399). Unter diesen Umständen ist es sachgerecht und entspricht dem Normzweck der §§ 110 ff. ZPO, die Beklagte vor den Nachteilen zu schützen, die ihr drohen, wenn sie im Fall ihres Obsiegens die Prozesskosten gegen die Klägerin im Ausland beitreiben müsste (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2016 - X ZR 41/15, ZIP 2016, 1703 Rn. 21; BGH, Beschlüsse vom 23. August 2017 - IV ZR 93/17, WM 2017, 1944 Rn. 11 und vom 23. Juli 2020 - I ZR 9/20, juris Rn. 10). Der Klägerin kann danach selbst dann die Leistung einer Sicherheit aufgegeben werden, wenn sie nicht parteifähig sein sollte.
Rz. 13
c) Die Klägerin ist auch prozesskostensicherungspflichtig. Wer Kläger ist, bestimmt sich nach der Parteirolle in erster Instanz. Dabei bleibt es auch für den Fall eines Rechtsmittelverfahrens, in dem der Kläger Rechtsmittelbeklagter ist (BGH, Urteil vom 20. November 1961 - VIII ZR 65/61, BGHZ 37, 264, 266 und Beschluss vom 23. Juli 2020 - I ZR 9/20, juris Rn. 15).
Rz. 14
d) Die Verpflichtung der Klägerin zur weiteren Sicherheitsleistung ist nicht gemäß § 110 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen.
Rz. 15
aa) Der Ausnahmetatbestand des § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, dass aufgrund völkerrechtlicher Verträge keine Sicherheit verlangt werden kann, greift im Verhältnis zu Libyen nicht ein (vgl. LG Bonn, IPRax 1998, 116, 117; Dilger, ZZP 85 (1972), 408, 412; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Anhang Hinweise zur Befreiung von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten [§ 110 II Nr. 1 und 2 ZPO] und zur Verbürgung der Gegenseitigkeit [§ 328 I Nr. 5 ZPO bzw. § 109 IV FamFG] unter "Libyen"; Muthorst in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 110 Rn. 44 unter "Libyen").
Rz. 16
bb) Auf den Ausnahmetatbestand des § 110 Abs. 2 Nr. 3 ZPO kann sich die Klägerin - entgegen der von ihr vertretenen Auffassung - ebenfalls nicht mit Erfolg berufen. Denn sie besitzt nach ihrem Vorbringen weder im Inland ein zur Deckung der Prozesskosten hinreichendes Grundvermögen noch eine dinglich gesicherte Forderung.
Rz. 17
Der von der Klägerin als Sicherheit angebotene Anspruch nach § 459h Abs. 2 Satz 1 StPO auf Auskehr von Erlösen aus der Verwertung eingezogener Gegenstände in Höhe von 12.291.092,37 US-$ rechtfertigt keine analoge Anwendung von § 110 Abs. 2 Nr. 3 ZPO. Ein solcher Anspruch erlaubt weder einen Zugriff auf im Inland belegenes Grundvermögen noch auf einen sonstigen dinglichen Vermögensgegenstand im Rahmen einer getroffenen Sicherungsabrede. Er bietet daher keine vergleichbare Gewähr wie die in § 110 Abs. 2 Nr. 3 ZPO als Sicherheit genannten Vermögensgegenstände, so dass eine analoge Anwendung dieser Vorschrift insoweit nicht in Betracht kommt.
Rz. 18
4. Die Klägerin ist zur Leistung einer weiteren Sicherheit nach § 112 Abs. 3 ZPO für die Kosten dritter Instanz verpflichtet. Die vom Landgericht bereits festgesetzte Sicherheit umfasst nicht die für die dritte Instanz anfallenden Kosten.
Rz. 19
Bei der Bemessung der Höhe der weiteren Sicherheit ist der Streitwert der Hauptsache zugrunde zu legen (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Oktober 2018 - XI ZR 549/17, WM 2018, 2242 Rn. 16), der vorliegend dem Zahlungsbegehren der Klägerin in Höhe von 16.002.644 US-$ entspricht. Dabei ist gemäß § 40 GKG auf den Umrechnungskurs bei Eingang der Nichtzulassungsbeschwerde am 28. März 2023 abzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2010 - XII ZB 12/05, juris Rn. 2). Danach ist die Höhe der weiteren Sicherheit auf der Grundlage eines Streitwerts von bis zu 14.850.000 € zu bemessen.
Rz. 20
Maßgebend sind die möglichen Anwaltskosten der Beklagten für die dritte Instanz. Hierzu gehören neben den Kosten für die Nichtzulassungsbeschwerde auch die Anwaltskosten für eine sich möglicherweise anschließende Revision. Danach sind aus einem Gegenstandswert von bis zu 14.850.000 € eine 2,3 Verfahrensgebühr (117.056,20 €), eine 1,5 Terminsgebühr (76.341 €), eine Auslagenpauschale (20 €) und die Umsatzsteuer (36.749,27 €) durch die weitere Sicherheit abzudecken. Es ergibt sich folglich eine weitere Sicherheit in Höhe von insgesamt 230.166,47 €. Eine Verrechnung mit etwaigen Überzahlungen der für den ersten und zweiten Rechtszug geleisteten Prozesskostensicherheit findet, anders als die Klägerin meint, nicht statt.
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Fundstellen
Haufe-Index 16191173 |
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