Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung
Leitsatz (amtlich)
Ein Rechtsanwalt genügt nicht den ihm obliegenden Sorgfaltspflichten an die Kontrolle der Berufungsbegründungsfrist, wenn er sein Büro durch Anbringen eines Klebezettels an den Aktendeckel anweist, die Frist einzutragen.
Normenkette
ZPO § 85 Abs. 2, § 233
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Aktenzeichen 14 U 80/98) |
LG Hamburg (Aktenzeichen 317 O 34/96) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des 14. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 8. Juni 1998 wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführer tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Beschwerdewert: 29.484,40 DM
Gründe
I.
Die Beklagten haben gegen das Urteil des Landgerichts, in dem sie zur Zahlung von 29.484,40 DM verurteilt worden sind, am 26. März 1998 Berufung eingelegt. Nachdem sie mit Verfügung vom 30. April 1998, ihren Prozeßbevollmächtigten zugestellt am 5. Mai 1998, darauf hingewiesen worden waren, daß die Berufung nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist bis spätestens 27. April 1998 begründet worden sei, haben die Beklagten fristgerecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufung begründet.
Zur Begründung haben sie glaubhaft gemacht:
Erst mit Mitteilung des Gerichts sei bemerkt worden, daß die Berufungsbegründungsfrist versäumt worden sei. Nach der in der Kanzlei üblichen Weise sei, nachdem die Berufung eingelegt worden und die Erledigung auf dem Fristenkontrollzettel vermerkt worden sei, auf einem handschriftlichen Klebezettel die Notierung der Berufungsbegründungsfrist verfügt und die Akten mit diesem Klebezettel (Marke „Post-it”) auf dem Aktendeckel auf dem für Fristennotierung vorgesehenen Platz auf einen Schreibtisch im Sekretariat gelegt worden. Warum die für Fristen zuständige zuverlässige Sekretärin W. die Weisung nicht ausgeführt habe, habe nicht festgestellt werden können. Die Gründe ließen sich nur rekonstruieren. Die Akte müsse vom Platz für Fristennotierung entfernt worden sein, weil am 27. März 1998 noch ein Telefax an die Gegenpartei geschickt worden sei. Dabei müsse der Klebezettel verloren gegangen und die Akte nicht mehr an den ursprünglichen Platz zurückgelegt worden sein.
Das Berufungsgericht hat den Beklagten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich ihre sofortige Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat zu Recht die Berufung als unzulässig verworfen und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen. Die Berufung ist nicht fristgerecht begründet worden. Die Fristversäumung beruht auf einem den Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbaren Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten.
1. Das Berufungsgericht nimmt ein Organisationsverschulden des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten an. Der praktizierten Handhabung stünden Fehlerquellen gleichsam „auf der Stirn geschrieben”. Ein Klebezettel, der auf dem Aktendeckel angebracht sei, sei einem erheblichen Verlustrisiko ausgesetzt. Eine sichere Handhabung und Kontrolle der Berufungsbegründungsfrist auf eine solche Art und Weise erscheine nicht gewährleistet. Die Ablage der Akte nur auf einem „speziellen Platz” sei als weitere Gefahrenquelle anzusehen, weil sie mit anderen Akten vermischt oder weggenommen werden könne.
2. Der Senat schließt sich der Beurteilung des Berufungsgerichts an. Die Büroorganisation des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten entspricht nicht den für die Fristenkontrolle gebotenen Anforderungen. Ein Rechtsanwalt genügt nicht den ihm obliegenden Sorgfaltspflichten an die Kontrolle der Berufungsbegründungsfrist, wenn er sein Büropersonal durch Anbringen eines Klebezettels an den Aktendeckel anweist, die Frist einzutragen.
Unterschriften
Ullmann, Quack, Wiebel, Kuffer, Kniffka
Fundstellen
Haufe-Index 539041 |
BB 1999, 499 |
DStR 1999, 468 |
HFR 1999, 940 |
NJW 1999, 1337 |
Nachschlagewerk BGH |
JZ 1999, 316 |
MDR 1999, 446 |
VersR 1999, 906 |
BRAK-Mitt. 1999, 117 |