Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen des Rentensplittings beim Versorgungsausgleich. Quasi-Splitting. Versorgungsausgleich bei Anwartschaften aus gesetzlicher Rentenversicherung und Beamtenversorgung
Leitsatz (amtlich)
Hat der ausgleichspflichtige Ehegatte in der Ehezeit gesetzliche Rentenanwartschaften nach § 1587a Abs. 2 Nr. 2 BGB und Anwartschaften auf eine Beamtenversorgung nach § 1587a Abs. 2 Nr. 1 BGB erworben, setzt die Durchführung des (auch teilweisen) Rentensplittings nach § 1587b Abs. 1 Satz 1 BGB voraus, dass seine gesetzlichen Rentenanwartschaften für sich allein höher sind als die gesetzlichen Rentenanwartschaften, die Anwartschaften auf Beamtenversorgung oder sonstige Versorgungsanrechte des Ausgleichsberechtigten für sich allein oder zusammengenommen.
Normenkette
BGB § 1587b Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des 5. Senats für Familiensachen des OLG Schleswig in Schleswig vom 2.3.2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der weiteren Beschwerde - an das OLG zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 511 EUR
Gründe
Die Parteien haben am 26.10.1972 geheiratet; sie sind beide verbeamtet im Schuldienst des Landes Schleswig-Holstein tätig. Der Scheidungsantrag der Ehefrau (Antragstellerin; geb. am 19.6.1952) ist dem Ehemann (Antragsgegner; geb. am 20.8.1949) am 13.9.1997 zugestellt worden. Das AG - FamG - hat durch Urteil vom 5.12.1997 die Ehe geschieden (insoweit rechtskräftig) und nachfolgend den abgetrennten Versorgungsausgleich dahin geregelt, dass es im Wege des Splittings vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund, vormals Bundesversicherungsanstalt für Angestellte; weitere Beteiligte zu 1) auf ein bei der DRV Bund zu errichtendes Versicherungskonto der Antragstellerin Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 80,54 DM, bezogen auf den 31.8.1997, übertragen hat. Ferner hat es durch Quasi-Splitting zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners beim Landesbesoldungsamt Schleswig-Holstein (LBA Schleswig-Holstein; weiterer Beteiligter zu 2) auf einem bei der DRV Bund zu errichtenden Versicherungskonto der Antragstellerin Rentenanwartschaften i.H.v. 195,59 DM, bezogen auf den 31.8.1997, begründet.
Auf die Beschwerde der DRV Bund hat das OLG die Entscheidung dahin abgeändert, dass der Versorgungsausgleich insgesamt i.H.v. 240,63 DM durch Quasi-Splitting nach § 1587 Abs. 2 BGB zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei dem LBA Schleswig-Holstein zu erfolgen hat. Nach den Feststellungen des OLG haben die Parteien in der Ehezeit (1.10.1972 bis 31.8.1997; § 1587 Abs. 2 BGB) beim LBA Schleswig-Holstein monatliche Versorgungsanwartschaften i.H.v. 2.571,51 DM (Antragstellerin) und 2.891,69 DM (Antragsgegner), bezogen auf den 31.8.2001, erworben, der Antragsgegner zudem Anwartschaften bei der DRV Bund i.H.v. monatlich 161,08 DM.
Mit der zugelassenen weiteren Beschwerde macht das LBA Schleswig-Holstein geltend, für den Wertausgleich zugunsten der Antragstellerin sei die Hälfte der gesetzlichen Rentenanwartschaften des Antragsgegners im Wege des Splittings zu übertragen. Erst die Hälfte des dann verbleibenden Wertunterschiedes sei durch Quasi-Splitting zu Lasten der Beamtenversorgung des Antragsgegners auszugleichen.
II.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.
1. Das OLG hat die Voraussetzungen des Rentensplittings für nicht gegeben erachtet. § 1587b Abs. 1 Satz 1 BGB setze voraus, dass der nach § 1587a Abs. 1 Satz 1 BGB insgesamt ausgleichspflichtige Ehegatte in der Ehezeit Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben habe, welche die Anwartschaften des anderen Ehegatten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und/oder der Beamtenversorgung überstiegen. Seien die Anwartschaften des Verpflichteten aus der gesetzlichen Rentenversicherung gleich groß oder geringer als die Summe der Anwartschaften des Berechtigten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung, habe ein (auch teilweiser) Ausgleich durch Splitting zu unterbleiben; in diesem Fall finde der Ausgleich nur nach den in der Rangfolge nächsten Ausgleichsformen der §§ 1587b Abs. 2 BGB, §§ 1 und 2 oder 3b VAHRG statt, je nach Art der auszugleichenden Anrechte. Dem könne auch nicht § 1587b Abs. 2 Satz 1 letzter Halbs. entgegengehalten werden, wonach das Quasi-Splitting in Höhe der Hälfte des nach Anwendung von § 1587b Abs. 1 BGB noch verbleibenden Wertunterschiedes durchzuführen sei. Die Anwendung von Abs. 1 führe in den Fällen der vorliegenden Art gerade dazu, dass ein Ausgleich durch Splitting ausscheide und der volle Wertunterschied nach § 1587b Abs. 2 BGB auszugleichen sei.
2. Diese Auffassung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Zwar beinhaltet die Systematik des § 1587b Abs. 1, 2 BGB einen formellen Vorrang des Splittings vor dem Quasi-Splitting (FA-FamR/Gutdeutsch, 5. Aufl., 7. Kap., Rz. 154; Beschl. v. 18.12.1985 - IVb ZB 711/81, MDR 1986, 391 = FamRZ 1986, 250 [251], unter II. 2. c, cc; OLG München v. 30.11.1992 - 26 UF 1198/92, FamRZ 1993, 1460 f.; BT-Drucks. 7/4361, 41). Die aus § 1587b Abs. 2 Satz 1 letzter Halbs. BGB folgende Einschränkung, nach der das Quasi-Splitting nur "in Höhe der Hälfte des nach Anwendung von Abs. 1 noch verbleibenden Wertunterschieds" durchgeführt werden kann, bedeutet indes nicht, dass bei einem Zusammentreffen von nach § 1587b Abs. 1 Satz 1 und § 1587b Abs. 2 Satz 1 BGB auszugleichenden Anrechten das Splitting losgelöst von den Voraussetzungen des § 1587b Abs. 1 Satz 1 BGB - d.h. mittels getrennter Saldierung der gesetzlichen Rentenanrechte und der Anwartschaften auf Beamtenversorgung - durchgeführt werden kann (Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 4. Aufl., § 1587b BGB Rz. 31). Zu Recht ist das OLG vielmehr davon ausgegangen, § 1587b Abs. 2 Satz 1 letzter Halbs. BGB knüpfe an die Tatbestandsvoraussetzungen des vorgreiflichen § 1587b Abs. 1 Satz 1 BGB an.
b) Hat der Ausgleichspflichtige in der Ehezeit gesetzliche Rentenanwartschaften und Versorgungsanwartschaften nach beamtenrechtlichen Vorschriften erworben, erfordert die Durchführung des Splittings nach § 1587b Abs. 1 Satz 1 BGB, dass die gesetzlichen Rentenanwartschaften bereits für sich allein höher sind als die entsprechenden Anwartschaften des Ausgleichsberechtigten oder die Summe seiner Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1587a Abs. 2 Nr. 2 BGB und der Versorgungsanwartschaften aus dem Beamtenverhältnis nach § 1587a Abs. 2 Nr. 1 BGB (h.M., vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 65. Aufl., § 1587b Rz. 13; Dörr in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1587b Rz. 7; Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 4. Aufl., § 1587b Rz. 15; Erman/Klattenhoff, BGB, 11. Aufl., § 1587b Rz. 5; Soergel/Lipp, BGB, 13. Aufl., § 1587b Rz. 8; Staudinger/Rehme, BGB, 2004, § 1587b Rz. 59; AnwKomm/Wiedenlübbert, BGB, 2005, § 1587b Rz. 5; RGRK/Wick, BGB, 12. Aufl., § 1587b Rz. 14; OLG Nürnberg v. 11.7.1994 - 7 UF 901/94, FamRZ 1995, 98 [100]). Dies entspricht dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (BT-Drucks. 7/4361, 41) und dem eindeutigen Wortlaut des § 1587b Abs. 1 Satz 1 BGB, der den Anwartschaften des Ausgleichsverpflichteten "in einer gesetzlichen Rentenversicherung" die Anwartschaften des Ausgleichsberechtigten "i.S.d. § 1587a Abs. 2 Nr. 1, 2" gegenüberstellt.
Das teilweise Splitting kommt folglich nur in Betracht, wenn durch Halbteilung einer vorhandenen Beamtenversorgung des Verpflichteten der Ausgleich nicht in vollem Umfang erfolgen kann (FA-FamR/Gutdeutsch, 5. Aufl., 7. Kap., Rz. 154). Die weitere Beschwerde weist deshalb zu Recht darauf hin, dies sei nicht die Regel, wenn auf Seiten des ausgleichspflichtigen Ehegatten gesetzliche Rentenanwartschaften und Anwartschaften auf Beamtenversorgung zusammentreffen. Der Ausgleichspflichtige wird nämlich wegen der bestehenden Höchstaltersgrenzen (Ebert/Bieler, Das gesamte öffentliche Dienstrecht, Stand Juni 2005, Kz. 250 Rz. 7) vor seiner Verbeamtung regelmäßig nur verhältnismäßig geringe Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben haben. Die Gegenüberstellung der gesetzlichen Rentenanwartschaften des Verpflichteten mit der Summe der Anrechte des Berechtigten nach § 1587a Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB erhält dem ausgleichspflichtigen Ehegatten somit möglichst viele gesetzliche Rentenanwartschaften. Diese Regelung folgt aus dem Grundsatz, dass Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung als Grundlage der sozialen Sicherung an sich nicht übertragbar sind und § 1587b Abs. 1 Satz 1 BGB insoweit eine Ausnahmeregelung darstellt (Staudinger/Rehme, BGB, 2004, § 1587b Rz. 32; vgl. zur Übertragbarkeit gesetzlicher Rentenanrechte: BGH, Beschl. v. 18.12.1985 - IVb ZB 711/81, MDR 1986, 391 = FamRZ 1986, 250 [251]; Beschl. v. 3.6.1981 - IVb ZB 529/80, MDR 1982, 41 = FamRZ 1981, 1051 [1060]; BT-Drucks. 7/650, 171). Dem Splitting kommt damit ein formeller, dem Quasi-Splitting im Ergebnis aber ein materieller Vorrang zu (FA-FamR/Gutdeutsch, 5. Aufl., 7. Kap., Rz. 154).
c) Es kann dahinstehen, ob das Quasi-Splitting die Allgemeinheit belastet, weil die nach § 225 SGB VI vom Versorgungsträger an den Rentenversicherungsträger zu erbringenden (steuerfinanzierten) Erstattungsleistungen höher sind - trotz des mit der Regelung verfolgten Ziels der Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs (Hauck/Noftz/Klattenhoff, SGB VI, 2005, § 225 Rz. 8) - als die infolge der Kürzung der Versorgungsbezüge des ausgleichspflichtigen Ehegatten nach § 57 BeamtVG erzielbaren Einsparungen. Diese lediglich die technische Durchführung des Versorgungsausgleichs regelnden beamten- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften können entgegen der Ansicht der weiteren Beschwerde einen Teilausgleich durch Rentensplitting, der vom Wortlaut des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers abweicht, nicht rechtfertigen.
3. a) Da der Antragsgegner den Feststellungen des OLG zufolge in der Ehezeit gesetzliche Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 161,08 DM (82,36 EUR) erworben hat, denen nach § 1587b Abs. 1 Satz 1 BGB mit monatlich 2.571,51 DM (1.314,79 EUR) höhere Versorgungsanwartschaften der Antragstellerin gegenüberstehen, kann der Versorgungsausgleich zugunsten der Antragstellerin nicht teilweise durch Splitting erfolgen; er ist insgesamt im Wege des Quasi-Splittings durchzuführen.
b) Die angefochtene Entscheidung kann gleichwohl keinen Bestand haben. Das Beschwerdegericht konnte die inzwischen eingetretenen Änderungen bei der Bemessung der Beamtenversorgung durch das Versorgungsänderungsgesetz vom 20.12.2001 (BGBl. I, 3926) noch nicht berücksichtigen. Für die Berechnung des Versorgungsausgleichs bei beamtenrechtlichen Versorgungsanrechten ist im Hinblick auf den Halbteilungsgrundsatz seit dem 1.1.2003 uneingeschränkt der von 75 % auf 71,75 % verminderte Höchstruhegehaltssatz gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.d.F. des Art. 1 Nr. 11 des Versorgungsänderungsgesetzes vom 20.12.2001 (BGBl. I, 3926) maßgeblich (BGH v. 26.11.2003 - XII ZB 75/02, MDR 2004, 335 = BGHReport 2004, 378; v. 26.11.2003 - XII ZB 30/03, MDR 2004, 335 = BGHReport 2004, 379 = FamRZ 2004, 256 ff. [259 ff.]). Ebenso wenig berücksichtigt die vom OLG eingeholte Auskunft der DRV Bund vom 3.5.2000 die Änderungen der Rechtslage durch das Altersvermögensergänzungsgesetz (AVmEG v. 21.3.2001, BGBl. I, 403).
Da das Rechtsmittel des LBA Schleswig-Holstein zu einer umfassenden Überprüfung der Entscheidung über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich durch den Senat führt (BGH v. 27.6.1984 - IVb ZB 767/80, MDR 1984, 921 = FamRZ 1984, 990 [991 f.]; v. 18.12.1985 - IVb ZB 131/82, MDR 1986, 299 = FamRZ 1986, 250), war die Sache deshalb an das OLG zurückzuverweisen, damit der Versorgungsausgleich unter Zugrundelegung neuer Auskünfte der LBA Schleswig-Holstein und der DRV Bund geregelt werden kann.
Fundstellen
BGHR 2006, 661 |
FamRZ 2006, 471 |
NJW-RR 2006, 649 |
ZAP 2006, 494 |
FPR 2006, 454 |
MDR 2006, 1047 |
FamRB 2006, 204 |
NWB direkt 2006, 11 |
ZFE 2006, 162 |