Leitsatz (amtlich)
Der Syndikus eines Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerverbandes, der den Verbandsmitgliedern auch nur auf den Gebieten des Arbeits- und des Sozialrechts ständig Rechtsrat zu erteilen hat, kann hinsichtlich der Frage der Vereinbarkeit dieser Tätigkeit mit dem Beruf eines Rechtsanwalts nicht anders behandelt werden als der Syndikus jedes anderen Verbandes; auch ihm muß die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft versagt werden. Die insoweit in der Entscheidung BGHZ 40, 282 gemachte Ausnahme kann nicht aufrecht erhalten werden.
Normenkette
BRAO § 7 Nr. 8
Verfahrensgang
Ehrengerichtshof für Rechtsanwälte des Landes Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 01.12.1965) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des ersten Senats des Ehrengerichtshofs für Rechtsanwälte des Landes Nordrhein-Westfalen in H. vom 1. Dezember 1965 aufgehoben.
Es wird festgestellt, daß, der vom Vorstand der Antragsgegnerin geltend gemachte Versagungsgrund nach § 7 Nr. 8 BRAO vorliegt.
Der Antragsteller hat die Kosten des gerichtlichen Verfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Geschäftswert wird auf 100.000 DM festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller ist im Jahre 1931 geboren und hat im Dezember 1963 die zweite juristische Staatsprüfung beistanden. Am 1. April 1964 ist er in den Dienst der Wirtschaftsvereinigung Groß- und Außenhandel, Bezirksvereinigung M. e.V. getreten, der zur Zeit 418 Groß- und Außenhandelsfirmen als Mitglieder angehören. Er ist bei ihr als einziger Geschäftsführer tätig.
Mit Schreiben vom 9. Januar 1965 hat der Antragsteller um Zulassung als Rechtsanwalt bei dem Amts- und dem Landgericht in M. nachgesucht. Er will auch nach der Zulassung weiterhin Geschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung bleiben.
Diesem Zulassungsgesuch hat der Vorstand der Antragsgegnerin den Versagungsgrund des § 7 Nr. 8 BRAO entgegengehalten. Mit dem Gutachten wird allein geltend gemacht, daß der Antragsteller in abhängiger Stellung den Mitgliedern der Wirtschaftsvereinigung gemäß Satzung und Anstellungsvertrag Rechtsrat zu erteilen habe und daß diese Tätigkeit mit dem Beruf eines Rechtsanwalts nicht vereinbar sei. In den Gutachten wird nicht darauf abgestellt, auf welche Rechtsgebiete sich die Erteilung von Rechtsrat erstreckt; es bezieht sich auch auf den Fall, daß der Antragsteller nur auf den Gebieten des Arbeits- und des Sozialrechts rechtsberatend tätig sein sollte.
Der Antragsteller hat rechtzeitig gerichtliche Entscheidung beantragt. Der Ehrengerichtshof hat mit dem angefochtenen Beschluß festgestellt, daß der geltend gemachte Versagungsgrund nicht vorliege.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin.
I. Die Meinung des Antragstellers, daß nicht – wie geschehen – der Präsident der Antragsgegnerin das Rechtsmittel hätte einlegen dürfen, sondern daß dazu nur der Kammervorstand befugt gewesen sei, ist unzutreffend. Zwar muß das Gutachten darüber, ob ein Versagungsgrund besteht, von dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer erstattet werden (§§ 8, 9 BRAO). Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist aber bei einem ablehnenden Gutachten gegen die Rechtsanwaltskammer zu richten (§ 38 Abs. 1 BRAO); diese ist als solche an dem Verfahren beteiligt. Ihr gesetzlicher Vertreter ist der Präsident (§ 80 Abs. 1 BRAO). Er war daher zur Einlegung der sofortigen Beschwerde befugt.
Auch in übrigen bestehen gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels keine Bedenken.
II. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.
1. In mehreren Entscheidungen hat der Senat den Rechtsgrundsatz entwickelt, daß der Syndikus eines Verbandes, der aufgrund seines Anstellungsvertrages den Verbandsmitgliedern in deren persönlichen Angelegenheiten Rechtsrat zu erteilen hat, nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden kann, weil er sich durch diese Art von Rechtsberatung dem überlieferten Berufsbild des Rechtsanwalts entfremdet und sich zum ausführenden Organ eines den anwaltlichen Pflichten nicht unterworfenen Rechtsberatungsunternehmens macht (BGHZ 35, 287; 38, 241; 40, 282). An dieser Auffassung muß festgehalten werden.
Die Voraussetzungen dieses Ablehnungsgrundes sind in der Person des Antragstellers gegeben.
a) Daß der Antragsteller als Geschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Groß- und Außenhandel, Bezirksvereinigung M. deren Mitgliedern jedenfalls auf den Gebieten des Arbeits- und des Sozialrechts kraft der Satzung der Vereinigung und seines Anstellungsvertrags (und zwar auch auf Grund der Fassung, den der Anstellungsvertrag durch den Nachtrag vom 1. April 1966 erhalten hat) Rechtsrat zu erteilen hat und tatsächlich in nicht unerheblichem Umfang erteilt, wird von ihm zugegeben und steht außer Zweifel.
b) Zu Unrecht macht der Antragsteller geltend, daß er bei der Erteilung des ihm hiernach obliegenden Rechtsrats an die Mitglieder der Vereinigung völlig unabhängig sei. Zwar ist es richtig, daß in § 2 des Anstellungsvertrages festgehalten ist, daß der Antragsteller „in der Beurteilung spezifisch rechtlicher Fragen des geltenden Rechts und seiner praktischen Anwendung vor den Gerichten und Behörden … von seiten der Bezirksvereinigung keinen Weisungen unterliegt”. Demgegenüber ist aber vom Senat bereits anerkannt worden, „daß es für den Versagungsgrund des § 7 Nr. 8 BRAO weniger auf den Gesichtspunkt der Bindung an konkrete Anweisungen als auf den Gesichtspunkt der fehlenden Eigenverantwortung des in abhängiger Stellung befindlichen Rechtsberaters ankommt” (BGHZ 40, 282, 287).
Es ist schon fraglich, was die Wirtschaftsvereinigung als „spezifisch” rechtliche Fragen des geltenden Rechts im Sinne des § 2 des Anstellungsvertrags vom 1. April 1964 versteht. Es ist leicht einzusehen, daß es der Vorstand der Wirtschaftsvereinigung kaum widerspruchslos hinnehmen würde, wenn der Antragsteller bei der Beratung eines einzelnen der Vereinigung angehörenden Groß- oder Außenhandelsunternehmens zu einer rechtlich zweifelhaften arbeitsrechtlichen oder sozialrechtlichen Frage, sofern ihr offensichtlich große Tragweite für alle Groß- oder Außenhandelsunternehmen zukommt, einen den Unternehmen des Groß- oder Außenhandels nachteiligen Rechtsstandpunkt beziehen wollte. Zum mindesten könnte vom Antragsteller, der seinem Dienstherrn verantwortlich ist und demgemäß die Interessen der Unternehmen des Groß- und Außenhandels wahrzunehmen hat, in einer solchen Lage nicht erwartet werden, daß er sich ohne weiteres den besseren Rechtsgründen auch dann beugen würde, wenn dies zu einer Verschlechterung der rechtlichen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Unternehmen der Wirtschaftsvereinigung führen würde. Ganz losgelöst davon, daß dem Antragsteller in aller Regel in „spezifisch” rechtlichen Fragen keine Weisungen gegeben werden mögen, verhindert eben die Tatsache seiner Abhängigkeit als Angestellter seines Dienstherrn, daß er sich wirklich, wie es § 1 und § 3 Abs. 1 BRAO voraussetzen, bei allen von ihm wahrgenommenen Rechtsangelegenheiten kraft eigenverantwortlicher Prüfung von allen rechtsfremden Erwägungen freimachen und allein den dem Recht entsprechenden Rat erteilen könnte. Er ist dazu um so weniger in der Lage, als jedenfalls in vielen Fällen die Mitglieder der Vereinigung, die den Geschäftsführer um Rechtsrat angehen, nicht dessen eigene Rechtsauffassung, sondern gerade die der Vereinigung erfahren wollen.
c) Daß es nicht darauf ankommt, daß die Wirtschaftsvereinigung die Rechtsberatung gemäß Art. II Nr. 4 ihrer Satzung nicht in der Absicht eines Gewinns betreibt, sowie daß das Arbeitsgebiet des Antragstellers als des Angestellten der Wirtschaftsvereinigung das Merkmal einer „ständigen” Rechtsberatung erfüllt, ist ebenfalls in der Entscheidung BGHZ 40, 282 (S. 286 und 287) dargelegt.
d) Schließlich ist es unerheblich, daß der Antragsteller nicht einen wechselnden, zahlenmäßig völlig unbestimmten Kreis Rechtsuchender zu betreuen hat, sondern „nur” die zur Zeit 418 Unternehmen des Groß- und Außenhandels, die der Wirtschaftsvereinigung als Mitglieder angehören.
Arbeitgeber des Antragstellers ist ausschließlich die Wirtschaftsvereinigung als eingetragener Verein. Ihre Mitglieder sind dritte Personen. In der Entscheidung NJW 1965, 1015 hat der Senat dargelegt, daß es bei dem dort behandelten Genossenschaftsverband, dem 700 Mitgliedsfirmen angehörten, an jeder persönlichen Beziehung der Mitglieder untereinander und auch der Mitglieder zu den Vereinsorganen fehlt. Dasselbe gilt auch für die hier in Rede stehenden z.Zt. 418 Unternehmen des Groß- und Außenhandels, die die Mitglieder der Wirtschaftsvereinigung sind. Auch bei ihnen handelt es sich jedenfalls zu einem erheblichen Teil um juristische Personen. Nur ihre gleichgelagerten wirtschaftlichen Interessen haben zum Zusammenschluß zur Wirtschaftsvereinigung geführt; persönliche Beziehungen darüber hinaus sind nicht gegeben.
2. Nach der Auffassung des Antragstellers und des Ehrengerichtshofs kann der Gesichtspunkt, daß der Anwaltsbewerber nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden kann, der als Verbandssyndikus ständig den Mitgliedern des Verbands Rechtsrat zu erteilen hat, nicht gelten, wenn es sich bei dem Verband um einen Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerverband handelt. Sie stützen sich dabei auf die Vorschriften des Art. 9 Abs. 3 GG und des § 11 ArbGG und berufen sich darauf, daß diese Auffassung auch vom beschließenden Senat in mehreren Entscheidungen (AnwZ (B) 21/62 vom 19. November 1962 = Ehrenger. Entsch. VII, 115; AnwZ (B) 28/62 vom 3. Dezember 1962 = Ehrenger.Entsch. VII, 120; BGHZ 40, 282) anerkannt worden sei.
Die Antragsgegnerin erkennt nunmehr an, daß es sich bei der Wirtschaftsvereinigung um einen Arbeitgeberverband im Sinne des Art. 9 GG handelt. Sie macht jedoch geltend, daß der Antragsteller nach der Satzung der Wirtschaftsvereinigung und seinem Anstellungsvertrag auch auf solchen Gebieten rechtsberatend tätig sein müsse, die nicht zum eigentlichen Aufgabenkreis eines Arbeitgeberverbandes gehörten. Davon abgesehen erhebt sie Bedenken gegen die Auffassung, die der Senat in der Entscheidung BGHZ 40, 282 hinsichtlich der Syndici von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden zum Ausdruck gebracht hat.
a) Es kann dahinstehen, ob und in welchem Umfang sich die Verpflichtung des Antragstellers, als Geschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung den Mitgliedern Rechtsrat zu erteilen, über die Gebiete des Arbeitsrechts und des Sozialrechts hinaus erstreckt. Denn in der Tat kann der Syndikus eines Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerverbandes, der den Verbandsmitgliedern auch nur auf den Gebieten des Arbeite- und des Soziälrechts ständig Rechtsrat zu erteilen hat, hinsichtlich der Frage der Vereinbarkeit dieser Tätigkeit mit dem Beruf eines Rechtsanwalts (§ 7 Nr. 8 BRAO) nicht anders behandelt werden als der Syndikus jedes anderen Verbandes. Die insoweit in der Entscheidung BGHZ 40, 282 gemachte Ausnahme kann nicht aufrecht erhalten werden.
Der Senat hat bisher keinen Fall entschieden, in dem es – wie in der vorliegenden Sache – darauf ankam, ob ein Verbandssyndikus, der in Abhängigkeit von den Weisungen seines Arbeitgebers (des Verbandes) anderen Rechtsrat zu erteilen hatte, gerade deswegen zur Anwaltschaft zugelassen werden könne, weil es sich bei dem Verband um eine Arbeitgeber- oder Arbeitnehmervereinigung handelte.
Bei der Entscheidung AnwZ (B) 21/62 vom 19. November 1962 = Ehrenger.Entsch. VII, 115 hatte der Senat keinen Zweifel, daß die dienstvertragliche Tätigkeit des Anwaltsbewerbers an sich, von den aus § 11 ArbGG hergeleiteten Bedenken abgesehen, mit dem Beruf eines Rechtsanwalts vereinbar war. In der Entscheidung AnwZ (B) 28/62 vom 3. Dezember 1962 = Ehrenger.Entsch. VII, 120 hat er ausdrücklich ausgesprochen, daß eine vertragliche Abhängigkeit des Anwaltsbewerbers von den Weisungen seines Arbeitgebers nicht bestehe. In diesen beiden Entscheidungen, soweit sie für die jetzt zu entscheidende Frage von Bedeutung sind, hat der Senat nur dargelegt, daß der § 11 ArbGG kein Hindernis für die sonst gebotene Zulassung des Anwaltsbewerbers bilden kann. In der Entscheidung BGHZ 40, 282 hat er dann allerdings ausgeführt (S. 284/285), die vom Syndikus eines Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerverbands ausgeübte dienstvertragliche Beratung von Arbeitgebern bzw. Arbeitnehmern in Rechtsangelegenheiten, die mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängen, könne nicht als Versagungsgrund im Sinne des § 7 Nr. 8 BRAO angesehen werden. Diese Ausführungen waren aber für die damalige Entscheidung nicht maßgebend; der damalige Antragsteller war gerade nicht bei einer Arbeitgeber- oder Arbeitnehmervereinigung beschäftigt. Dies letztere traf auch in dem Falle der in der NJW 1965, 1015 veröffentlichten Entscheidung zu.
b) In der Entscheidung BGHZ 40, 282 hat der Senat seine damalige Auffassung, daß ausnahmsweise zur Rechtsanwaltschaft der Syndikus eines Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerverbandes zugelassen werden könne, der ständig den Verbandsmitgliedern Rechtsrat zu erteilen hat, nicht unmittelbar aus Art. 9 GG und aus § 11 ArbGG hergeleitet. Er hat vielmehr der „historischen Entwicklung” Rechnung getragen. Sowohl die früheren Fassungen als auch die jetzt maßgebende Fassung des § 11 ArbGG gehen davon aus, daß es Rechtsanwälte gibt, die gleichzeitig als Angestellte von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden tätig sind. Art. 9 Abs. 3 GG gewährt den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden ausdrücklich verfassungsrechtlichen Schutz.
Das den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern durch Art. 9 Abs. 3 GG verbürgte Recht, Vereinigungen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu bilden, wird dadurch nicht eingeschränkt und seine Ausübung dadurch nicht behindert, daß die Angestellten der Vereinigung gleichzeitig nur einen solchen Zweitberuf ergreifen dürfen, dessen Aufnahme und Ausübung neben der vertraglichen Angestelltentätigkeit die für den betreffenden Beruf geltenden Vorschriften zulassen. Der Vorschrift kann nicht als verfassungsrechtlicher Grundsatz entnommen worden, daß ein Jurist, der im Dienst einer Arbeitgeber- oder Arbeitnehmervereinigung anderen ständig Rechtsrat zu erteilen hat, hinsichtlich der Frage der Vereinbarkeit dieser Tätigkeit mit dem Beruf eines Rechtsanwalts anders behandelt werden müsse oder dürfe als unter sonst gleichen Voraussetzungen der juristische Angestellte eines anderen Arbeitgebers.
Der § 11 Abs. 1 Satz 1 ArbGG berücksichtigt zwar die historische Entwicklung, die dazu geführt hat, daß vor dem Inkrafttreten der Bundesrechtsanwaltsordnung aufgrund der verschiedenen Gesetzesfassung und der unterschiedlichen Handhabung in den Bundesländern mehrfach Vorstandsmitglieder und andere Angestellte von Gewerkschaften und Arbeitgeber-Vereinigungen zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden sind. Der Vorschrift kann aber nicht entnommen werden, daß sie die gleichzeitige Ausübung der Berufe des Angestellten einer Gewerkschaft oder einer Arbeitgebervereinigung und des Rechtsanwalts begünstigen wolle. Sie bestimmt nämlich, daß solche Angestellte von Gewerkschaften oder Arbeitgebervereinigungen, die „kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind”, vor den Arbeitsgerichten als Vertreter der Parteien nur auftreten dürfen, wenn sie „nicht neben dieser Vertretung die Tätigkeit als Rechtsanwalt ausüben”. Jedenfalls bestand für den Gesetzgeber des Arbeitsgerichtsgesetzes kein Anlaß, die Frage zu regeln oder auch nur darauf einzugehen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Angestellter eines Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerverbandes zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden könne. Die standesrechtlichen Gesichtspunkte, die im Zulassungsverfahren gemäß § 7 Nr. 8 BRAO zu prüfen und zu beachten sind, werden unmittelbar durch § 11 ArbGG nicht berührt.
Es kann sich daher nur fragen, ob der „historischen Entwicklung” ein derartiges Gewicht zugebilligt werden muß, daß sie es rechtfertigt, von einem jetzt klar erkannten, der Zulassung entgegenstehenden Grundsatz eine Ausnahme zu machen. Während es – weil damals nicht entscheidungserheblich – nicht notwendig war, in dem Beschluß BGHZ 40, 282 diese Frage abschließend zu prüfen, muß sie der Senat nunmehr verneinen.
Die Rechtsfortbildung und besonders auch die Entwicklung standesrechtlicher Grundsätze sind stets im Flusse. Was früher bis in die jüngste Vergangenheit als noch vertretbar angesehen worden ist, muß – zumal unter der Geltung eines neuen Gesetzes (der Bundesrechtsanwaltsordnung) – nicht unter allen Umständen weiterhin beibehalten werden. Seit dem Inkrafttreten der Bundesrechtsanwaltsordnung haben in den bisher dem Senat zur Entscheidung unterbreiteten Fällen die zur Wahrung der standesrechtlichen Gesichtspunkte berufenen Vorstände der Rechtsanwaltskammern der Zulassung von Verbandsangestellten, die auf Grund ihres Anstellungsvertrages nicht (nur) ihren Verband als ihren eigenen Arbeitgeber, sondern (zugleich) den Verbandsmitgliedern in deren persönlichen Angelegenheiten Rechtsrat zu erteilen haben, gemäß § 7 Nr. 8 BRAO widersprochen, weil diese Art der Rechtsraterteilung als mit dem Beruf eines Rechtsanwalts nunmehr allgemein unvereinbar erachtet wird. Anhand der ihm unterbreiteten Fälle hat auch der Senat dieser Auffassung beigepflichtet und schrittweise (vgl. oben Abschnitt II 1 im ersten Absatz), den Besonderheiten der einzelnen Fälle Rechnung tragend, den allgemeinen Grundsatz entwickelt, daß sich ein Verbandssyndikus durch eine solche Art von Rechtsberatung dem Berufsbild des Rechtsanwalts entfremdet und sich zum ausführenden Organ eines den anwaltlichen Pflichten nicht unterworfenen Rechtsberatungsunternehmens macht und deswegen nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden kann. Dieser Grundsatz ist so umfassend und so gewichtig, daß von ihm keine Ausnahme gemacht werden kann, sofern es nicht besondere Gesetzesvorschriften ausdrücklich verlangen. Da, wie dargelegt, weder Art. 9 Abs. 3 GG noch § 11 ArbGG noch eine andere Vorschrift zu einer solchen Ausnahme zwingt, steht auch dem Zulassungsantrag des Antragstellers in dieser Sache der Versagungsgrund des § 7 Nr. 8 BRAO entgegen.
Der Senat hat bereits dargelegt, daß dieser Entscheidung, auch über den Bereich des Art. 9 GG hinaus, kein verfassungsrechtliches Bedenken entgegensteht (BGHZ 34, 382, 387 bis 390; Ehrenger.Entsch. VII 123, 126/127). Daran ist festzuhalten.
c) Der Antragsteller kann sich auch nicht darauf berufen, daß es oben schon Rechtsanwälte gibt, die Angestellte von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden sind. Daß diese in Besitz ihrer Anwaltszulassung verbleiben können, während sie dem Antragsteller versagt werden muß, ist allein die Folge der verschiedenartigen Regelung in § 7 Nr. 8 BRAO einerseits (zwingender Versagungsgrund) und § 15 Nr. 2 BRAO andererseits (fakultativer Rücknahmegrund). Insoweit wird auf die Entscheidungen BGHZ 40, 282, 288 und NJW 1965, 1015, 1017 a.E. Bezug genommen.
Unterschriften
Heusinger, Roesen, Rechtsanwalt Dr. Wintzer ist beurlaubt und dadurch an der Unterschrift verhindert. Heusinger, Börtzler, Kirchhof, Petersen, Bundesrichter Dr. Vogt ist beurlaubt und dadurch an der Unterschrift verhindert. Heusinger
Fundstellen
Haufe-Index 1502330 |
BGHZ, 60 |
NJW 1966, 2062 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1966, 925 |
DVBl. 1967, 497 |