Leitsatz (amtlich)
Bei falschen oder die wahre Sachlage verzerrenden Erklärungen eines Miteigentümers im Teilungsversteigerungstermin, die in der tatrichterlichen Gesamtschau der protokollierten Vorgänge die Annahme rechtfertigen, dass Bietinteressenten von der Abgabe von Geboten abgeschreckt werden sollen, damit der Miteigentümer das Grundstück selbst günstig ersteigern kann, kann die Fortsetzung des Versteigerungsverfahrens gegen das Gebot der fairen Verfahrensführung verstoßen. Der Zuschlag ist nach § 83 Nr. 6 ZVG zu versagen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich dieses Verhalten nachteilig auf die Abgabe von Geboten ausgewirkt hat.
Normenkette
ZVG § 83 Nr. 6, § 180 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Entscheidung vom 20.06.2023; Aktenzeichen 5 T 251/22) |
AG Viersen (Entscheidung vom 04.11.2022; Aktenzeichen 16 K 26/19) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach vom 20. Juni 2023 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt für die Gerichtskosten 452.000 €.
Gründe
I.
Rz. 1
Die Beteiligten sind geschiedene Eheleute und jeweils zur Hälfte Eigentümer des im Eingang dieses Beschlusses genannten Grundstücks, das mit einem noch nicht fertiggestellten Einfamilienhaus bebaut ist. Beide betreiben die Teilungsversteigerung. Der Verkehrswert des Grundstücks wurde auf 452.000 € festgesetzt. In dem Versteigerungstermin vom 21. Oktober 2022 wurden bei der Feststellung des geringsten Gebots bestehenbleibende Rechte von 370.000 € und ein Bargebot von 10.211,47 € berücksichtigt. In dem Termin, in dem mehrere Bietinteressenten anwesend waren, wies der Beteiligte zu 1 auf seinen „bedingt“ gestellten Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 765a ZPO hin und legte Erinnerung gemäß § 766 ZPO ein. Er überreichte mehrere Mietverträge über Räumlichkeiten des Einfamilienhauses und erklärte, dort ein Gewerbe zu betreiben. Er wies zudem darauf hin, dass er pflegebedürftig und in den Pflegegrad III eingestuft sei. Er gab sodann ein Bargebot von 10.212 € ab. Anschließend wies sein Verfahrensbevollmächtigter noch während der Bietzeit auf die Pflicht des Erstehers zur Übernahme der dinglichen Zinsen der bestehen gebliebenen Grundschuld hin. Der Rechtspfleger erteilte den Hinweis, dass die Befreiung von der Zinsverpflichtung durch Hinterlegung des für die Grundschuldablösung erforderlichen Geldbetrags möglich sei. Weitere Gebote erfolgten nicht. Nach dem Ende der Bietzeit nahm der Beteiligte zu 1 seinen Vollstreckungsschutzantrag zurück.
Rz. 2
Das Vollstreckungsgericht hat Termin zur Verkündung der Zuschlagsentscheidung auf den 4. November 2022 bestimmt und in diesem Termin, wie von der Beteiligten zu 2 beantragt, dem Beteiligten zu 1 den Zuschlag versagt. Die Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte der Beteiligte zu 1 die Erteilung des Zuschlags auf sein Meistgebot erreichen. Die Beteiligte zu 2 beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
Rz. 3
Das Beschwerdegericht meint, der Zuschlag sei zu Recht versagt worden, weil der Zuschlagsversagungsgrund des § 83 Nr. 6 ZVG vorliege. Die Fortsetzung des Verfahrens wäre mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens unvereinbar und deshalb unzulässig. Der Beteiligte zu 1 und sein Verfahrensbevollmächtigter hätten den Versteigerungstermin manipuliert, um weitere Teilnehmer von einem Gebot abzuhalten und dem Beteiligten zu 1 zu ermöglichen, das Grundstück zu einem nur 53 Cent über dem bar zu zahlenden Teil des geringsten Gebots liegenden Meistgebot selbst zu ersteigern. Das ergebe sich aus der Gesamtschau der aus dem Protokoll des Versteigerungstermins ersichtlichen und durch die Beweisaufnahme erwiesenen Umstände. Mit seinem Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a und der Erinnerung nach § 766 ZPO habe der Beteiligte zu 1 ersichtlich darauf gezielt, die Bietinteressenten zu verunsichern. Dass es ihm nicht um die Information möglicher Bieter, sondern um deren Abschreckung gegangen sei, zeige sich auch daran, dass er auf die Vermietung an „Ausländer“ hingewiesen habe. Besonders deutlich werde die Manipulation des Versteigerungstermins durch den in der Bietstunde erteilten Hinweis des Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1 auf die Verpflichtung des Erstehers zur Zahlung dinglicher Zinsen in einer Höhe von bis zu 200.000 € an den Grundschuldgläubiger und die wegen der Zerstrittenheit der Eigentümer zu erwartenden Probleme bei der Ermittlung der Bankverbindung des Grundschuldgläubigers. Die falschen und irreführenden Hinweise seien auch an die im Saal anwesenden Bietinteressenten gerichtet gewesen. Das dadurch gezeichnete „Horrorszenario“ habe allein durch den rechtlich komplexen Hinweis des Rechtspflegers auf die Möglichkeit der Hinterlegung nicht mehr korrigiert werden können. Die Manipulation habe Erfolg gehabt. Weitere Gebote habe es nicht gegeben, obwohl in dieser Zeit für vergleichbare Objekte das zuschlagsfähige Meistgebote etwa 150 % über dem Schätzwert gelegen habe. Es sei nachvollziehbar, dass der die Versteigerung leitende Rechtspfleger den Eindruck gewonnen habe, dass anderen Bietinteressenten das Risiko aufgrund der Gesamtumstände zu hoch gewesen sei.
III.
Rz. 4
Die nach § 96 ZVG i.V.m. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die Zurückweisung seiner Zuschlagsbeschwerde ist unbegründet. Rechtsfehlerfrei geht das Beschwerdegericht davon aus, dass der Zuschlag auf das in dem Versteigerungstermin am 21. Oktober 2022 abgegebene Meistgebot zu Recht nach § 83 Nr. 6 ZVG versagt worden ist.
Rz. 5
1. Der Zuschlag ist nach § 100 Abs. 3 i.V.m. § 83 Nr. 6 ZVG zu versagen, wenn die Zwangsversteigerung oder ihre Fortsetzung aus sonstigen Gründen unzulässig ist. Die Vorschrift stellt einen Auffangtatbestand für sämtliche Fälle dar, in denen die Zwangsversteigerung oder die Fortsetzung des Verfahrens aus einem anderen Grund als den in § 83 Nr. 1 bis 5 ZVG genannten - hier nicht einschlägigen - Verfahrensmängeln unzulässig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Januar 2004 - IXa ZB 285/03, WM 2004, 838, 839; zur Einstellung des Verfahrens wegen der Gefahr des Suizids des Schuldners vgl. Senat, Beschluss vom 20. Februar 2020 - V ZB 17/19, WuM 2020, 364 Rn. 5 mwN).
Rz. 6
2. Eine Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens kann unzulässig sein, wenn diese gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens verstößt (vgl. LG München II, Rpfleger 2018, 44; Steiner/Storz, ZVG, 9. Aufl., § 83 Rn. 27; Stöber/Becker, ZVG, 23. Aufl., § 83 Rn. 29; Bachmann in Depré, ZVG, 3. Aufl., § 83 Rn. 18; Stumpe/Simon in Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl., § 83 ZVG Rn. 7).
Rz. 7
a) Aus dem mit dem Zuschlag verbundenen Eingriff in das Eigentumsrecht gemäß Art. 14 Abs. 1 GG folgt die Verpflichtung der Gerichte zur Wahrung von Rechtsschutzmöglichkeiten des Schuldners und zu einer rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechenden fairen Verfahrensführung (vgl. BVerfGE 49, 220, 225; Senat, Beschluss vom 14. Juli 2011 - V ZB 25/11, NJW-RR 2011, 1434 Rn. 5). Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG beeinflusst nicht nur die Ausgestaltung des materiellen Vermögensrechts, sondern wirkt auch auf das zugehörige Verfahrensrecht ein. Sie erfordert eine faire Verfahrensführung und eine der Verschleuderung von Grundvermögen entgegenwirkende Auslegung der Verfahrensvorschriften (vgl. BVerfGE 51, 150, 156; Senat, Beschluss vom 26. Oktober 2006 - V ZB 188/05, WM 2007, 82 Rn. 23, insoweit in BGHZ 169, 305 nicht abgedruckt; Beschluss vom 22. Januar 2009 - V ZB 101/08, juris Rn. 17; BGH, Beschluss vom 30. Januar 2004 - IXa ZB 196/03, WM 2004, 901, 902; Beschluss vom 5. November 2004 - IXa ZB 27/04, WM 2005, 136, 138). Das gilt unabhängig davon, ob es sich um eine Versteigerung im Rahmen der Zwangsvollstreckung oder - wie hier - um eine Teilungsversteigerung handelt (Senat, Beschluss vom 26. Oktober 2006 - V ZB 188/05, aaO).
Rz. 8
b) Aus der Garantiefunktion des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG lassen sich zwar keine allgemeinen, für sämtliche in Betracht kommenden Versteigerungsfälle gleichermaßen geltenden Regeln herleiten (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Januar 2004 - IXa ZB 196/03, NJW-RR 2004, 1074 Rn. 10). Anerkannt ist jedoch, dass die Verfahrensregeln der Zwangsversteigerung auf die Konkurrenz der Bieter ausgerichtet sind. Sie sollen gewährleisten, dass das Versteigerungsgrundstück zu einem seinem wahren Wert möglichst entsprechenden Gebot zugeschlagen und dieser Preis den Berechtigten, d.h. dem Eigentümer und seinen Pfandgläubigern, zugutekommt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1961 - VI ZR 99/60, NJW 1961, 1012, 1013; Urteil vom 24. Oktober 1978 - VI ZR 67/77, NJW 1979, 162, 163, insoweit in BGHZ 72, 234 nicht abgedruckt; Urteil vom 9. Januar 1992 - IX ZR 165/91, BGHZ 117, 8, 14). Diese Grundsätze gelten auch für das Zwangsversteigerungsverfahren zur Aufhebung einer Gemeinschaft (vgl. Senat, Beschluss vom 22. März 2007 - V ZB 152/06, NJW 2007, 3430 Rn. 21).
Rz. 9
c) Daran gemessen kann ein Zuschlagsversagungsgrund nach § 83 Nr. 6 ZVG vorliegen, wenn ein Beteiligter durch unlauteres Verhalten in dem Zwangsversteigerungstermin andere Bietinteressenten von der Abgabe eines Gebots abhält, um das Grundstück selbst günstig zu erwerben (vgl. LG München II, Rpfleger 2018, 44; Schneider/Abramenko, ZVG, § 83 Rn. 12; Hamme in Hamme, Die Teilungsversteigerung, 11. Der Versteigerungstermin, Rn. 113). Das gilt auch für eine Manipulation der Bietstunde durch den mitbietenden Miteigentümer. Das zieht auch die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel.
Rz. 10
aa) An das Vorliegen eines Zuschlagsversagungsgrundes nach § 83 Nr. 6 ZVG wegen Manipulation des Teilungsversteigerungstermins durch einen Miteigentümer sind allerdings hohe Anforderungen zu stellen. Miteigentümer können und dürfen im Rahmen einer Teilungsversteigerung entgegengesetzte Interessen verfolgen. Ein Miteigentümer handelt nicht schon dann rechtsmissbräuchlich, wenn er im Versteigerungstermin aus seiner Sicht interessengerechte Angaben zu dem Versteigerungsobjekt macht und die vom Gesetz eröffnete Möglichkeit wahrnimmt, Vollstreckungsschutzanträge gemäß § 765a ZPO zu stellen oder eine Erinnerung gegen die Zwangsversteigerung einzulegen (§ 766 ZPO) und auf deren Bescheidung besteht, selbst wenn dadurch Bietinteressenten von der Abgabe von Geboten abgeschreckt werden. Ein Miteigentümer kann auch selbst an dem Bieterwettstreit teilnehmen, um das Grundstück zu erwerben. Es ist in erster Linie Aufgabe des den Versteigerungstermin leitenden Rechtspflegers, auf eine sachliche Verfahrensdurchführung hinzuwirken. Die zivilprozessuale Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO gilt auch im Verfahren nach dem Zwangsversteigerungsgesetz. Sie erfordert zwar nicht allgemeine Ausführungen über die Rechte der Beteiligten. Anerkannt ist aber, dass sie zum Tragen kommt, wenn das Gericht Anlass zu der Annahme hat, dass ein Beteiligter die Rechtslage falsch einschätzt und ihm deshalb ein Rechtsnachteil droht (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - V ZB 181/12, NJW-RR 2014, 63 Rn. 11). Der Rechtspfleger muss deshalb auf das Verfahren betreffende Erklärungen von Beteiligten ggf. reagieren und diese richtigstellen.
Rz. 11
bb) Die Grenze zu einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten kann aber überschritten sein, wenn der Miteigentümer, um das Grundstück selbst günstig zu ersteigern, durch sein Verhalten in dem Versteigerungstermin in manipulativer Weise in die Konkurrenz der Bieter eingreift, ohne dass das Versteigerungsgericht dem durch seine Verfahrensführung in hinreichender Weise entgegenwirken kann. Dem Miteigentümer müsste, weil er Meistbietender geblieben ist, der Zuschlag erteilt werden; sein Gebot ist wirksam (§ 71 ZVG). Weil er einen anderen Interessenten von der Abgabe eines höheren Gebots abgehalten hat, wäre der Zuschlag mit dem Gebot der fairen Verfahrensführung nicht vereinbar. Bei falschen oder die wahre Sachlage verzerrenden Erklärungen eines Miteigentümers im Teilungsversteigerungstermin, die in der tatrichterlichen Gesamtschau der protokollierten Vorgänge (§ 80 ZVG) die Annahme rechtfertigen, dass Bietinteressenten von der Abgabe von Geboten abgeschreckt werden sollen, damit der Miteigentümer das Grundstück selbst günstig ersteigern kann, kann die Fortsetzung des Versteigerungsverfahrens gegen das Gebot der fairen Verfahrensführung verstoßen. Der Zuschlag ist nach § 83 Nr. 6 ZVG zu versagen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich dieses Verhalten nachteilig auf die Abgabe von Geboten ausgewirkt hat.
Rz. 12
(1) Das Zwangsversteigerungsgesetz erlaubt einem Beteiligten nur einen mit den guten Sitten zu vereinbarenden Gebrauch der Rechte. Mit dem auch im Verfahrensrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben unvereinbar ist die Ausübung von Befugnissen in der Zwangsversteigerung, die nicht den gesetzlich vorgesehenen, sondern verfahrensfremden und rechtlich zu missbilligenden Zwecken dient (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Februar 2013 - V ZB 18/12, BGHZ 196, 243 Rn. 23). Die Manipulation des Versteigerungstermins, die dem Zweck dient, andere Bietinteressenten von der Abgabe von Geboten abzuhalten, ist rechtlich zu missbilligen.
Rz. 13
(2) Dabei kann das Versteigerungsgericht eine Manipulation des Versteigerungstermins durch einen Beteiligten zu Lasten eines anderen nur den Umständen entnehmen, die ihm aus dem Versteigerungstermin selbst bekannt sind. Stellt das Gericht anhand dieser Umstände - im Einzelnen oder in einer Gesamtschau - mit der in dem Verfahren der Zwangsversteigerung erreichbaren Sicherheit eine Manipulation des Versteigerungstermins fest, muss es dann, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich das manipulative Verhalten nachteilig ausgewirkt hat, den Zuschlag versagen. Die Kausalität der Manipulation muss nicht positiv festgestellt werden. Wegen des mit dem Zuschlag verbundenen Eingriffs in das Eigentumsrecht gemäß Art. 14 Abs. 1 GG reicht das Vorliegen von Anhaltspunkten für den Erfolg der Manipulation aus. Damit wird, anders als die Rechtsbeschwerde meint, einem Miteigentümer nicht die Möglichkeit genommen, Vortrag zur Wahrnehmung seiner Interessen auch dann zu halten, wenn dieser möglicherweise falsch ist. Ein Zuschlagsversagungsgrund nach § 83 Nr. 6 ZVG setzt ein Verhalten voraus, das über die Wahrnehmung der Rechte hinausgeht, weil es auf die nachteilige Beeinflussung des Bietverhaltens eines anderen Beteiligten gerichtet ist.
Rz. 14
cc) Davon geht auch das Beschwerdegericht aus und bejaht in einer rechtsfehlerfreien Gesamtwürdigung eine den Zuschlagsversagungsgrund nach § 83 Nr. 6 ZVG begründende Manipulation des Teilungsversteigerungstermins durch den Beteiligten zu 1. Dabei nimmt es an, dass die einzelnen Umstände jeweils für sich genommen für die Annahme einer Manipulation nicht ausreichen würden, die Gesamtschau aber diesen Schluss erlaubt. Die tatrichterliche Würdigung unterliegt nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Dieses kann lediglich prüfen, ob maßgebliche Rechtsbegriffe verkannt, Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände nicht beachtet worden sind (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Mai 2007 - V ZB 83/06, BGHZ 172, 218 Rn. 34 mwN). Ein solcher Rechtsfehler liegt hier nicht vor. Die Rechtsbeschwerde setzt lediglich ihre eigene Würdigung an die Stelle der tatrichterlichen Würdigung des Beschwerdegerichts.
Rz. 15
(1) Das Beschwerdegericht meint, auch ein - wie hier - zulässiger und nicht offensichtlich unbegründeter Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 765a ZPO könne der Manipulation des Teilungsversteigerungstermins dienen. Nach Vernehmung des den Versteigerungstermin leitenden Rechtspflegers hat es im Rahmen seiner Gesamtwürdigung die Überzeugung gewonnen, dass es dem Beteiligten zu 1 mit dem Vollstreckungsschutzantrag ersichtlich darum gegangen sei, den potentiellen Bieterkreis zu verunsichern, indem er die Verlesung und Erörterung des Antrags in dem Versteigerungstermin eingefordert, einen bereits überholten früheren Vollstreckungsschutzantrag erneut überreicht und auf seinen anerkannten Pflegegrad verwiesen habe.
Rz. 16
(2) Ohne Rechtsfehler sieht das Beschwerdegericht eine weitere Manipulation des Teilungsversteigerungstermins in der von dem Beteiligten zu 1 eingelegten Erinnerung gemäß § 766 ZPO, mit der dieser die gewerbliche Nutzung des Objekts und die Untervermietung geltend gemacht sowie fünf Wohnraummietverträge und einen Geschäftsraummietvertrag vorgelegt hat, und den damit im Zusammenhang stehenden Erklärungen des Beteiligten zu 1. Insoweit kommt es nicht darauf an - und darauf hat das Beschwerdegericht sich auch nicht gestützt -, dass die rechtliche Bewertung des Beteiligten zu 1 nicht zutrifft, die Bezeichnung des Grundstücks als Einfamilienhaus genüge im Hinblick auf die behauptete Nutzung nicht den Anforderungen des § 37 Nr. 1 ZVG (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 29. September 2011 - V ZB 65/11, NJW-RR 2012, 145 Rn. 8). Wie das Beschwerdegericht erkennt, wären die Hinweise des Beteiligten zu 1 auf die tatsächliche Nutzung des Grundstücks, selbst wenn sie vor dem Hintergrund einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung erfolgt sein sollten, nicht zu beanstanden gewesen, wenn sie der Information möglicher Bieter gedient hätten. So war es nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts aber nicht. Es hat nach der Beweisaufnahme die Überzeugung gewonnen, dass es dem Beteiligten zu 1 in erster Linie auf die Abschreckung der Bietinteressenten angekommen sei. Ohne Erfolg verweist die Rechtsbeschwerde insoweit auf § 183 ZVG, wonach im Fall der Vermietung oder Verpachtung des Grundstücks die in den §§ 57a und 57b ZVG vorgesehenen Maßgaben keine Anwendung finden. Seine Annahme, der Beteiligte zu 1 habe eine Verunsicherung der Bietinteressenten schüren wollen, hat das Beschwerdegericht insbesondere damit begründet, die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Beteiligte zu 1 betont habe, die Vermietung sei auch an „Ausländer“ erfolgt. Damit habe der Beteiligte zu 1 darauf spekuliert, die Interessenten würden Probleme bei der Beendigung der Untermietverträge befürchten.
Rz. 17
(3) Ebenfalls ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die Annahme des Beschwerdegerichts, die Manipulation der Bietstunde werde durch den Hinweis des Beteiligten zu 1 auf die Verpflichtung des Erstehers zur Zahlung dinglicher Zinsen an die Grundschuldgläubiger besonders deutlich. Allerdings war, wovon auch das Beschwerdegericht ausgeht, dieser Hinweis in der Sache richtig. Grundschuldzinsen stellen Lasten des Grundstücks im Sinne von § 103 BGB dar. Der Ersteher hat gemäß § 56 Satz 2, § 180 Abs. 1 ZVG vom Zuschlag an Lasten zu tragen, somit auch die Zinslast aus einer bestehen gebliebenen Grundschuld. Darauf ist der Bietinteressent von dem Versteigerungsgericht hinzuweisen (vgl. Stöber/Keller, ZVG, 23. Aufl., Einl. Rn. 128; Alff, Rpfleger 2011, 357, 359). Den Vorwurf der Rechtsmissbräuchlichkeit knüpft das Beschwerdegericht jedoch nicht an die Erteilung des - sich bereits aus dem Merkblatt für Bietinteressenten der Justiz Nordrhein-Westfalen ergebenden - Hinweises durch den Beteiligten zu 1 an sich, sondern an dessen weiteren Ausführungen zur Höhe der Zahlungspflicht, die der Ersteher zu erwarten habe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten zu 1, was sich dieser zurechnen lassen muss (§ 85 ZPO), ein Szenario gezeichnet, wonach wegen der Zerstrittenheit der Beteiligten und der dadurch bedingten Schwierigkeit bei der Ermittlung der Bankverbindung der Grundschuldgläubigerin mit einer Zahlungspflicht in einer Größenordnung von 200.000 € gerechnet werden müsse. Nach der Überzeugung des Beschwerdegerichts ist der Betrag unrealistisch und entbehrt jeder Grundlage; er ist allein zwecks Verunsicherung der anwesenden Bietinteressenten genannt worden.
Rz. 18
(4) Schließlich stellt das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei Anhaltspunkte dafür fest, dass sich das Verhalten des Beteiligten zu 1 nachteilig auf die Abgabe von Geboten durch andere Bietinteressenten ausgewirkt hat; es ist davon sogar überzeugt. Der Beteiligte zu 1 ist mit seinem Gebot, das nur 53 Cent über dem zu zahlenden Teil des geringsten Gebots lag, der einzige Bieter geblieben. Weitere Gebote hat es nicht gegeben, obwohl nach den Erfahrungen des Zwangsversteigerungsgerichts im Herbst 2022 für vergleichbare Objekte das zuschlagsfähige Meistgebot regelmäßig etwa 150 % über dem Schätzwert gelegen hat. Den Feststellungen des Beschwerdegerichts zufolge war der Gerichtssaal voller als vor der Corona-Pandemie üblich, und neben dem Beteiligten zu 1 hat ein weiterer Interessent eine Sicherheitsleistung eingezahlt. Das Beschwerdegericht nimmt an, die von dem Beteiligten zu 1 bei den Bietinteressenten geweckte Verunsicherung habe sich derart verfestigt, dass sie nicht durch die Hinweise des Rechtspflegers und die Erörterungen in dem Versteigerungstermin, insbesondere nicht durch den Hinweis auf die Möglichkeit der Hinterlegung des Grundschuldkapitals unter Verzicht auf das Rücknahmerecht nach den §§ 372, 376, 378 BGB, habe korrigiert werden können. Das Risiko sei den anderen Bietinteressenten zu hoch gewesen. Die tatrichterliche Würdigung, dass ohne das manipulative Verhalten des Beteiligten zu 1 jedenfalls ein Bietinteressent ein höheres Gebot abgegeben hätte, lässt keine Rechtsfehler erkennen.
IV.
Rz. 19
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Bei Beschwerden in Zwangsversteigerungsverfahren kommt eine Erstattung außergerichtlicher Kosten zwar grundsätzlich nicht in Betracht, da sich die Beteiligten nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen. Streiten aber - wie hier - Miteigentümer im Rahmen einer Teilungsversteigerung mit entgegengesetzten Interessen und Anträgen, rechtfertigt der kontradiktorische Charakter der Auseinandersetzung die Anwendung der §§ 91 ff. ZPO (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Juli 2006 - V ZB 168/05, NJW-RR 2007, 143 Rn. 10).
Rz. 20
2. Der Gegenstandswert für das gerichtliche Verfahren bestimmt sich nach dem gemäß § 74a ZVG festgesetzten Verkehrswert (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 1 Satz 1 GKG).
Brückner |
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Göbel |
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RinBGH Haberkamp ist wegen Urlaubs an der elektronischen Signatur gehindert. Die Vorsitzende Brückner |
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Laube |
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RinBGH Grau ist wegen Urlaubs an der elektronischen Signatur gehindert. Die Vorsitzende Brückner |
Fundstellen