Leitsatz (amtlich)
Zur Ermittlung des Werts der Beschwer des Klägers im Fall einer einseitigen Teilerledigungserklärung.
Normenkette
ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Meiningen (Beschluss vom 31.05.2017; Aktenzeichen 1 S 6/17 (3)) |
AG Meiningen (Entscheidung vom 06.12.2016; Aktenzeichen 13 C 699/15) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des LG Meiningen vom 31.5.2017 wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Kläger.
Beschwerdewert: 569,65 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Der Kläger begehrt Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall vom 30.5.2015, bei dem sein Fahrzeug infolge einer Kollision mit dem von dem Beklagten zu 1) gehaltenen und bei der Beklagten zu 2) versicherten Fahrzeug beschädigt wurde. Der Kläger verlangte mit Schreiben vom 14.7.2010 Schadensersatz i.H.v. 2.152,40 EUR. Am 13.8.2015 zahlte sein Kaskoversicherer an ihn einen Betrag i.H.v. 611,20 EUR. Am 22.9.2015 erstattete die Beklagte zu 2) dem Kaskoversicherer den an den Kläger gezahlten Betrag. Mit der am 31.8.2015 eingereichten und den Beklagten am 26.9.2015 zugestellten Klage hat der Kläger die Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 2.152,40 EUR begehrt. In der mündlichen Verhandlung vom 13.2.2016 hat er den Rechtsstreit i.H.v. 611,20 EUR für erledigt erklärt. Die Beklagten haben sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen. Der Kläger hat daraufhin insoweit die Feststellung beantragt, dass sich der Rechtsstreit in Höhe eines Betrags von 611,20 EUR erledigt hat. Das AG hat die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.351,20 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlicher Kosten zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger seine vom AG abgewiesenen Anträge auf Zahlung weiterer 190 EUR und auf Feststellung der Teilerledigung weiterverfolgt. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das LG die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Rz. 2
Die Rechtsbeschwerde ist gem. §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig, weil sie die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht dargelegt hat.
Rz. 3
1. Das LG hat seine Entscheidung damit begründet, dass der Wert des Beschwerdegegenstands 600 EUR nicht übersteige (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Beschwer des Klägers betrage nur 569,95 EUR. Maßgebend für den Wert der Beschwer im Rechtsmittelverfahren sei das Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Zur Berechnung der Beschwer seien die Werte beider Berufungsbegehren zu addieren. Auf den weiterverfolgten Zahlungsantrag entfielen 190 EUR. Die auf den Antrag auf Feststellung der Teilerledigung entfallende Beschwer bemesse sich nach der Summe der auf den erledigten Teil entfallenden Kosten der Vorinstanz. Der Wert dieser Kosten sei durch eine Differenzrechnung zu ermitteln, die ergebe, um welchen Betrag bis zur teilweisen Erledigungserklärung diejenigen Kosten überschritten worden seien, die angefallen wären, wenn der Kläger den Rechtsstreit von Anfang an nur über den nicht erledigten Teil der Hauptsache geführt hätte. Im Streitfall belaufe sich die Differenz der bis zum Zeitpunkt der Erledigung tatsächlich entstandenen Kosten und derjenigen Kosten die bei Klageerhebung ohne den erledigten Teil entstanden wären, auf 379,65 EUR.
Rz. 4
2. Diese Ausführungen stehen, wie die Rechtsbeschwerde einräumt, im Einklang mit der gefestigten Rechtsprechung des BGH (vgl. Beschlüsse v. 13.7.1988 - VIII ZR 289/87, MDR 1989, 58 f.; v. 25.9.1991 - VIII ZR 157/91, WM 1991, 2009, 2010; vom 13.7.2005 - XII ZR 295/02, NJW-RR 2005, 1728 f.; v. 28.1.2010 - III ZR 47/09, juris Rz. 5). Die Rechtsbeschwerde macht lediglich geltend, gegen die Differenzmethode seien vom OLG Hamm (Beschlüsse vom 12.5.2005 - 24 U 7/05, juris; vom 12.6.2001 - 21 W 29/00, OLGReport Hamm 2001, 297) und von einer Stimme in der Literatur (Liebheit, AnwBl. 2000, 73) Einwände erhoben worden, mit denen sich die höchstrichterliche Rechtsprechung bislang nicht auseinandergesetzt habe. Die Differenzmethode führe dazu, dass die angefallenen Kosten nicht entsprechend dem streitwertanteiligen Unterliegen der Parteien hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils und der streitigen Restforderung verteilt würden. Vorzuziehen sei daher die Quotenmethode. Mit diesen Ausführungen hat die Rechtsbeschwerde die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht in der gebotenen Weise dargelegt.
Rz. 5
a) Gemäß § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muss die Begründung der Rechtsbeschwerde dann, wenn die Rechtsbeschwerde - wie im Streitfall - aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung statthaft ist (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO enthalten. Nach dieser Bestimmung ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Der Beschwerdeführer muss den Zulassungsgrund bzw. die Zulassungsvoraussetzungen nicht nur benennen, sondern auch zu den jeweiligen Voraussetzungen substantiiert vortragen (BGH, Beschl. v. 25.7.2012 - XII ZB 170/11, FamRZ 2012, 1561 Rz. 8 f.; v. 2.8.2017 - XII ZB 190/17, NJW-RR 2017, 1476 Rz. 6; Musielak/Voit/Ball, ZPO, 15. Aufl., § 575 Rz. 6).
Rz. 6
b) Hieran fehlt es vorliegend. Die Rechtsbeschwerde hat einen Zulassungsgrund weder benannt noch die jeweiligen Voraussetzungen konkret dargetan. Sie hat insb. nicht aufgezeigt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO hat. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Sache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Klärungsbedürftig sind solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden oder die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt sind (vgl. BGH, Beschl. v. 27.3.2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291; v. 11.5.2004 - XI ZB 39/03, BGHZ 159, 135, 137; vom 8.2.2010 - II ZR 54/09, NJW-RR 2010, 1047 Rz. 3). Hat der BGH eine Rechtsfrage bereits geklärt, kann sich weiterer Klärungsbedarf ergeben, wenn neue Argumente ins Feld geführt werden können, die den BGH zu einer Überprüfung seiner Auffassung veranlassen könnten (vgl. BVerfGK 11, 420, 431; 19, 467, 474; BVerfG FamRZ 2010, 1235, 1236 f.; NJW 2011, 2276, 2277).
Rz. 7
Gemessen hieran hat die Rechtsbeschwerde nicht hinreichend dargelegt, warum die Frage, ob sich der für die Beschwer maßgebliche Wert der auf den erledigten Teil der Hauptsache entfallenden Kosten der Vorinstanz nach der Differenzrechnung oder der Quotenmethode bestimmt, klärungsbedürftig sein soll. Wie bereits ausgeführt entspricht es der gefestigten Rechtsprechung des BGH, dass sich die Beschwer des Klägers im Fall einer einseitigen Teilerledigungserklärung grundsätzlich nach dem restlichen Betrag der Hauptsache unter Hinzurechnung der auf den erledigten Teil entfallenden Kosten der Vorinstanzen bestimmt. Der Wert dieser Kosten ist dabei - sofern in dem angefochtenen Urteil wie im Streitfall über die Teilerledigung entschieden worden ist (BGH, Urt. v. 10.11.2017 - V ZR 217/16, NJW-RR 2018, 571 Rz. 10) und der Rechtsmittelkläger sowohl die Entscheidung über die Hauptsache als auch über die Teilerledigung zum Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens macht (BGH, Urt. v. 9.3.1993 - VI ZR 249/92, VersR 1993, 625, 626) - durch eine auf den Zeitpunkt der Teilerledigung bezogene Differenzrechnung zu ermitteln, die ergibt, um welchen Betrag diejenigen Kosten überschritten worden sind, die angefallen wären, wenn der Kläger den Rechtsstreit von Anfang an nur über den nicht erledigten Teil der Hauptsache geführt hätte (Beschlüsse v. 13.7.1988 - VIII ZR 289/87, MDR 1989, 58 f.; v. 25.9.1991 - VIII ZR 157/91, WM 1991, 2009, 2010; v. 13.7.2005 - XII ZR 295/02, NJW-RR 2005, 1728 f.; v. 28.1.2010 - III ZR 47/09, juris Rz. 5 sowie Urt. v. 10.11.2017 - V ZR 217/16, NJW-RR 2018, 571 Rz. 9). Die Rechtsbeschwerde hat keine neuen Argumente aufgezeigt, die den BGH zu einer Überprüfung seiner Auffassung veranlassen könnten. Mit der Auffassung, der Kostenwert sei in einem Fall wie dem vorliegenden nicht durch Differenzrechnung, sondern durch eine Quotelung der gesamten Kosten im Verhältnis des erledigten Teils zum Betrag der Hauptsache vor Teilerledigung zu ermitteln, hat sich der BGH bereits im Beschluss vom 13.7.1988 (VIII ZR 289/87, MDR 1989, 58 f.) auseinander gesetzt. Er hat ihr mit dem Argument eine Absage erteilt, dass dem Kosteninteresse ein Wert nur insoweit beizumessen ist, als die Kosten nicht ohnehin angefallen sind (ebenda; vgl. auch BGH vom 10.11.2017 - V ZR 217/16, NJW-RR 2018, 571 Rz. 9).
Rz. 8
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 12334247 |
NJW-RR 2019, 189 |
JZ 2019, 38 |
MDR 2019, 54 |
VersR 2019, 122 |
AGS 2019, 114 |
VRA 2019, 6 |