Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Entscheidung vom 01.02.2024; Aktenzeichen 1 KLs 11/23) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 1. Februar 2024 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen II. 9. und 10. der Urteilsgründe jeweils wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) das vorbezeichnete Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass die Verurteilung wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht in zwei Fällen (II. 9. und 10. der Urteilsgründe) entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und mit Hausfriedensbruch, wegen Beleidigung in zwei tateinheitlichen Fällen in weiterer Tateinheit mit Hausfriedensbruch, wegen Diebstahls und wegen Beleidigung unter Einbeziehung einer anderweitigen Geldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten sowie wegen räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit Körperverletzung, wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht in zwei Fällen, wegen Sachbeschädigung in zwei Fällen und wegen Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung und mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt sowie ihn im Übrigen freigesprochen. Daneben hat das Landgericht seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO und einer hieraus resultierenden Schuldspruchänderung (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO - mit der Kostenfolge des § 467 Abs. 1 StPO - aus prozessökonomischen Gründen, insbesondere zur Vermeidung einer erneuten tatgerichtlichen Hauptverhandlung, ein, soweit der Angeklagte in Fällen II. 9. und 10. der Urteilsgründe jeweils wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht gemäß § 145a Satz 1 StGB für schuldig befunden worden ist.
Rz. 3
Den betreffenden Schuldsprüchen liegt zu Grunde, dass der gemäß § 67d Abs. 5 Satz 2 StGB unter Führungsaufsicht stehende Angeklagte, der seit seinem frühen Jugendalter Alkohol konsumiert und bei dem diagnostisch unter anderem ein schädlicher Gebrauch von Alkohol vorliegt (ICD-10: F19.1), entgegen einer ihm nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB erteilten Weisung, keinen Alkohol zu konsumieren, an zwei Tagen jeweils alkoholische Getränke zu sich nahm. Dies stößt auf rechtliche Bedenken in zweierlei Hinsicht:
Rz. 4
a) Zum einen lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, ob der Führungsaufsichtsbeschluss einen (eindeutigen) schriftlichen Hinweis darauf enthält, dass ein Verstoß gegen die Abstinenzweisung nach § 145a Satz 1 StGB strafbewehrt ist. Der genannte Beschluss wird im Urteil, anders als es sich zumindest dringend empfiehlt, nicht (im Wortlaut) mitgeteilt. Ein solcher unmissverständlicher Hinweis ist jedoch erforderlich, damit der Führungsaufsichtsbeschluss in Ausfüllung des Blankettstraftatbestandes des § 145a Satz 1 StGB die Strafbarkeit eines Weisungsverstoßes begründen kann (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2023 - 3 StR 151/23, NStZ-RR 2023, 369; Urteil vom 2. März 2023 - 4 StR 312/22, StV 2023, 529 Rn. 17; Beschlüsse vom 16. Juni 2021 - 3 StR 50/21, juris Rn. 3; vom 12. Januar 2021 - 3 StR 362/20, NStZ 2021, 733 Rn. 11; Urteil vom 24. Juni 2020 - 3 StR 287/19, NStZ-RR 2021, 44, 45). Eine Information über die Strafbarkeit von Weisungsverstößen allein im Rahmen einer (mündlichen) Belehrung über die Führungsaufsicht nach § 268a Abs. 3 Satz 2 StPO beziehungsweise §§ 453a, 463 Abs. 1 StPO genügt nicht (BGH, Beschluss vom 28. Juni 2023 - 3 StR 151/23, NStZ-RR 2023, 369; Urteil vom 2. März 2023 - 4 StR 312/22, StV 2023, 529 Rn. 17; Beschluss vom 12. Januar 2021 - 3 StR 362/20, NStZ 2021, 733 Rn. 11; Urteil vom 24. Juni 2020 - 3 StR 287/19, NStZ-RR 2021, 44, 45).
Rz. 5
b) Zum anderen bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abstinenzweisung, weil die Urteilsfeststellungen nahelegen, dass der Angeklagte alkoholkrank ist. Die Rechtmäßigkeit einer strafbewehrten Weisung nach § 68b Abs. 1 StGB ist Voraussetzung für eine Strafbarkeit; sie muss sich daher aus den Urteilsgründen in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise erkennen lassen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Februar 2020 - 4 StR 590/19, NStZ 2020, 480 Rn. 4; vom 11. Februar 2016 - 2 StR 512/15, BGHR StGB § 145a Bestimmtheit 2 Rn. 8; vom 19. August 2015 - 5 StR 275/15, BGHR StGB § 145a Satz 1 Verstoß gegen Weisungen 3 Rn. 5). Zwar ist eine Abstinenzweisung gemäß § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB gegenüber Alkoholabhängigen nicht ausnahmslos unzulässig; vielfach aber stellt sie unzumutbare Anforderungen an den Betroffenen, sofern dieser aufgrund einer Suchterkrankung seinem Konsumverlangen nicht widerstehen kann. In einer solchen Konstellation ist eine Weisung während der Führungsaufsicht, keine Alkoholika zu konsumieren, wenn auch nicht stets, so aber doch in der Regel unverhältnismäßig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. März 2016 - 2 BvR 496/12, NJW 2016, 2170 Rn. 25 f.; BGH, Beschlüsse vom 28. Juni 2023 - 3 StR 151/23, BGHR StGB § 145a Satz 1 Verstoß gegen Weisungen 4 Rn. 5, mwN). Ob ein solcher Fall hier vorliegt, lässt sich anhand der Urteilsgründe nicht überprüfen.
Rz. 6
2. Die Einstellung nach § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO führt in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO zum Wegfall der Verurteilung nach § 145a Satz 1 StGB wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht in zwei Fällen und der für diese Taten verhängten Einzelfreiheitsstrafen von jeweils drei Monaten. Der Ausspruch über die aus den Einzelstrafen für die Fälle II. 6. bis 11. der Urteilsgründe gebildeten weiteren Gesamtstrafe bleibt davon unberührt. Angesichts der Anzahl und jeweiligen Höhe der übrigen Einzelstrafen ist auszuschließen, dass die Strafkammer ohne die entfallenden auf eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
Rz. 7
3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf der Grundlage der Revisionsrechtfertigung, wie in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zutreffend ausgeführt ist, keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Schäfer Paul Hohoff
Erbguth Voigt
Fundstellen
Dokument-Index HI16652855 |