Verfahrensgang
LG Trier (Entscheidung vom 10.01.2023; Aktenzeichen 8142 Js 28272/20 - 1 KLs) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Trier vom 10. Januar 2023 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) das vorbezeichnete Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass die Verurteilung im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung in zwei Fällen, Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung, Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht sowie weiterer Delikte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO und einer hieraus resultierenden Schuldspruchänderung (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO - mit der Kostenfolge des § 467 Abs. 1 StPO - aus prozessökonomischen Gründen, insbesondere zur Vermeidung einer erneuten tatgerichtlichen Hauptverhandlung, ein, soweit der Angeklagte im Fall II. 1. der Urteilsgründe eines Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht gemäß § 145a Satz 1 StGB für schuldig befunden worden ist.
Rz. 3
Diesem Schuldspruch liegt zu Grunde, dass der einen Hang zu übermäßigem Alkoholkonsum aufweisende und gemäß § 67d Abs. 5 Satz 2 StGB unter Führungsaufsicht stehende Angeklagte entgegen einer ihm nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB erteilten Weisung, keinen Alkohol zu konsumieren, am 16. August 2020 in einer Gaststätte alkoholhaltiges Bier trank. Die Verurteilung wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht stößt auf rechtliche Bedenken in zweierlei Hinsicht:
Rz. 4
a) Zum einen lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, ob der Führungsaufsichtsbeschluss einen (eindeutigen) schriftlichen Hinweis darauf enthält, dass ein Verstoß gegen die Abstinenzweisung nach § 145a Satz 1 StGB strafbewehrt ist. Der Führungsaufsichtsbeschluss wird im Urteil, anders als es sich zumindest dringend empfiehlt, nicht (im Wortlaut) mitgeteilt. Ein solcher unmissverständlicher Hinweis im Führungsaufsichtsbeschluss ist jedoch erforderlich, damit dieser in Ausfüllung des Blankettstraftatbestandes des § 145a Satz 1 StGB die Strafbarkeit eines Weisungsverstoßes begründen kann (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. März 2023 - 4 StR 312/22, juris Rn. 17; vom 16. Juni 2021 - 3 StR 50/21, juris Rn. 3; vom 12. Januar 2021 - 3 StR 362/20, NStZ 2021, 733 Rn. 11; Urteil vom 24. Juni 2020 - 3 StR 287/19, NStZ-RR 2021, 44, 45). Eine Information über die Strafbarkeit von Weisungsverstößen allein im Rahmen einer (mündlichen) Belehrung über die Führungsaufsicht nach § 268a Abs. 3 Satz 2 StPO beziehungsweise §§ 453a, 463 Abs. 1 StPO genügt nicht (BGH, Beschlüsse vom 2. März 2023 - 4 StR 312/22, juris Rn. 17; vom 12. Januar 2021 - 3 StR 362/20, NStZ 2021, 733 Rn. 11; Urteil vom 24. Juni 2020 - 3 StR 287/19, NStZ-RR 2021, 44, 45).
Rz. 5
b) Zum anderen bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abstinenzweisung, weil die Urteilsfeststellungen nahelegen, dass der Angeklagte alkoholkrank ist. Die Rechtmäßigkeit einer strafbewehrten Weisung nach § 68 Abs. 1 StGB ist Voraussetzung für eine Strafbarkeit; sie muss sich daher aus den Urteilsgründen in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise erkennen lassen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Februar 2020 - 4 StR 590/19, NStZ 2020, 480 Rn. 4; vom 11. Februar 2016 - 2 StR 512/15, BGHR StGB § 145a Bestimmtheit 2 Rn. 8; vom 19. August 2015 - 5 StR 275/15, BGHR StGB § 145a Satz 1 Verstoß gegen Weisungen 3 Rn. 5; Urteil vom 7. Februar 2013 - 3 StR 486/12, BGHSt 58, 136, 138). Zwar ist eine Abstinenzweisung gemäß § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB gegenüber Alkoholabhängigen nicht ausnahmslos unzulässig; vielfach aber stellt sie unzumutbare Anforderungen an den Betroffenen, sofern dieser aufgrund einer Suchterkrankung seinem Konsumverlangen nicht widerstehen kann. In einer solchen Konstellation ist eine Weisung während der Führungsaufsicht, keine Alkoholika zu konsumieren, wenn auch nicht stets, so aber doch in der Regel unverhältnismäßig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. März 2016 - 2 BvR 496/12, NJW 2016, 2170 Rn. 25 f.; OLG Bremen, Beschluss vom 10. März 2022 - 1 Ws 18/22, juris Rn. 9 mwN; OLG Koblenz, Beschluss vom 4. Dezember 2019 - 6 Ss 130/19, juris Rn. 18). Ob ein solcher Fall hier vorliegt, lässt sich anhand der Urteilsgründe nicht überprüfen.
Rz. 6
2. Die Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO führt in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO zum Entfallen der Verurteilung nach § 145a Satz 1 StGB wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht und der für diese Tat verhängten Einzelfreiheitsstrafe von zwei Monaten. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe bleibt davon unberührt. Angesichts der Anzahl und jeweiligen Höhe der übrigen Einzelstrafen ist auszuschließen, dass die Strafkammer ohne die entfallende Einzelstrafe auf eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
Rz. 7
3. Von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat das Landgericht rechtsfehlerfrei abgesehen. Da eine durch eine Vorverurteilung angeordnete und zum Zeitpunkt des hiesigen Urteils noch nicht lange zurückliegende frühere Unterbringung gemäß § 64 StGB bereits nach kurzer Zeit wegen fehlender Mitwirkungsbereitschaft des Angeklagten für erledigt erklärt werden musste (§ 67d Abs. 5 Satz 1 StGB) und keine Hinweise auf eine jetzige Therapiemotivation des Angeklagten erkennbar gewesen sind, hat die Strafkammer tragfähig die Erfolgsaussicht einer neuerlichen Maßregelanordnung verneint.
Schäfer |
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Paul |
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Erbguth |
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Kreicker |
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Fundstellen
Haufe-Index 15826226 |
NStZ-RR 2023, 369 |
StV 2024, 254 |