Verfahrensgang
AGH Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 18.09.1998) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des ersten Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 18. September 1998 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller hat im Jahre 1985 die zweite juristische Staatsprüfung bestanden. Seit September 1996 war er Geschäftsführer von zwei Maklerunternehmen, der A.S.I. Consulting GmbH und der FVM Finanz- und Versicherungsmakler GmbH; diese Gesellschaften waren ihrerseits Komplementärgesellschafter von Kommanditgesellschaften entsprechenden Namens.
Seit dem 1. Januar 1998 konzentrierte sich die Tätigkeit des Antragstellers auf die A.S.I. Finanz- und Versicherungsmakler GmbH & Co. KG (im folgenden: ASI); er war in diesem Unternehmen für die Aufgabenbereiche Personal, Verwaltung und Ausbildung zuständig. Nach Angaben des Antragstellers hat schließlich eine Unternehmensumstrukturierung zum 1. Juli 1998 dazu geführt, daß die bislang angestellten Mitarbeiter als Handelsvertreter selbständig tätig wurden. Sie fungierten als Agenturinhaber und Makler, blieben aber an die ASI gebunden und seien ausschließlich für diese tätig. Infolge dieser Umstrukturierung habe sich auch die Tätigkeit der Zentrale der ASI geändert. Sie habe die Funktion eines Franchise-Gebers, behalte dabei zwar einen eigenen Maklerstatus, werde aber nicht unmittelbar am Markt tätig. Es bestehe kein unmittelbarer Kundenkontakt, der Vertrieb erfolge vielmehr über die Handelsvertreter. Die Zentrale schule und informiere diese, was Marktveränderungen oder Produkterneuerungen anlange, sie erstelle für die Vertreter das Abrechnungswesen; ferner halte und warte sie die Datenverarbeitung für den Produktvertrieb.
Am 30. September 1997 hat der Antragsteller die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt beim Amtsgericht C. und Landgericht M. beantragt. Der Vorstand der Antragsgegnerin hat in seinem Gutachten vom 27. November 1997 den Versagungsgrund des § 7 Nr. 8 BRAO geltend gemacht, weil die Tätigkeit des Antragstellers als Geschäftsführer in Maklerunternehmen mit dem Beruf des Rechtsanwalts nicht vereinbar sei. Mit Beschluß vom 18. September 1998 hat der Anwaltsgerichtshof festgestellt, daß der vom Vorstand der Antragsgegnerin im Gutachten vom 27. November 1997 angeführte Versagungsgrund vorliegt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.
Entscheidungsgründe
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO), bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Die vom Antragsteller ausgeübte Tätigkeit innerhalb eines Maklerunternehmens erfüllt den Versagungsgrund des § 7 Nr. 8 BRAO.
1. Nach § 7 Nr. 8 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen, wenn der Bewerber eine Tätigkeit ausübt, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann. Die Vorschrift dient der Sicherung der Anwaltstätigkeit als eines freien und unabhängigen Berufes sowie dem Schutz der notwendigen Vertrauensgrundlage der Rechtsanwaltschaft. Sie will deshalb Gefahren entgegenwirken, die der Unabhängigkeit und Integrität des Rechtsanwalts sowie dessen maßgebende Orientierung am Recht und an den Interessen seiner Mandanten durch die erwerbswirtschaftliche Prägung des Zweitberufs drohen. Solche Interessenkollisionen liegen insbesondere dann nahe, wenn der ausgeübte kaufmännische Beruf in besonderer Weise die Möglichkeit bietet, Informationen zu nutzen, die aus der rechtsberatenden Tätigkeit stammen (vgl. BVerfGE 87, 287, 329; vgl. Senatsbeschluß vom 21. Juli 1997 – AnwZ (B) 15/97 – BRAK-Mitt. 1997, 253).
Allerdings umfaßt die Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) grundsätzlich auch das Recht, mehrere Berufe zu wählen und nebeneinander auszuüben. Bei der Auslegung und Anwendung der die Berufswahl beschränkenden Vorschrift des § 7 Nr. 8 BRAO ist deshalb zu beachten, daß eine Berufswahlbeschränkung für einzelne Berufsgruppen allenfalls dort erforderlich und zumutbar ist, wo sich die Gefahr einer Interessenkollision deutlich abzeichnet und nicht mit Hilfe von Berufsausübungsregelungen beseitigt werden kann; es ist darauf abzustellen, ob die zweitberufliche Tätigkeit bei objektiv vernünftiger Betrachtungsweise die Wahrscheinlichkeit von Pflichtenkollisionen nahelegt (Senatsbeschluß vom 11. Dezember 1995 – AnwZ (B) 32/95 – BRAK-Mitt. 1996, 78 m.w.N.). Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung eine durch die Tätigkeitsverbote nach § 45 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 Nr. 2 BRAO nicht ausreichend zu bannende Gefahr von Interessenkollisionen angenommen, wenn der Rechtsanwalt zweitberuflich als Versicherungsmakler (Senatsbeschluß vom 14. Juni 1993 – AnwZ (B) 15/93 – BRAK-Mitt. 1994, 43), als Angestellter eines Versicherungsmaklerunternehmens (Senatsbeschluß vom 13. Februar 1995 – AnwZ (B) 71/94 – BRAK-Mitt. 1995, 123) oder als angestellter Niederlassungsleiter eines Versicherungsmaklerunternehmens (Senatsbeschluß vom 21. Juli 1997 aaO) tätig ist. Denn gerade die Berufsgruppe der Versicherungsmakler ist darauf angewiesen, Informationen zu erhalten, welche die Vermittlung von Geschäftsabschlüssen aussichtsreich erscheinen lassen und die bei der Rechtsberatung typischerweise anfallen können. Auch die Tätigkeit des Antragstellers innerhalb der ASI legt bei objektiv vernünftiger Betrachtungsweise die Gefahr solcher Interessenkollisionen nahe.
2. a) Der Antragsteller ist Geschäftsführer eines Finanz- und Versicherungsmaklerunternehmens; das Unternehmen hat einen eigenen Maklerstatus. Nach dem vom Antragsteller vorgelegten Anstellungsvertrag – von dessen Fortbestand mangels anderweitem Vortrag ausgegangen werden muß – ist der Antragsteller für die Außendienstorganisation und das Marketing zuständig; er hat sich bei allen Entscheidungen allein vom Wohl des Unternehmens leiten zu lassen. Stellt man auf die Art des vom Antragsteller geführten Unternehmens, und seinen vertraglich beschriebenen Aufgabenbereich ab, erfüllt die Tätigkeit im Zweitberuf nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich den Versagungsgrund des § 7 Nr. 8 BRAO. Denn insoweit ist regelmäßig nicht entscheidend, ob der Zulassungsbewerber selbst werbend im unmittelbaren Kundenkontakt tätig wird und selbst (Versicherungs-)Verträge vermittelt oder ob er eine solche Tätigkeit – und das liegt beim Geschäftsführer eines Maklerunternehmens nahe – durch angestellte Mitarbeiter ausüben läßt (vgl. zum Niederlassungsleiter Senatsbeschluß vom 21. Juli 1997 aaO).
b) Aber auch die vom Antragsteller vorgetragene nähere Ausgestaltung seiner Tätigkeit innerhalb des Unternehmens, insbesondere auch nach der zum Sommer 1998 wirksam gewordenen Unternehmensumstrukturierung, rechtfertigt – wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend erkannt hat – keine andere Beurteilung. Das Unternehmen ist nach wie vor ein Maklerunternehmen. Auch wenn es regelmäßig keinen unmittelbaren Kundenkontakt pflegt, ist sein Tätigwerden als Makler damit nicht ausgeschlossen. Das gilt insbesondere für den Geschäftsführer des Unternehmens, dessen Anstellungsvertrag ihm eine solche Tätigkeit auch nicht untersagt. Schon unter diesem Blickwinkel kann es bei gleichzeitiger Ausübung des Berufs des Rechtsanwalts zu Interessenkonflikten kommen. Rechtsanwälte haben in Wahrnehmung ihrer Mandate vielfach mit der Abwägung von Risiken zu tun, die versichert werden können und Gegenstand der Beratung werden. Versicherungsmakler vermitteln, wo solche Risiken bestehen und erstmals oder günstiger versichert werden können, geeignete Vertragsabschlüsse. Für die Vermittlung von Finanzdienstleistungen gilt entsprechendes. Wer beide Aufgaben wahrnimmt, setzt sich zwangsläufig in gesteigertem Maße Konflikten aus (vgl. Senatsbeschluß vom 13. Februar 1995 aaO); aus gutem Grunde ist einem Versicherungsmakler daher rechtsberatende Tätigkeit einschließlich der Versicherungsberatung untersagt (Senatsbeschluß vom 14. Juni 1993 aaO).
Nichts anderes gilt, wenn man davon ausgeht, daß der Antragsteller sich eigener Vermittlungstätigkeit enthält und auch ein eigenes Provisionsinteresse nicht verfolgt. Nach seinen Angaben sind auch nach der Unternehmensumstrukturierung die für die ASI tätigen Handelsvertreter an das Unternehmen gebunden und werden ausschließlich für dieses tätig. Die Vertreter werden im Unternehmen u.a. über Marktveränderung, neue Produkte informiert und darauf bezogen geschult. Die demnach weiterhin enge Verbindung des vom Antragsteller geführten Unternehmens mit den im Kundenverkehr tätigen Handelsvertretern, das gemeinsame Interesse an der Förderung und Weiterentwicklung der Geschäftstätigkeit im Finanz- und Versicherungsgeschäft, legen es nahe, daß den Handelsvertretern bei solchen Gelegenheiten auch Informationen nicht vorenthalten werden, die diese für die Vermittlung von einzelnen Versicherungsverträgen nutzbar machen können. Erlangt der Antragsteller – dessen persönliche Integrität nicht in Frage gestellt werden soll – solche Informationen durch gleichzeitig ausgeübte anwaltliche Tätigkeit, ist deshalb – unbeschadet der Unternehmensumstrukturierung – auch in seiner Person die Gefahr von Interessenkollisionen keineswegs gebannt. Daß diese mit Berufsausübungsregelungen allein nicht beherrscht werden können, liegt auf der Hand.
Unterschriften
Deppert, Basdorf, Terno, Otten, Hase, Schott, Körner
Fundstellen
Haufe-Index 1523677 |
NJW 2000, 1419 |
NJW-RR 2000, 437 |
VersR 2000, 658 |
MittRKKöln 2000, 48 |
BRAK-Mitt. 2000, 43 |