Entscheidungsstichwort (Thema)
Totschlag
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 9. November 1999
- im Schuldspruch dahin abgeändert, daß der Angeklagte des Totschlags schuldig ist,
- im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hatte den Angeklagten am 4. Februar 1998 wegen Mordes (Mordmerkmal: „niedrige Beweggründe”) zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und festgestellt, daß seine Schuld besonders schwer wiegt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat das Urteil durch Beschluß vom 22. September 1998 (4 StR 376/98) mit den Feststellungen – mit Ausnahme derjenigen zum äußeren Tatgeschehen – aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Mit dem jetzt angefochtenen Urteil hat das Landgericht den Angeklagten erneut wegen Mordes verurteilt und eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat wiederum im wesentlichen Erfolg.
1. Nach den Feststellungen wollte sich die langjährige Lebensgefährtin des Angeklagten, Maria S., von dem Angeklagten trennen. Als es dem – zur Tatzeit alkoholisierten – Angeklagten bei einer Aussprache mit ihr nicht gelang, sie „dazu zu bewegen, die Beziehung mit ihm fortzusetzen”, nahm er seinen Trommelrevolver und zwang sie mit vorgehaltener Waffe, sich zu entkleiden. Er hielt sodann den geladenen Revolver an ihre rechte Schläfe, spannte den Hahn der Waffe und drohte ihr, sie zu erschießen, wenn sie nicht bei ihm bleibe. Als die Drohung nicht die gewünschte Wirkung zeigte und Frau S. sinngemäß sagte, „dann drück' doch ab”, tat er dies. Maria S. starb binnen weniger Minuten an den Folgen des Kopfsteckschusses.
a) Zur inneren Tatseite hat das Landgericht nunmehr festgestellt, daß der Angeklagte „aufgrund eines vorgefaßten Tatplans bewußt und gewollt” geschossen hat, weil Frau S. „auf seinen Wunsch, die Lebensgemeinschaft fortzusetzen, nicht einging”; er habe die Trennung nicht akzeptiert, weil er fürchtete, „dadurch die [gemeinsame] Tochter Nicole zu verlieren” (UA 23/24).
b) Das Landgericht würdigt das Geschehen wiederum als Tötung „aus niedrigen Beweggründen” und begründet dies wie folgt (UA 27):
„Er [der Angeklagte] hat Frau S. vorsätzlich getötet, um sich den weiteren Umgang mit der Tochter Nicole zu sichern. Er wollte nicht akzeptieren, daß seine langjährige Lebensgefährtin ihn verläßt, da er fürchtete, daß ihm seine Tochter dadurch entfremdet würde. Er ging davon aus, daß er Frau S. im Fall der Trennung sowieso verlieren würde. Der Angeklagte hatte deshalb eine „Güterabwägung” getroffen, wonach er Frau S., sollte sie ihre Entscheidung nicht rückgängig machen, das Lebensrecht absprechen wollte, um ohne ihren Einfluß mit der Tochter verkehren zu können. Der Angeklagte hat seinen Plan, nachdem Frau S. ein weiteres Zusammenleben mit ihm ablehnte, bewußt und zielstrebig durch deren Tötung realisiert. Seine Motive waren zutiefst verachtenswert, sein Handeln stand auf sittlich niedrigster Stufe.”
2. Die Revision beanstandet zwar zu Recht, daß nicht alle von der Strafkammer im Urteil als „in Rechtskraft erwachsen” bezeichneten Feststellungen von der Bindungswirkung des Senatsbeschlusses vom 22. September 1998 erfaßt sind. Das Urteil beruht jedoch nicht auf diesem Rechtsfehler; denn die Strafkammer hat selbst eine umfangreiche Beweisaufnahme durchgeführt und betont, daß sich die „bindenden Feststellungen … auch in der Beweisaufnahme vor der Kammer bestätigt haben” (UA 26).
3. Erfolg hat die Revision aber mit der Rüge, das Mordmerkmal Tötung „aus niedrigen Beweggründen” sei nicht festgestellt.
Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 22. September 1998 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausgeführt hat, hat die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat „niedrig” sind, also nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, mithin in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen, aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu erfolgen. Dem wird die Würdigung des Landgerichts auch in dem nunmehr angefochtenen Urteil nicht gerecht. Denn wenn – wovon das Landgericht auszugehen scheint (s. UA 12, 16, 24/25), was jedenfalls zu Gunsten des Angeklagten angenommen werden muß – der Angeklagte (auch) zum Wohle des Kindes handeln wollte und er begründeten Anlaß zu der Befürchtung hatte, seine Tochter, die an ihm hing (UA 12, 25) und zu der er „eine besonders starke Bindung” hatte (UA 24), werde ihm bei einer Trennung „entfremdet”, so handelte er objektiv nicht aus einer Gesinnung heraus, die wertungsmäßig auf sittlichtiefster Stufe steht. Ob dies anders zu beurteilen wäre, wenn es dem Angeklagten „allenfalls am Rande” um das Kindeswohl ging (vgl. BGH StV 1984, 72; s. auch BGH NJW 1958, 189), kann dahinstehen; denn das ist nicht festgestellt. Im übrigen belegen die Feststellungen auch nicht, daß beim Angeklagten die subjektiven Erfordernisse des angenommenen Mordmerkmals vorlagen (s. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 13, 15, 26, 32; Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 211 Rdn. 5 b).
4. Da sich die Strafkammer rechtsfehlerfrei davon überzeugt hat, daß der Angeklagte Frau S. vorsätzlich getötet hat und nach zweimaliger Urteilsaufhebung durch den Senat weitere Feststellungen, die eine Verurteilung wegen Mordes tragen könnten, nicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch dahingehend ab, daß der Angeklagte des Totschlags schuldig ist. § 265 StPO steht dem nicht entgegen; denn der Angeklagte wurde bereits darauf hingewiesen, daß eine Verurteilung wegen Totschlags in Betracht kommen kann (Bl. 504 d.A.). Außerdem hätte er sich gegen den geänderten Schuldspruch nicht wirksamer als bisher verteidigen können.
5. Die Strafe muß neu festgesetzt werden. Der nunmehr entscheidende Tatrichter wird hierbei insbesondere mildernd zu berücksichtigen haben, daß die neue Verhandlung bereits diesechste Hauptverhandlung in dieser Sache für den Angeklagten ist und die Tat schon fünf Jahre zurückliegt.
Die Zurückverweisung an ein anderes Landgericht (§ 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO) – wie von der Revision angeregt – kommt nicht in Betracht, weil es im Saarland nur ein Landgericht (das Landgericht Saarbrücken) gibt.
Unterschriften
Meyer-Goßner, Maatz, Kuckein, Athing, Solin-Stojanovi[cacute]
Fundstellen
Haufe-Index 556813 |
NStZ 2001, 88 |
StV 2001, 230 |