Entscheidungsstichwort (Thema)
Totschlag
Tenor
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 7. Juli 2000
- im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte des Totschlags schuldig ist,
- im Strafausspruch aufgehoben.
II. Die Sache wird zur Neufestsetzung der Strafe und zur Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt zur Änderung des Schuldspruchs und Aufhebung des Strafausspruchs; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verfahrensbeschwerden, mit denen sich die Revision insbesondere gegen die Verneinung einer die Tat rechtfertigenden Notwehrlage und die Annahme uneingeschränkter Schuldfähigkeit durch das Landgericht wendet, greifen nicht durch. Insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 27. November 2000, die durch das Vorbringen im Schriftsatz der Verteidigung vom 18. Dezember 2000 nicht entkräftet werden.
2. Dagegen hat die Revision zum Schuldspruch mit der Sachrüge Erfolg. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand; die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe aus niedrigen Beweggründen im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB gehandelt, begegnet – wie die Revision zu Recht geltend macht – schon in objektiver Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Beweggründe zu einem Tötungsverbrechen sind „niedrig”, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen; die Beurteilung dieser Frage hat auf Grund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu erfolgen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 35, 116, 127; BGH StV 1996, 211, 212). Das Landgericht begründet die Annahme, der Angeklagte habe Patrick E. aus „niedrigen Beweggründen” getötet, wie folgt:
„Er hat ihn … getötet, weil er sich an E. dafür rächen wollte, daß dieser ihm die langjährige Freundin ausgespannt hatte. Er fühlte sich durch E. hintergangen, weil dieser mit ihm befreundet gewesen ist und er ihm finanziell geholfen hatte. Der Angeklagte wußte, daß eine Wiederaufnahme seiner Beziehung zu …. Katja P. nicht mehr möglich war. Bei der Tötung des Patrick E. ging es ihm in erster Linie um seine eigenen egoistischen Belange; er wollte den Patrick E. bestrafen. Nachdem er bereits einen im Ergebnis tödlichen Schuß auf Patrick E. abgegeben hatte, verfolgte er diesen und gab auf den verzweifelt um sein Leben kämpfenden Patrick E. einen zweiten tödlichen Schuß von hinten in den Rücken ab. Wer unter solchen Umständen einem Menschen das Lebensrecht abspricht, handelt zutiefst verwerflich.”
Diese Erwägungen rechtfertigen die Wertung der Beweggründe für die Tötung als „niedrig” im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB nicht. Gefühlsregungen wie Rache, aber auch Wut, Haß und Eifersucht, kommen nach der Rechtsprechung nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen (Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 211 Rdn. 5 a m. Nachw.). Das ist am ehesten der Fall, wenn diese Gefühlsregungen jeglichen nachvollziehbaren Grundes entbehren (BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 8, 16, 22; BGH, Urt. vom 3. Februar 1993 – 2 StR 389/92). So verhält es sich hier jedoch nicht:
Nicht jede Tötung, die geschieht, weil sich der Intimpartner vom Täter abwenden will oder abgewandt hat, beruht deshalb zwangsläufig schon auf niedrigen Beweggründen. Vielmehr können in einem solchen Fall tatauslösend und tatbestimmend auch Gefühle der Enttäuschung und „ungerechter” Behandlung sein, die einer Wertung als „niedrig” entgegenstehen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 18, 32 m.w.N.). Davon geht die Rechtsprechung auch dann aus, wenn der Täter den Grund für die Trennung selbst herbeigeführt hat (BGH StV 2000, 20 f). Um so mehr gilt dies, wenn – wie hier – die Trennung von dem Partner ausgegangen ist, die der Täter – wie das Landgericht in bezug auf den Angeklagten ausdrücklich feststellt – nicht „verkraftet” (UA 4). Zwar kommt auch in solch einem Fall die Bewertung der Beweggründe als „niedrig” in Betracht, wenn der Täter den Partner oder den „Nebenbuhler” aus krasser, übersteigerter Eifersucht tötet, weil er sie einander nicht gönnt (vgl. BGHSt 22, 12, 13; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 211 Rdn. 5 a m.w.N.). Davon kann hier aber schon deshalb keine Rede sein, weil der Angeklagte nach der Trennung von Katja P. eine neue Beziehung eingegangen war. Bei der Bewertung des den Angeklagten beherrschenden Motivbündels (vgl. BGH NJW 1981, 1382; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 20) kam deshalb dem Umstand entscheidende Bedeutung zu, daß der Angeklagte sich von dem Tatopfer „verraten” (UA 4) fühlte. Dieses Gefühl der Kränkung erhielt sein besonderes Gewicht zudem dadurch, daß es sein Freund gewesen war, der ihn in dieser Weise „hintergangen” hatte (UA 10). Wenn der Angeklagte hiernach „sauer” auf Patrick E. war, weil dieser seine Beziehung zu Katja P. „auseinandergebracht hatte” (UA 9), so fehlt es ungeachtet der Verwerflichkeit, die jeder vorsätzlichen und rechtswidrigen Tötung eines anderen innewohnt, nicht an jeglichem menschlichen Verständnis für die den Angeklagten zur Tat bestimmenden Motive, wie dies deren Qualifikation als „niedrig” im Sinne des Mordtatbestandes voraussetzen würde. Hinzukommt, daß das Landgericht im Zusammenhang mit den für die Beurteilung bedeutsamen persönlichen Beziehungen zwischen Täter und Opfer (vgl. Eser NStZ 1983, 433, 435 m.N.) hier auch die im Vorfeld der Tat gegenseitig ausgesprochenen Morddrohungen im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung nicht unberücksichtigt lassen durfte.
Daß der Angeklagte dem Tatopfer „das Lebensrecht abgesprochen” hat, ist Gegenstand jeden vorsätzlichen Tötungsdelikts und rechtfertigt deshalb die Einstufung der Beweggründe als „niedrig” für sich nicht. Nichts anderes ergibt sich hier daraus, daß der Angeklagte nach dem ersten Schuß Patrick E. noch verfolgte und ihm einen weiteren tödlichen Schuß versetzte; denn dies belegt hier lediglich seinen – wie das Landgericht zutreffend annimmt – „unbedingten Tötungswillen” (UA 10).
3. Der Senat schließt aus, daß sich auf Grund neuer Hauptverhandlung noch weitere Feststellungen treffen lassen, die ein Handeln aus „niedrigen Beweggründen” ergeben könnten. Anhaltspunkte für weitere mordqualifizierende Merkmale bestehen nicht; solche werden auch in der zugelassenen Anklage nicht angenommen. Der Senat ändert deshalb den Schuldspruch von sich aus dahin, daß der Angeklagte des Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) schuldig ist.
Die Schuldspruchänderung macht die Aufhebung des Strafausspruchs erforderlich. Dagegen sind die der Festsetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe zugrundeliegenden Feststellungen – namentlich diejenigen zur vollen Schuldfähigkeit des Angeklagten, die das Landgericht rechtsfehlerfrei bejaht hat – von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben. Dies schließt ergänzende Feststellungen durch den neuen Tatrichter, die dazu nicht in Widerspruch stehen, nicht aus.
Unterschriften
Meyer-Goßner, Maatz, Athing, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 519192 |
StV 2001, 571 |
LL 2002, 111 |