Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 25.09.2001) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25. September 2001 aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Darmstadt zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Die 17. Strafkammer des Landgerichts hatte den Angeklagten wegen „sexueller Nötigung in einem ganz besonders schweren Fall” zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Durch Senatsbeschluß vom 7. März 2001 (2 StR 21/01) wurde das Urteil im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der Vergewaltigung schuldig ist und im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die 4. Strafkammer des Landgerichts hat in dem jetzt angefochtenen Urteil den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechtes. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge weitgehend Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Strafausspruch hält erneut rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die zugrundeliegenden Feststellungen können jedoch aufrechterhalten werden. Insoweit war die weitergehende Revision zu verwerfen.
Der Tatrichter hat bei der Strafzumessung berücksichtigt, „daß der Angeklagte letztlich die von der 17. Kammer getroffenen tatsächlichen Feststellungen eingeräumt hat, wenngleich diese im wesentlichen nach Rechtskraft ohnehin feststanden und es die zunächst schwankende Einlassung des Angeklagten der Nebenklägerin nicht ersparte, erneut über das Geschehen aussagen zu müssen.”
Diese Erwägungen sind zu Lasten des Angeklagten rechtsfehlerhaft.
Dem Angeklagten kann selbst bei einem rechtskräftigen Schuldspruch nicht vorgeworfen werden, daß er nicht (in vollem Umfang) geständig ist (vgl. u.a. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 4). Es darf auch nicht gegen ihn berücksichtigt werden, daß er nur zögerlich das Tatgeschehen zugestanden hat.
Dem Angeklagten kann auch in der Regel (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 15) nicht angelastet werden, wenn das Tatopfer noch einmal vernommen werden muß. Im vorliegenden Fall gilt das schon deshalb, weil das Tatopfer zum Tatgeschehen selbst gar nicht zu vernehmen war. Denn der Schuldspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen war durch den Senatsbeschluß vom 7. März 2001 in Rechtskraft erwachsen. Mag die Vernehmung des Tatopfers zu den Folgen der Tat und gegebenenfalls zur Alkoholisierung des Angeklagten bei der Tat noch geboten gewesen sein, zum Tatgeschehen selbst war eine Vernehmung nicht erforderlich. Darauf gerichtete Beweisanträge hätte die Kammer als unzulässig zurückweisen können (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 1 Unzulässigkeit 1 und 15).
Den Urteilsgründen (UA S. 15) läßt sich entnehmen, daß die Nebenklägerin zu weinen begann, als sie „auf die Tat selbst angesprochen” wurde. Dies hat die Strafkammer zu verantworten und nicht der Angeklagte. Dem Angeklagten darf die fehlerhafte Sachbehandlung durch das Gericht nicht im Rahmen der Strafzumessung angelastet werden. Im Hinblick auf die erneut hohe Freiheitsstrafe von neun Jahren können die rechtsfehlerhaften Erwägungen nicht als lediglich unerhebliche Relativierung eines Strafmilderungsgrundes angesehen werden. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß es sich im vorliegenden Fall in der Wirkung um eine unzulässige strafschärfende Berücksichtigung handelt.
Der aufgezeigte Rechtsfehler berührt die dem Strafausspruch zugrundeliegenden, rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht, so daß diese bestehen bleiben können. Damit kann gegebenenfalls der Nebenklägerin auch eine nochmalige Vernehmung erspart werden.
Die Abfassung der Urteilsgründe, in denen das Urteil der 17. Strafkammer weitgehend wiedergegeben wird, gibt dem Senat Anlaß auf folgendes hinzuweisen:
Der Wiederholung der den Schuldspruch tragenden, durch den Beschluß des Senats vom 7. März 2001 rechtskräftig gewordenen Feststellungen im ersten in dieser Sache verkündeten Urteil des Landgerichts vom 26. Juni 2000 bedurfte es nicht. Denn die von der teilweisen Aufhebung im Revisionsrechtszug nicht betroffenen Teile des Ersturteils behalten auch dann ihre eigenständige Bedeutung für das weitere Verfahren, wenn sie in dem nach der Zurückverweisung über weitere Urteilselemente entscheidenden neuen tatrichterlichen Urteil keine Erwähnung finden, und bilden mit diesem zusammen die einheitliche instanzabschließende Entscheidung (vgl. BGH, Beschl. v. 19. September 2001 – 3 StR 339/01 m.w.N.). Ergänzende und nicht in Widerspruch stehende Feststellungen darf der Tatrichter jedoch treffen. Die Wiedergabe der den Strafausspruch tragenden Feststellungen des ersten tatrichterlichen Urteils ist nicht unbedenklich, weil der Senat diese aufgehoben hatte. Die für den Strafausspruch relevanten Feststellungen hat der zweite Tatrichter selbständig neu zu treffen. Eine Bezugnahme auf das aufgehobene Urteil wäre auch dann nicht zulässig, wenn sie mit dem Hinweis verbunden wird, die neue Hauptverhandlung habe zu denselben Feststellungen geführt (vgl. u.a. BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Bezugnahme 3). Im vorliegenden Fall konnte der Senat die Abfassung hinnehmen, da der Tatrichter die Feststellungen letztlich ohne – unzulässige – Bezugnahme eigenständig neu getroffen und die entsprechenden Umstände im jetzt angefochtenen Urteil wiedergegeben und ergänzt hat.
Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO Gebrauch gemacht und die Sache an ein anderes Landgericht zurückverwiesen.
Unterschriften
Jähnke, Detter, Rothfuß, Fischer, Elf
Fundstellen
Haufe-Index 2559518 |
DAR 2003, 290 |
StV 2002, 599 |