Leitsatz (amtlich)
Bei Versagung der Prozeßkostenhilfe wegen fehlender Armut kann der Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist nur dann bewilligt werden, wenn sie sich für arm halten und davon ausgehen durfte, daß sie die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Prozeßkostenhilfe genügend dargetan habe. Daran kann es fehlen, wenn der Rechtsstreit jedenfalls auch im Interesse einer Personengemeinschaft geführt wird, die durchaus in der Lage ist, die Prozeßkosten zu bestreiten.
Verfahrensgang
KG Berlin (Entscheidung vom 13.09.1983; Aktenzeichen U 1135/82 Baul.) |
Tenor
1.
Der Beteiligten zu 1) wird die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Senats für Baulandsachen des Kammergerichts vom 13. September 1983 - U 1135/82 Baul. - verweigert.
2.
Die Revision der Beteiligten zu 1) gegen das vorgenannte Urteil wird als unzulässig verworfen.
3.
Die Beteiligte zu 1) hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Gründe
Durch Urteil vom 13. September 1983 hat das Kammergericht die Berufung der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Mit Schriftsatz vom 3. Januar 1984 hat die Beteiligte zu 1) um Bewilligung der Prozeßkostenhilfe für die Revisionsinstanz gebeten. Diesen Antrag hat der Senat durch Beschluß vom 22. Mai 1984 - zugestellt am 12. Juli 1984 - abgelehnt, weil die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Prozeßkostenhilfe nicht dargetan waren. Am 14. Juni 1984 hat die Beteiligte zu 1) auf eigene Kosten Revision eingelegt und um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist gebeten. Diesem Antrag kann nicht entsprochen werden.
Als die Revisionsschrift am 14. Juni 1984 beim Bundesgerichtshof eingereicht wurde, war die Revisionsfrist bereits abgelaufen. Diese beträgt nach § 552 ZPO einen Monat; sie beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Ein von dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) unterzeichnetes Empfangsbekenntnis über die an ihn bewirkte Zustellung des Berufungsurteils (§§ 212 a, 176 ZPO) befindet sich allerdings nicht bei den Akten. Das nötigt jedoch hier nicht zu der Annahme, die Zustellung des Urteils sei nicht wirksam vorgenommen worden (vgl. dazu BGH VersR 1977, 425). Abgesehen davon wäre bei unwirksamer Zustellung die Revisionsfrist spätestens sechs Monate nach der Verkündung des Berufungsurteils, also mit Ablauf des 13. März 1984, verstrichen gewesen (§ 552 letzter Halbsatz ZPO).
Wird die Prozeßkostenhilfe wegen fehlender Armut versagt, so kann einer Partei nach § 233 ZPO die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist nur dann bewilligt werden, wenn sie vernünftigerweise mit der Verweigerung nicht rechnen mußte, sich also für arm halten und davon ausgehen durfte, daß sie die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Prozeßkostenhilfe genügend dargetan habe (BGH NJW 1964, 868 und VersR 1971, 962).
Das ist hier nicht der Fall. Soweit die Beteiligte zu 1) Ansprüche geltend macht, die ihr von der Erbengemeinschaft nach Dr. Karl D. abgetreten worden sind, ist auch auf die Vermögensverhältnisse der Erbengemeinschaft abzuheben; diese besteht aus dem Ehemann der Beteiligten zu 1) und der Sekretärin Bärbel D.. Sie hat ihre Ansprüche wegen einer Bausperrenentschädigung der Grundstücke K. straße ... und ... und an der Straße ... im Pachtvertrag vom 28. Dezember 1979 an die Beteiligte zu 1) abgetreten. Damit ist Jedoch das eigene wirtschaftliche und rechtliche Interesse der Erbengemeinschaft an der Bebauung der Grundstücke nicht erloschen, zumal diese Eigentümerin der zu errichtenden Gebäude geworden wäre (§ 95 BGB). Eine Entschädigung wegen eines Bauverbots - soweit nicht ausschließlich ein Übernahmeanspruch in Betracht kommt - müßte auch deswegen im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Interessen der Erbengemeinschaft gesehen werden, weil der Ehemann der Beteiligten zu 1) in dem auf dem Grundstück K. straße ... aufstehenden Gebäude seine Anwaltskanzlei betreibt. Über nennenswertes eigenes Vermögen verfügt die Beteiligte zu 1) offenbar nicht. Ob der Beteiligten zu 1) als Pächterin der Grundstücke eigene Entschädigungsansprüche gegen die Beteiligte zu 2) zustehen könnten, ist fraglich. Sie hat die Grundstücke erst nach dem Inkrafttreten des Bebauungsplans ... - ... gepachtet. Dieser Plan schloß eine Bebauung in dem beabsichtigten Umfang aus. Das bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Auch in diesem Fall läßt das gewichtige wirtschaftliche Interesse der Erbengemeinschaft an der Durchführung des Rechtsstreits das Eigeninteresse der Beteiligten zu 1) völlig zurücktreten (OLG Hamm VersR 1982, 381 sowie BGHZ 47, 289, 292). Nach der Teileinigung vom 27. Dezember 1982 hat der Pachtvertrag inzwischen sein Ende gefunden. Das spricht dafür, daß letztlich nur noch der Eigentümer, d.h. die Erbengemeinschaft ein Interesse an der Verfolgung der Entschädigungsansprüche hat. Die Erbengemeinschaft, also auch der Ehemann der Beteiligten zu 1), ist aber durchaus in der Lage, die Prozeßkosten zu bestreiten. Es steht ihr schon nach der Teileinigung vom 27. Dezember 1982 eine Entschädigung von über 1.5 Mio. DM zu. Dabei kann offenbleiben, welcher Anteil an diesem Betrag der Beteiligten zu 1) für die Aufgabe des Pachtrechts gebührt und von ihr für die Kosten des Revisionsverfahrens verwendet werden kann.
Jedenfalls durfte bei dieser Sachlage die Beteiligte zu 1) vernünftigerweise nicht davon ausgehen, es werde ihr für die Revisionsinstanz Prozeßkostenhilfe bewilligt. Wenn sie mit einem Mißerfolg ihres Gesuchs nicht gerechnet hat, so muß sie sich das als Verschulden vorwerfen lassen. Dabei kommt es nicht auf ihre eigenen Erkenntnismöglichkeiten an; sie war durch einen Rechtsanwalt, ihren Ehemann, vertreten und muß sich dessen Versäumnisse zurechnen lassen (§ 85 ZPO).
Nach alledem kann der Beteiligten zu 1) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht bewilligt werden. Ihre Revision ist wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist als unzulässig zu verwerfen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 238 Abs. 4, 97 ZPO in Verb. mit § 161 BBauG.
Fundstellen