Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfallen einer Terminsgebühr, wenn der Gegner eine auf Erledigung des Verfahrens gerichtete Erklärung zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei entgegennimmt
Leitsatz (amtlich)
Eine Terminsgebühr fällt an, wenn der Gegner eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Erklärung zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei entgegennimmt.
Normenkette
RVG § 2 Abs. 2; RVG VV Nr. 3104
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin werden der Beschluss des 4. Zivilsenats des OLG Nürnberg vom 22.2.2006 aufgehoben und der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Weiden i.d. OPf. vom 25.10.2005 abgeändert und wie folgt neu gefasst.
Die von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden auf 2.473,95 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.8.2005 festgesetzt.
Der Beklagte trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren.
Beschwerdewert: 455,94 EUR
Gründe
[1] I. Die Klägerin hat vor dem LG Weiden i.d. OPf. gegen den Beklagten zu 2) (nachfolgend Beklagter) einen Zahlungsanspruch wegen Nichtabführung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung verfolgt. Zwecks einverständlicher Erledigung des Rechtsstreits hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin - nach Rücknahme der gegen den Beklagten zu 1) als weiteren Gesamtschuldner erhobenen Klage - am 14.6.2005 mit dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten eine fernmündliche Unterredung geführt. Dabei äußerte der Vertreter des Beklagten, die Ausführungen der Klägerseite zur Kenntnis zu nehmen und an den Beklagten, der über das weitere Vorgehen entscheide, weiterzuleiten. Das LG hat gegen den im Verhandlungstermin vom 29.7.2005 nicht erschienenen Beklagten ein - zwischenzeitlich rechtskräftiges - Versäumnisurteil auf Zahlung von 54.950,51 EUR erlassen; ferner sind dem Beklagten die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin auferlegt worden.
[2] Die Klägerin hat u.a. die Festsetzung einer 1,2-fachen Terminsgebühr (Nr. 3104 RVG-VV) beantragt. Das LG hat lediglich eine 0,5-fache Terminsgebühr (Nr. 3105 RVG-VV) festgesetzt. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen. Mit der von dem OLG zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
[3] II. Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Zugunsten der Klägerin ist gem. § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 i.V.m. Nr. 3104 VV eine 1,2-fache Terminsgebühr angefallen, so dass die ihr zu erstattenden Kosten um 455,94 EUR auf 2.473,95 EUR zu erhöhen sind.
[4] 1. Das OLG hat ausgeführt, eine Terminsgebühr falle zwar auch an, wenn kein Verhandlungstermin stattgefunden, der Rechtsanwalt aber eine außergerichtliche Besprechung mit dem Ziel der Erledigung des Verfahrens durchgeführt habe. Hierzu reiche eine kurzfristige telefonische Kontaktaufnahme aus, sofern der Gegner die Bereitschaft zeige, ein sachbezogenes, der Verfahrenserledigung dienendes Gespräch zu führen. Hier fehle es aber an dem gebotenen Meinungsaustausch über tatsächliche oder rechtliche Standpunkte, weil der Vertreter des Beklagten die Ausführungen des Klägers lediglich zur Kenntnis genommen habe, ohne in eine Verhandlung über die Sache selbst oder das weitere prozessuale Vorgehen einzutreten.
[5] 2. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
[6] a) Nach § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 verdient der Rechtsanwalt die Terminsgebühr auch durch die Mitwirkung an einer auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts. Die Terminsgebühr ersetzt nach dem Willen des Gesetzgebers sowohl die frühere Verhandlungs- als auch die frühere Erörterungsgebühr. Im Vergleich zu diesen Gebühren ist der Anwendungsbereich der Terminsgebühr erweitert worden. Im Interesse der Vereinfachung und insb. zur Beseitigung früherer Streitfragen sind durch die Fassung des Gebührentatbestandes die Unterschiede zwischen einer streitigen oder nicht streitigen Verhandlung, ein- oder zweiseitiger Erörterung sowie zwischen Verhandlungen zur Sache oder zur Prozess- und Sachleitung entfallen (BT-Drucks. 15/1971, 209).
[7] b) Entsprechend der gesetzgeberischen Intention, an das Merkmal einer - auch telefonisch durchführbaren (Sen.Beschl. v. 3.7.2006 - II ZB 31/05, BGHReport 2006, 1391, Umdr. S. 5, z.V.b.; Schons in Hartung/Römermann/Schons, RVG 2. Aufl. Vorbemerkung 3 VV Rz. 27; Keller in Riedel/Sußbauer, RVG 9. Aufl. VV Teil 3 Vorbemerkung 3 Rz. 49) - Besprechung keine besonderen Anforderungen zu stellen, entsteht die Gebühr auch dann, wenn der Gegner - wie hier - die auf eine Erledigung des Verfahrens gerichteten Äußerungen zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei zur Kenntnis nimmt.
[8] Eine auf eine Erledigung gerichtete Besprechung setzt als mündlicher Austausch von Erklärungen (Keller a.a.O.) die Bereitschaft der Gegenseite voraus, überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten. Verweigert der Gegner von vornherein entweder ein sachbezogenes Gespräch oder eine gütliche Einigung, kommt eine Besprechung bereits im Ansatz nicht zustande (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt/von Eicken, RVG 17. Aufl. Vorbemerkung 3 VV Rz. 92 f.). Im Unterschied dazu ist von einer Besprechung auszugehen, wenn sich der Gegner auf das Gespräch einlässt, indem er die ihm unterbreiteten Vorschläge zur Kenntnis nimmt und deren Prüfung zusagt. Da der Gebührentatbestand nicht an den Erfolg einer gütlichen Einigung anknüpft (Schons a.a.O. Rz. 34; Mayer in Mayer/Kroiß, RVG 2. Aufl. Vorbemerkung 3 Rz. 50), sind an die mündliche Reaktion des Gegners über Kenntnisnahme und Prüfung des Vorschlags hinausgehende Anforderungen nicht zu stellen. Diese Würdigung steht im Einklang mit den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 15/1971, 209), wonach die Unterscheidung zwischen einer ein- und zweiseitigen Erörterung aufgegeben werden soll. Da der Bevollmächtigte des Beklagten die Vorschläge der Klägerin zwecks Weiterleitung an seine Partei zur Kenntnis genommen und damit (zumindest konkludent) eine Prüfung zugesagt hat, ist die Terminsgebühr entstanden (OLG Koblenz v. 29.4.2005 - 14 W 257/05, NJW 2005, 2162 f.; Mayer a.a.O.; Müller/Rabe a.a.O. Rz. 92 f.).
[9] c) Danach ergibt sich - unter Korrektur (BGH, Urt. v. 3.7.1996 - VIII ZR 221/95, BGHZ 133, 184, 191 = MDR 1996, 995; BGH v. 9.2.1989 - V ZB 25/88, BGHZ 106, 370, 373 = MDR 1989, 531) eines offensichtlichen Schreibfehlers im Kostenfestsetzungsbeschluss (2.018,01 EUR statt 2.108,01 EUR) - folgende Abrechnung: Die der Klägerin tatsächlich zustehende 1,2-Gebühr ist - ausgehend von einer bei einem Streitwert von 54.950,51 EUR anfallenden 1,0-Gebühr über 1.123 EUR - mit 1.347,60 EUR zu bemessen, aber um die bereits zu ihren Gunsten berücksichtigte 0,5-Gebühr (561,50 EUR) zu reduzieren. Aus der Differenz i.H.v. 786,10 EUR kann die Klägerin die Erstattung der Hälfte (393,05 EUR) beanspruchen, so dass zzgl. 16 % Umsatzsteuer (62,89 EUR) zu ihren Gunsten weitere 455,94 EUR festzusetzen sind. Mithin ergibt sich der im Tenor ausgewiesene Gesamtbetrag von 2.473,95 EUR.
Fundstellen